Tödlicher Anschlag auf die HDP-Zentrale in Izmir: Kurdenschlächter Erdoğan und der lange Schatten der Grauen Wölfe

Die brachialen Repressionen gegen die linksdemokratische HDP (Demokratische Partei der Völker), hat mit dem heutigen bewaffneten Anschlag auf die HDP-Zentral in Izmir und dem Tod von Deniz Poyraz im Kugelhagel und gelegtem Feuer, einen weiteren Höhepunkt erreicht. 

Ermordet von einem türkischen Faschisten der Grauen Wölfe. Der Anschlag war offensichtlich als Massaker geplant, sollte doch heute eigentlich eine rund 40köpfige Vorstandssitzung der HDP stattfinden, die allerdings kurzfristig verlegt wurde.

Der festgenommene Angreifer Onur Gencer hat, wie zwischenzeitlich bekannt wurde, von seiner Terrorattacke parallel ‚Statusmeldungen‘ im Instant-Messaging-Dienst WhatsApp veröffentlicht. Unter dem Bild der Toten Deniz Poyraz steht dabei kühl und verächtlich  „Kadaver Nummer 1” zu lesen. Weitere Bilder zeigen zahlreiche Einschusslöcher des Dauerfeuers in den Räumen und Büros der HDP-Zentrale in Izmir. Von sich selbst wiederum, hat er im Internet Fotos gepostet, die ihn mit Wolfsgruß sowie mit Schnellfeuergewehren in Minbic und Aleppo in Nordsyrien zeigen – darunter mit einem Sturmgewehr, das türkische Spezialtruppen im Kampf gegen die PKK benutzen – mit denen er in sichtbar turanistischem Stolz seine faschistische Gesinnung und paramilitärischen Einsätze offen zur Schau stellt.

Der Anschlag und das geplante Massaker erinnert denn auch alle Kenner der Geschichte der Türkei stark an das Wüten und den Terror der sich vorrangig aus den sogenannten Ülkü Ocakları  (Idealistenvereine) und deren Jugendorganisation Ülkücu Gençler Derneği rekrutierenden paramilitärischen Kommandos der faschistischen Grauen Wölfe Ende der 1960er und 1970er Jahre. Die Selbstbezeichnung als „Graue Wölfe“ entstammt im Turanismus dabei der alten Sage, ein grauer Wolf hätte den türkischen Kriegern einst den Weg nach Kleinasien gewiesen. Der Wolfsgruß wiederum symbolisiert nach ihrem Gründer Alparslan Türkeş (dem zugleich wichtigsten Kollaborateur des Nazi-Faschismus in der Türkei) und späteren stellvertretenden Ministerpräsidenten im Blutrausch der 70er das Folgende: „Schau her, der kleine Finger symbolisiert den Türken, der Zeigefinger den Islam. Der beim Wolfsgruß entstehende Ring symbolisiert die Welt. Der Punkt, an dem sich die restlichen drei Finger verbinden ist ein Stempel. Das bedeutet: Wir werden den Türkisch-Islamischen Stempel der Welt aufdrücken.“

Es ruft aus jüngerer Zeit aber vor allem auch das Selbstmordattentat in Suruç am 20. Juli 2015, dem 33 junge Sozialisten unmittelbar vor ihrem Solidaritätszug nach Kobanê zum Opfer fielen, sowie auf das Bombenattentat auf die Gewerkschaftsdemonstration am 10. Oktober 2015 in Ankara, bei dem 103 TeilnehmerInnen ihr Leben verloren, in Erinnerung.

Seit seiner Wahlniederlage 2015 hat Erdogan die Türkei in einen militanten nationalistisch-chauvinistischen Taumel gejagt, die faschistische MHP ins Boot geholt und eine Kaskade mittlerweile bereits 6 Jahre andauernder, schmutziger Kriege gegen Kurdistan und die türkische Linke entfesselt. Parallel wurde der Presse, den religiösen Minderheiten (unter ihnen allen voran den Aleviten ), der Frauen- und LGBTQI*-Bewegung, sowie den kämpferischen Gewerkschaften und jeglicher Opposition politisch und justiziell der Krieg erklärt.

Seit Beginn des Jahres eskaliert Ankara seinen Frontalangriff auf die linke, pro-kurdisch Opposition zur Totalattacke.

Nachdem in den vergangenen Jahren bereits über 16.500 Mitglieder und AktivistInnen der linksdemokratischen Partei der Völker inhaftiert wurden, Abgeordnete und BürgermeisterInnen reihenweise ihrer Ämter enthoben wurden bzw. ihr Mandat entzogen wurde, fordert der Vorsitzende der faschistischen MHP und Koalitionspartner Erdoğans, Devlet Bahçeli, seit Anfang dieses Jahres vom Obersten Gerichtshof der Türkei das direkte Verbot der oppositionellen HDP. Die Mission der von Alparslan Türkeş1969 gegründeten MHP – die das Land einst mit ihren paramilitärischen Todesschwadronen überzog – besteht seit ihrer Gründung im rabiaten Kampf gegen die türkische und kurdische Linke. Unmittelbar darauf stimmte auch der „Palast“ das Land mit einer von Innenminister Süleyman Soylu (AKP) losgetretenen breiten medialen Hetzkampagne gegen die Partei der Völker auf ein direktes Verbot der HDP ein und peitschte den Mob der militanten türkisch-islamistischen Staatsreligion unablässig weiter auf.

Bereits während des verhängten Ausnahmezustands über das Land 2016 wurden 90 von 103 demokratisch gewählten Bürgermeistern in kurdischen Hochburgen ihres Amtes enthoben und durch eingesetzte Zwangsverwalter ersetzt. Nichts desto trotz gelang es der HDP bei den Kommunalwahlen im März 2019 die überwältigende Anzahl der Städte unter schwierigsten Bedingungen zurückzugewinnen. Allerdings: bereits im Oktober 2018 hatte Erdoğan unverhohlen gedroht, die Bürgermeister absetzen zu lassen. Getreu seinem politischen Credo „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind“. Dementsprechend setzt Erdoğan im Anschluss auch vor aller Weltöffentlichkeit seinen politischen Putsch fort, enthebt erneut nach Gutdünken HDP-BürgermeisterInnen und stellt die Städte, darunter auch die wichtigsten Städte in den kurdischen Landesteilen der Türkei wieder unter Zwangsverwaltung.

Gleichwohl gelang es der AKP/MHP-Phalanx nicht, die HDP auszuschalten, die selbst unter Bedingungen des Ausnahmezustands 2018 erneut mit 11,7% der Stimmen ins Parlament einzog.

Nachdem in den vergangenen Jahren dessentwegen bereits rd. 16.500 Mitglieder der linksdemokratischen HDP inhaftiert wurden, ParlamentarierInnen, Abgeordnete und BürgermeisterInnen reihenweise ihrer Ämter enthoben wurden, holt Ankara über den von der Erdoğan und Bahçeli hörigen Oberstaatsanwaltschaft der Türkei eingereichten Verbotsantrag gegen die HDP zum finalen institutionellen Frontalangriff gegen die linke Partei der Völker aus – um sich damit der stärksten linken und parlamentarischen Opposition zu entledigen, deren FunktionärInnen, Mitglieder und SympathisantInnen für vogelfrei zu erklären, und die pro-kurdische Linke für die Präsidentenwahlen 2023 auszuschalten.

Entsprechend enthält der Verbotsantrag neben der Schließung der HDP auch die Beantragung des Verbots der politischen Betätigung hunderter HDP-Mitglieder, darunter allem voran ihrer bekannten politischen RepräsentantInnen und Köpfe, sowie zahlreicher früherer und jetziger Vorstände und Abgeordneten. Unter ihnen natürlich auch gegen den seit 2016 inhaftierten früheren HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş, gegen welchen die Staatsanwaltschaft im parallel geführten sogenannten „Kobanê-“Prozess überhaupt 15.000 Jahre (!) Haft fordert. Damit soll sichergestellt werden, dass die bekanntesten Gesichter und erfahrensten PolitikerInnen der HDP, nach deren Schließung für eine linksdemokratische Neugründung und Nachfolgepartei ausgeschaltet bleiben.

Bereits davor ist eine Gruppe von Regierungsanhängern mit Türkei-Fahnen in das Gerichtsgebäude in Ankara eingedrungen, in dem parallel der „Kobanê-Prozess“ gegen den ehemaligen HDP-Vorstand stattfindet.

Mit dem gleichzeitigen „Kobanê-“Schauprozess gegen 108 HDP-FunktionärInnen soll am Standhalten Kobanês gegen die von der Türkei nach Kräften mit Waffen, Geld, logistischer Unterstützung und Rückzugsräumen unterstützten Kalifatkrieger des IS Rache genommen werden. Zur Last gelegt wird den Angeklagten in diesem Zusammenhang – während die Welt den Atem anhielt und quer durch die politischen Landschaften mit den Kurden und Kurdinnen und ihren Verbündeten  in ihrem Kampf um Kobanê gegen die Mörderbanden des IS mitfieberte – allem voran der Twitter-Aufruf des HDP-Exekutivrats Anfang Oktober 2014, der neben einer Solidaritätserklärung mit der vom IS eingekesselten Stadt Westkurdistans, auch zum Protest gegen die türkische Regierung und deren Unterstützung der Daesch-Mörderbanden aufrief:  „Dringender Aufruf an unsere Völker […]! In Kobanê ist die Lage äußerst kritisch. Wir rufen unsere Völker dazu auf, auf die Straße zu gehen und diejenigen zu unterstützen, die bereits auf der Straße sind, um gegen die Angriffe des IS und gegen das Embargo der AKP-Regierung zu protestieren.” Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ein als „politische Rede“ zu rubrizierender Tweet, der mitnichten als Aufruf zur Gewalt ausgelegt werden kann, wird er genau dieses seitens der türkischen Polit-Justiz.

Mit dem heutigen Anschlag auf die Parteizentrale in Izmir und der Ermordung von Deniz Poyraz hat die Hexenjagd des AKP/MHP-Faschismus eine abermals neue Dimension erreicht. Wer immer, aufgepeitscht von der unablässigen Hetze des Regimes, namentlich aller abgedrückt haben mag und in die Vorbereitungen involviert war – die Hauptverantwortung an dieser Eskalation und Terrorattacke trägt der „Palast in Ankara“, tragen Erdoğan, Bahçeli und Innenminister Soylu.

„Dieser Mord zeigt den Völkern der Türkei sowie der NATO und Europa, die Diktator Erdogan unterstützen, ein weiteres Mal das kurdenfeindliche, blutige und rassistische Gesicht des faschistischen türkischen Staates und seine AKP/MHP-Regierung. In der Türkei ist keine Spur von Demokratie mehr vorhanden. Die Menschen werden am hellichten Tag von Mördern getötet, die sich entspannt bewegen können. Verantwortlich sind die Regierungskoalition und der Mafiosi Süleyman Soylu, die ständig gegen die HDP hetzen“, erklärt denn auch der KCDK-E und ruft zu weltweiten Kundgebungen auf.

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