Türkis-grüne Lohnsteuerreform: Märchen, Propaganda & Wirklichkeit

Mit der in pompösen Superlativen präsentierten ‚sozial-ökologischen‘ Steuerreform vom Wochenende, ist nunmehr auch der 2. Schritt der türkis-grünen Lohnsteuerreform auf Schiene gebracht. Und das K&K-Kabinett von Kurz & Kogler feiert sich über diese – als wortidente Blaupause von Türkis-Blau übernommene – Lohnsteuerreform in salbungsgleichen Tönen. Aus Sicht der einfachen ArbeiterInnen und Angestellten allerdings zu Unrecht.

Die Mär der „Armutsbekämpfung“ und „Entlastung der Geringverdiener“

Zwar fand sich der 1. Schritt der Lohnsteuerreform, die Senkung des Eingangssteuersatzes von 25% auf 20% ab Jahresbeginn 2021, im Regierungsprogramm neben dem Steuerkapitel hanebüchener Weise überhaupt zugleich im „Paket zur Armutsbekämpfung“. Nur war dies eine glatte Irreführung.

Denn das ärmste Einkommensdrittel, zu Beschlussfassung satte 1,3 Mio. Beschäftigte im Land, die ohnehin schon so wenig verdient, dass sie unter dem Eingangssteuersatz liegen (wofür man mehr als 1.250 Euro brutto verdienen muss), gehen dabei schlicht leer aus und erhalten nicht einen müden Cent mehr im Geldbörsl. (Zumal schlichtweg überhaupt keine, nicht einmal eine basale Erhöhung der Negativsteuer vereinbart wurde).

Für die Beschäftigten der 1. Steuerstufe wiederum, brachte der 1. Schritt der Tarifreform maximal 350,- Euro im Jahr ab einem Bruttomonatsgehalt von rd. 1.800,- Euro. Das gleicht noch nicht einmal die kalte Progression aus. Ja, für eine Beschäftigte mit einem Nettoeinkommen von 1.125,- Euro aufs Konto bringt die Tarifreform beispielsweise leidgliche 11,- Euro im Monat. Auch sie beißen in Wirklichkeit in den sauren Apfel. Das heißt: Geringerverdiener und Niedriglöhner, viele weibliche Beschäftigte, prekär Beschäftigte sowie Werktätige mit Migrationshintergrund schauen demnach weitgehend durch die Finger.

Zudem ist aktuell auch die von manch ÖkonomInnen schon fast totgesagte Inflation zurück. Die Teuerungen ziehen wieder stark an. Im September etwa kletterten die Preise im Jahresvergleich um 3,2%.

Unterm Strich: Eine Reform für Gutverdiener

Von dem mit Sommer 2022 kommenden 2. Schritt einer Senkung der zweiten Stufe der Einkommenssteuer von 35% auf 30% und der mit Sommer 2023 vorgesehenen weiteren Senkung der dritten Einkommenssteuerstufe von 42% auf 40% wiederum, profitieren allem voran die Bezieher und Bezieherinnen mittlerer und hoher Einkommen – sowie (die dahingehend noch multiplizierenden Maßnahmen wie etwa den Familienbonus zunächst noch unberücksichtigt lassend) einkommensstarken Familien.

Bezöge man allein den hier zunächst zurückgestellt gelassenen Familienbonus noch mit ein, würde die Schieflage der Gesamtsteuerreform noch durchsichtiger. Die AK hat in diesem Zusammenhang etwa berechnet, dass ein gut verdienendes Paar mit zwei Kindern beispielsweise mit einer jährlichen Entlastung von 1.715 Euro rechnen könnte, bei einer Arbeiterfamilie mit drei Kindern dagegen lediglich 308 Euro zu Buche schlügen. Dies hier nur, um einmal anschaulich die Schieflage dieser Steuerreform in ihrer Gesamtschau in den Blick zu bringen. Ebenso einschneidend fallen die Verschlechterungen  für PendlerInnen, denen die Benutzung des öffentlichen Verkehrs unzumutbar ist, aus.  Kombiniert würden sich die beiden namhaft gemachten Effekte natürlich nochmals wechselseitig verstärken. Und sie markieren zugleich nur Aspekte der jeweils gesamthaften Zusammenstückungen.

Zudem steckt der Teufel der türkis-grünen resp. vormals türkis-blauen Lohnsteuerreform nicht zuletzt im steuerpolitischen Detailgerüst.

Zwar ist eine Senkung der unteren Einkommenssteuersätze zunächst prinzipiell zu begrüßen. Da die Einkommenssteuer in Österreich allerdings ein zusammengesetzt progressiver Tarif ist, in dem die höheren Einkommen die jeweiligen Steuerentlastung durch alle Tarifstufen mitnehmen und aufsummieren – also auch von der Senkung der unteren Tarifstufen voll profitieren – ist deren Steuerentlastung auch höher, als die der mittleren und geringeren Einkommen. So tritt die Höchstentlastung des Regierungsprogramms von 1.580 Euro im Jahr, erst ab einem Bruttomonatseinkommen von 6.000 Euro ein (nur 3% der Steuerpflichtigen verdienen so viel oder mehr), während das Durchschnittseinkommen der Beschäftigten in Österreich bei ca. 2.300 Euro liegt.

Die untere Hälfte der Einkommensverteilung schmiert weiter ab

Dass die Einkommenssteuerreform also „insbesondere geringe und mittlere Einkommen spürbar entlastet“ ist, wie im Regierungsprogramm formuliert, falsch und wird auch mit Inkraftsetzung des 2. Schritts beiweilen nicht richtiger.

Bis zu einem Verdienst von rund 1.800 Euro brutto pro Monat gibt es keine steuerliche Entlastung. Von der Tarifsenkung profitieren vielmehr vor allem die höheren mittleren Einkommen und obere Hälfte der Einkommensbezieher und Einkommensbezieherinnen.

Richtig ist entgegen der Regierungspropaganda daher vielmehr, dass die Beschäftigten und KonsumentInnen – aktuell 80% des Gesamtsteueraufkommens beitragend – auch nach vollbrachter türkis-grünen Steuerreform mehrheitlich die Goldesel und Melkkühe der Nation bleiben.

Zugleich frisst die kalte Progression mit dem Aufschub der Lohnsteuerreform auf die Jahre 2022 bzw. 2023 seit dem letzten Ausgleich ein Volumen von den Löhnen und Gehältern weg, das selbst noch durch die nach Eigenauskunft „größte Steuerreform der Geschichte Österreichs“ unausgeglichen bleibt. Die Tarifsenkung entspricht zwar einem Volumen von 2,4 Mrd. Euro, reicht damit aber noch nicht einmal aus, um die kalte Progression zur Gänze auszugleichen – geschweige denn eine tatsächliche Entlastung der Einkommen zu bewirken.

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