Paul Robeson: Zum 125. Geburtstag des einst „bekanntesten Amerikaners der Welt“

Für ältere Generationen von Linken und Kommunist:innen war und ist er eine Ikone. „Der Künstler muss Partei ergreifen. Er muss sich entscheiden, für Freiheit oder Sklaverei zu kämpfen“, so Paul Robeson auf einer Kundgebung zur Unterstützung der Spanischen Republik und Internationalen Brigaden 1937. Den Teilnehmer:innen der Weltjugendfestspiele in Wien 1959 dürft seine bis heute so unverwechselbare Stimme sicherlich Zeit ihres Lebens unvergessen geblieben sein. Robeson sang in seinem Bass in über 20 Sprachen, darunter auch in einigen Afrikanischen sowie auf Chinesisch und Russisch. In der McCarthy-Ära wurde er für seines furchtlosen Eintretens als Bürgerrechtler, für Frieden und als Unterstützer der Sowjetunion in den USA zur „Unperson“ schlechthin erklärt und aus dem öffentlichen Leben verbannt.

Ihm wurde der Pass entzogen, seine Musik boykottiert, seine Schauspielkarriere beendet und über ihn ein durch das FBI orchestriertes de-facto-Auftrittsverbot verhängt. Robeson wehrte sich nach Kräften und gab daraufhin etwa Konzerte in England und Wales über Telefon oder sang aufgrund eines Einreiseverbots ein historisch gewordenes Konzert an der kanadischen Grenze für sein Publikum auf der anderen Seite. Über die Jahrzehnte hat das politische Establishment den charismatischen Sänger, Schauspieler, Sportler, Autor, Bürgerrechtler, Antifaschisten, Friedenskämpfer und unbeugsamen Kommunisten beinahe erfolgreich den Mantel des Vergessens über ihn gebreitet. Dabei gewann der von Sidney Poitier gesprochene Dokumentarfilm über ihn 1980 sogar noch den Oscar als bester Dokumentar-Kurzfilm. Um ihn dem schleichenden Vergessen zu entreißen erschien im Neue Impulse Verlag 1998 noch die empfehlenswerte kurze Biographie „Paul Robeson“ von Martin Schwander. Heute wiederum gedachte ihm im nd zu seinem 125. Geburtstag der Historiker Mario Keßler, aus dessen ansonsten tendenziösen Beitrag wir nur die biographische Skizze übernehmen:

In all seinen so unterschiedlichen beruflichen und politischen Tätigkeiten leistete er Herausragendes: der afroamerikanische Sänger und Schauspieler, Jurist und Football-Spieler, politische Aktivist und Kommunist Paul Robeson, der am 9. April 1898 in in Princeton, New Jersey, geboren worden ist. Zwischen 1925 und 1961 nahm er fast 300 Songs auf und veröffentlichte sie in mehreren Variationen auf über 60 Langspielplatten. Er sang in zwanzig Sprachen, von denen er sieben beherrschte. Sein Repertoire umfasste Folk-, Blues- und Jazz-Standards, Pop- und Musical-Songs, klassische wie politische Lieder. Robesons Bedeutung für den Emanzipationskampf der Afroamerikaner ist kaum zu überschätzen. Bis zum Kalten Krieg war er, so der legendäre Mitbegründer der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung W.E.B. Du Bois, »der bekannteste Amerikaner der Welt« – und dies nicht nur unter Kommunisten.

Paul Leroy Bustill Robeson ist in der Familie eines presbyterianischen Predigers als jüngstes von fünf Kindern geboren worden. Der Junge zeigte herausragende Leistungen in allen Schulfächern, darunter im Sport. 1915 gewann er einen landesweiten akademischen Wettbewerb um ein Stipendium an der Rutgers University. Damals wurde er zweimal in das landesweit beste Football College Amateur-Team gewählt, erfuhr aber schon dort rassistische Diskriminierung: Eine gegnerische Mannschaft weigerte sich anzutreten, weil ein Schwarzer auf dem Spielfeld stand. Eine Profikarriere gab Robeson zugunsten seiner künstlerischen Ambitionen auf.

1923 erlangte Robeson an der Columbia University in New York seinen Studienabschluss als Jurist und arbeitete kurzzeitig in einer Kanzlei. In Harlem traf er den Pianisten Fletcher Henderson, der einen neuen Sänger für seine Band suchte. Nachdem Henderson mehrere Lieder von Robeson gehört hatte, bot er ihm einen Platz im Quartett an. Damals lernte Robeson seine Frau Eslanda Goode kennen. In der keineswegs spannungsfreien Partnerschaft arbeitete Eslanda fortan als seine Agentin. 1927 wurde Paul Robeson Jr., das einzige Kind des Paares, geboren.

Unterdessen bot sich Robeson die Chance einer Laufbahn als Schauspieler. Im April 1921 spielte er in Mary Hoyt Vyborgs Stück »Taboo« eine der Titelrollen, wenig später sang er im Chor der Produktion »Shuffle Along« am Broadway und 1922 erstmals in England. Im Februar 1924, bis Robeson die Titelrolle in Eugene O’Neills »Wings Are Given to All Children of Men« angeboten bekam – ein Sieg wider die rassistische Hetze des Medienkonzerns von William Randolph Hearst. Danach spielte er noch den Brutus in O’Neills Tragödie »The Emperor Jones«. Im März 1925 nahm er mit dem Pianisten Lawrence Brown seinen ersten Song, den Spiritual »Ev’ry Time I Feel the Spirit«, auf. Es folgte Robesons erste Europa-Tournee. 1928 gelang ihm mit Jerome Kerns »Ol’ Man River« ein Welthit. Dieser und weitere Erfolge stellten ihn auch finanziell lange sicher.

In London nahm Robeson ab 1930 ein Teilstudium für afrikanische Sprachen auf. 1934 erhielt er eine Einladung des sowjetischen Regisseurs Sergej Eisenstein nach Moskau. »In Russland fühlte ich mich zum ersten Mal als vollwertiger Mensch«, sagte er später. »Es gab keine Vorurteile wegen der Hautfarbe wie in Mississippi oder wie in Washington.« Zurück in London, trat er in Filmen und Theaterstücken unterschiedlicher Qualität auf, bis er in der Rolle des François-Dominique Toussaint Louverture, des Führers der haitianischen Revolution um 1800, erneut höchste Anerkennung erfuhr. Mit C.L.R. James, dem Verfasser des Buches »The Black Jacobins«, das dem gleichnamigen Theaterstück zugrunde lag, schloss er eine enge Freundschaft.

Der Spanische Bürgerkrieg mitsamt seinem internationalen Echo ließ Robeson endgültig zum politischen Aktivisten werden. Mit Beginn des Krieges 1936 schickte er Erlöse aus seinen Konzertauftritten an Hilfsfonds der Spanischen Republik und trat 1938 selbst dort auf. Auch seine Solidarität mit streikenden Bergarbeitern in Wales ist zu nennen. Im Juni 1936 setzte er sich nach einem Treffen mit dem indischen Freiheitskämpfer Jawaharlal Nehru publikumswirksam für die Unabhängigkeit des Subkontinents ein. Ebenso unterstützte er antikoloniale Bestrebungen in Afrika.

Ende 1939 ging die Familie in die USA zurück und ließ sich in Enfield, Connecticut nieder. Von dort brach Robeson im Juli 1940 zu einer Konzerttour in den Westen der USA auf, deren Höhepunkt ein Konzert in der Hollywood Bowl sein sollte. Doch wollte keines der angeschriebenen Hotels den schwarzen Künstler akzeptieren. Schließlich war er gezwungen, sich zu einem überhöhten Preis unter der Bedingung einzumieten und sein Essen im für Nicht-Weiße reservierten Hotelrestaurant einzunehmen.

Zum 1942 uraufgeführten Film »Native Land« steuerte Robeson die Stimme des Erzählers bei; es war einer der ersten Filme, der die Verletzung der Bürgerrechte in den USA dokumentierte. Trotz der Tatsache, dass die Vereinigten Staaten von Amerika und die UdSSR im Kampf gegen Hitlerdeutschland inzwischen verbündet und Kommunisten in den USA zeitweilig kaum gefährdet waren, sah das FBI den Film als versteckte kommunistische Propaganda an. Zu Robesons kaum zählbaren Aktivitäten dieser Jahre gehörte eine Aufnahme des »Marsches der Freiwilligen« in englischer wie auch in chinesischer Sprache, der 1949 zur Hymne der Volksrepublik China wurde. Aus Anlass seines 100. Geburtstages sollte dann der Generalsekretär der KP der USA, Gus Hall, erklären, dass Robeson jahrzehntelang Parteimitglied gewesen sei, dieses jedoch in Absprache mit der Führung geheim gehalten habe.

Am 25. Juli 1946 gelang es Robeson, mit US-Präsident Harry S. Truman zu sprechen. Er beschwor diesen: »Entweder die Regierung wird gegen das Lynchen von Negern vorgehen, oder die Neger selbst werden es tun.« Der Präsident versicherte Robeson, die USA und Großbritannien seien die besten Garanten einer demokratischen Gesellschaft, worauf Robeson erwiderte, England sei eine der größten sklavenhaltenden Nationen der Menschheit. Zudem kritisierte er, dass die US-amerikanische und britische Politik sich vom Antifaschismus abgekehrt hätten. Truman erwiderte, es sei nicht an der Zeit, Gesetze gegen das Lynchen zu erlassen. Robeson und W.E.B. Du Bois organisierten daraufhin eine Kampagne, deren Beginn sie auf den 22. September datierten, auf den Tag, an dem Präsident Lincoln 1862 offiziell die Sklaverei für aufgehoben erklärt hatte.

Noch im gleichen Jahr 1946 wurde Robeson vor das sogenannte Tenney-Komitee zitiert, dem kalifornischen Unterausschuss des Ausschusses für »Unamerikanische Tätigkeit«. Dort und ebenso im Mai 1948 vor dem Justizausschuss des Senats lehnte er die Beantwortung der Frage nach seiner KP-Mitgliedschaft unter Beruf auf die Verfassung ab. 1948 unterstützte er gemeinsam mit Albert Einstein den chancenlosen Wahlkampf von Henry A. Wallace, dem Vorsitzenden der neu gegründeten kurzlebigen Progressive Party, als Präsidentschaftskandidat.

Im Juni 1949 reiste Robeson erneut nach Moskau. (…)

Am 17. Juli 1949 sprach Robeson auf einem Kongress im New Yorker Henry Hudson Hotel, der der Verteidigung von zwölf KP-Führern gewidmet war. Sie waren aufgrund eines antikommunistischen Gesetzes der subversiven Tätigkeit angeklagt. (…)

Am 20. September 1949 erschien Robeson vor Gericht, um zugunsten der zwölf angeklagten Kommunisten auszusagen, was ihm aber verweigert wurde. Im Sommer 1950 entzog ihm die Regierung den Reisepass, womit ihm Auftritte im Ausland unmöglich gemacht wurden. Zusammen mit der Boykottpolitik der großen Rundfunkstationen und Plattengesellschaften führte dies zu empfindlichen finanziellen Einbußen. Spektakulär war da ein via Seekabel nach England und Wales übertragenes Konzert, das er 1957 in New York gab. Erst im Jahr darauf erhielt Robeson seinen Reisepass zurück und konnte nun mit großem Erfolg in der Sowjetunion und in der DDR auftreten. Die Humboldt-Universität zu Berlin verlieh ihm die Ehrendoktorwürde.

Die jahrzehntelange Diskriminierung Robesons als Afroamerikaner wie als Kommunist hinterließen Spuren. 1961 versuchte er, sich in Moskau das Leben zu nehmen. Bis 1963 blieb er in London unter medizinischer Betreuung, danach brachte seine Familie ihn in die DDR-Hauptstadt. Nach zeitweiliger Erholung kehrte er noch im gleichen Jahr in die USA zurück, konnte aber nicht mehr aktiv an der erstarkenden Bürgerrechtsbewegung teilnehmen. 1965 unternahm er in San Francisco einen zweiten Selbstmordversuch.

Im Dezember 1965 zog Robeson nach dem Tod seiner Frau zur Familie seines Sohnes nach New York, 1968 dann in das Haus seiner Schwester in Philadelphia. Er lebte dort völlig zurückgezogen. Am 15. April 1973 versammelten sich 3000 Menschen aus Anlass seines 75. Geburtstages in der New Yorker Carnegie Hall. In seiner letzten Ansprache auf Band sagte er: »Obwohl ich mich seit mehreren Jahren nicht mehr sozial engagieren kann, sollt Ihr wissen, dass ich mich weiterhin dem Kampf für Freiheit, Frieden und der Brüderlichkeit der Menschen auf der Erde verpflichtet fühle.«

Am 23. Januar 1976 starb Robeson in Philadelphia. Er wurde neben seiner Frau Eslanda auf dem Ferncliff Cemetery in New York bestattet. (…)

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