Die Verhandlungen in der privaten Sozial- und Gesundheitsbranche wurden mit der Forderungsübergabe in der sogenannten „Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ)“ zwischen Gewerkschaften GPA und vida auf der einen und der namensgebenden Arbeitgebervereinigung auf der anderen Seite eingeläutet. In den nächsten Wochen folgen dann die kleineren KVs der kirchlichen Träger, kurz Caritas und Diakonie.
Die große Mehrheit der KollegInnen der Branche steht angesichts der Teuerung vor enormen finanziellen Problemen. Für viele ist das Abrutschen unter die Armutsgrenze eine große Gefahr. Der übergroße Anteil der Beschäftigten mit Teilzeitverträgen ohne Chance auf Vollzeit oder Mehrstunden oder KollegInnen, die auf Grund von Betreuungspflichten ihre Einkommen nicht durch Arbeit an Sonn- und Feiertagen und in der Nacht aufbessern können, ist besonders betroffen.
Zur Information der BetriebsrätInnen, die zwar im Vorfeld allgemein befragt, aber in keinster Weise in die Entscheidungen einbezogen wurden, finden nun gerade in ganz Österreich Betriebsräte-Konferenzen statt. Gleichzeitig werden dort auch die Grundsteine für die sicherlich notwendigen Aktionstage für gewerkschaftliche Maßnahmen festgelegt.
Auf der Wirtschaftsbereichskonferenz für BetriebsrätInnen in den Bereichen Gesundheit, Soziale Dienstleistung, Kinder- und Jugendhilfe der GPA in Wien am 27.9. 2022 wurde die schwammige gewerkschaftliche KV-Forderung nach einer „deutlichen Erhöhung der Realeinkommen unter Berücksichtigung der Inflationsrate und unter der besonderen Berücksichtigung niedriger Einkommen“ stark kritisiert.
Denn die Erfahrung in vielen Betrieben zeigt, dass die Mobilisierung besser funktioniert, wenn es für die Belegschaften konkrete und greifbare Forderungen gibt, für deren Durchsetzung Aktionen und Streiks organisiert werden. Dass solche Forderungen aktuell durchaus üblich sind, zeigt auch ein Blick auf andere, gleichzeitig verhandelnde Branchen: die MetallerInnen fordern +10,6%, die EisenbahnerInnen wollen in vorgezogenen KV-Verhandlungen einen Fixbetrag von +500€ und die für die Ordensspitäler fordert die vida ebenfalls ein Plus von mindestens 500€.
Durch einen Antrag kämpferischer BetriebsrätInnen wurden all jene Beschlüsse nochmals bekräftigt, die auch schon vor dem Sommer in Wien beschlossen worden waren: Die Forderungen nach Erhöhung der Grundgehälter um 750 Euro Fixbetrag bei Vollzeit für alle Verwendungsgruppen und als klare rote Linie: kein Abschluss unter 500 Euro. Außerdem die Erhöhung der Zulagen und Zuschläge um die doppelte Inflationsrate und ein aktives Kämpfen für die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich ab 1. Jänner 2023.
Das Papier der Arbeitgebervereinigung lässt schon erahnen, wie schwer die Verhandlungen um echte Reallohnerhöhungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen werden. Österreichweit wird schon an einem möglichen Eskalationsplan gearbeitet, um den gerade im Sozial- und Pflegebereich notwendigen Vorbereitungen von Aktionen und Kampfmaßnahmen im Betrieb genug Zeit einzuräumen. Die Betriebsrätekonferenz in Wien legte sich für die Mobilisierung auf den 8. November fest. Und auch, was die Kampfformen und Eskalationspotentiale betrifft, wurden Nägel mit Köpfen gemacht: Die BR-Konferenz ruft die KollegInnen der Branche dazu auf, wenn es im Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen notwendig sein wird die Schlagzahl seitens der Beschäftigten zu erhöhen und am 8. November Streiks bzw. Warnstreiks zur Unterstützung der Forderungen bei den SWÖ-KV-Verhandlungen durchzuführen.
Damit dafür auch – bei etwaigen Gehaltsabzügen – der Streikfonds zur Verfügung steht, wurde beschlossen, an den ÖGB-Bundesvorstand heranzutreten und dort die Freigabe des Streikfonds zur Auszahlung von Streikgeldern an die Gewerkschaftsmitglieder und die politische Unterstützung der Streiks in der Sozialwirtschaft zu beantragen.
Denn die bundesweite, von der Gewerkschaftsspitze festgelegte Dramaturgie, sähe erst für Ende November eine BR-Konferenz und somit erst Anfang Dezember etwaige weitere, verschärfte gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen bis hin zu Streiks vor, was viele BetriebsrätInnen und aktive Beschäftigte als viel zu spät ansehen. Deswegen wurde auch bekräftigt, dass eine solche bundesweite BR-Konferenz schon im Oktober abgehalten werden solle, um dort den Stand der KV-Verhandlungen gemeinsam zu diskutieren und notwendige Maßnahmen und Kampfformen zur Unterstützung der gewerkschaftlichen Verhandlungen und für erhöhten Druck auf die Arbeit- und Geldgeber planen und konkretisieren zu können.