Nachdem die EisenbahnerInnen am Montag mit ihrem 24-stündigen Warnstreik den Druck in der Lohnrunde nochmals deutlich erhöht haben und zeigten, dass sie in organisierter Gegenmacht auch die Kraft hätten das Land weitgehend lahmzulegen, geht es am kommenden Montag gestärkt um die Arbeitsniederlegung und die unverändert annähernd 100%ige Kampfbereitschaft der Beschäftigten mit einer 6. Verhandlungsrunde weiter. Ergebnis offen. Immerhin, für österreichische gewerkschaftliche Verhältnisse recht ungewöhnlich und von links umso hervorhebenswerter, hat die Vida in ihren Regularien eine Urabstimmung über das Verhandungsergebnis durch die Gewerkschaftsmitglieder in den Eisenbahnunternehmen festgelegt.
Gegen das zuvor noch mit einem kosmetischen Schleifchen versehene neue (Schein-)Angebot der Branchenvertreter des Fachverband Schienenbahnen der WKO – die das bisherige von 200 auf 208 Euro erhöhen würden – um noch händeringend eine Absage des Streiks zu erwirken, äußerte Vida-Verhandlungsführer Gerhard Tauchner zu Recht spöttelnd: „Acht Euro wenden keinen Warnstreik ab“.
Bislang hakt es jedoch nicht nur bei den geforderten 400 Euro sowie einem Mindestlohn von 2.000 Euro für die Eisenbahnberufe ordentlich, zudem gingen die WKO-Branchenvertreter bis dato auch noch mit keinem Wort auf die Forderung nach einer Abgeltung der erfolgten Produktivitätszugewinne der Bahn ein.
Dabei stellt neben der grassierenden Hochinflation auch der Generationenübergang bei den Beschäftigten in den Eisenbahnunternehmen für die Branche eine aktuell riesige Herausforderung dar, da schon allein so in den nächsten Jahren 20.000 MitarbeiterInnen im bisher führenden EU-Bahn-Land gesucht werden. Entsprechend ist es auch schlicht unabdingbar, dass die dringend gebotene Verlagerung des Güter- und Personenverkehrs auf die Schiene mit entsprechenden Lohneinkommen und Arbeitsbedingungen einhergeht und dem Personalnotstand bei der Bahn mit umfassenden Attraktivierungen für die Beschäftigten entgegengesteuert wird.
Mit ihrer Forderung nach einem Fixbetrag unterstützt die Vida zugleich mit Absicht vor allem die unteren und mittleren Einkommen bei der Bahn. Denn, so die Gewerkschaft Vida völlig zu Recht, ein 40-Stunden-Job um 1.356 Euro netto im Nachtzug (womit der Netto-Einstiegsgehalt sogar knapp unter der Armutsgefährdungsschwelle nach EU SILC liegt) ist – sowohl angesichts der explodierten Teuerung wie der nötigen Mobilitätswende – eindeutig untragbar.
Natürlich, wie es auch das Momentum-Institut gerade auf den Punkt brachte: „Als Gehalts-Ausgleich wollen die Arbeitgeber 2023 auf Einmalzahlungen setzen. Für sie aus gutem Grund: Das wäre deutlich billiger. Steigt der Grundlohn, bleibt er das ganze Berufsleben höher. Er bestimmt, wo die Lohnverhandlungen nächstes Jahr beginnen. Eine Einmalzahlung verpufft hingegen nach einem Jahr. Akzeptiert eine Eisenbahnerin mit 2.000 Euro Monatsgehalt eine Einmal-Zahlung von 1.000 Euro, fällt sie im nächsten Jahr um diese 3,6% wieder zurück. Und der Verlust bleibt für das restliche Berufsleben. Nach einem Jahr ergibt das keinen Unterschied. Über Jahrzehnte fehlen ihr Zehntausende Euro, die dem Unternehmen bleiben.“
Dagegen kämpfen die EisenbahnerInnen denn auch für nachhaltige Lohnerhöhungen, denn bei allen zudem unabdingbaren Investition in Fahrzeuge, die Infrastruktur und Ausbau des Netzes: auch der Schienenverkehr wird von Menschen gemacht. Und deren Reallöhne sind beiweilen nicht nur, wie die UN-Weltarbeitsorganisation ILO gestern bekannt gab, erstmals seit 2008 global gesunken, sondern auch in Österreich heuer drastisch abgeschmolzen.
Der Zug, so ließen sich Roman Hebenstreits Wort in der ZIB interpretieren, ist allerdings noch lange nicht abgefahren. Sollte es zu keinen weichenstellenden Lohnerhöhungen und Attraktivierungen kommen, steht die weitere Streik- und Arbeitskampffront der Kollegen und Kolleginnen ungebrochen. Und, wie eingangs betont, obliegt ein etwaiges „vertretbares Verhandlungsergebnis“ (wie es heißt) bei den EisenbahnerInnen noch der Abstimmung durch die GewerkschaftskollegInnen.