Joe Hill: The Man Who Never Died

Die Exekution des Gewerkschafters, Arbeiterdichters und Singer/Song-Writers 1915

„Seine Songs haben mehr Arbeitern die Augen geöffnet als alle sozialistischen Zeitungen zusammen“, hieß es in einem Nachruf auf den am 9. November 1915 von der US-Behörden in einem Justizmord exekutierten legendären Gewerkschafter, Arbeiterdichter und Singer/Songwriter Joe Hill einmal pointiert überspitzt. Mit nicht weniger Recht ließe sich allerdings auch sagen: kaum ein Arbeitskampf in dem er nicht mitten drin stand.Wir haben im Vorfeld des 40. Jahrestag der Inhaftierung Mumia Abu-Jamals einen kurzen Abriss über die Kette an Justizverbrechen und Justizmorden in den USA publiziert, deren „Fälle“ wir nunmehr in unregelmäßigen Abständen in ausführlicheren Einzelbeiträgen nachzeichnen und beleuchten als es in besagtem Abriss möglich war.  

Allein zwischen 1871 und 1904 kamen etwa 15 Millionen Einwanderer in die USA. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wanderten Jahr für Jahr weitere rund 1 Million Menschen aus Europa in die Neue Welt aus. Unter ihnen 1902 der 23-jährige Joel Emmanuel Hägglund mit seinem Bruder Paul aus Schweden. Um seines Traumes eines neuen Lebens in den Staaten sowie um seiner neuen angloamerikanischen Identität Ausdruck zu verleihen nannte er sich in Jospeh Hillstrom, kurz: Joe Hill, um.

Die Struktur und Spezifika der US-amerikanischen Arbeiterklasse zu Beginn des 20. Jh.

Die stete Einwanderung teilte die ArbeiterInnen der USA gleichsam in zwei Gruppen – ‚einheimische‘ und ‚zugewanderte ausländische‘ – und letztere wiederum in eine Reihe nationaler Untergruppen. Diese Spaltung widerspiegelte sich wiederum in ihrer ungleichen Stellung auf der gesellschaftlichen Stufenleiter, den vorrangig ausgeübten Tätigkeiten und ihrer Verteilung auf die Sektoren der US-Wirtschaft. So stellten 1902 EinwanderInnen (im Vergleich zu gebürtigen AmerikanerInnen) beispielsweise nur 10,4% der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, aber 30,6% der Beschäftigten in der Industrie. Das US-Proletariat wurde, legt man die gesamte Beschäftigtenstruktur zu Grunde, zur Jahrhundertwende des 19. zum 20. Jahrhundert sonach stark von der Einwanderung geprägt (die etwa in der Textilindustrie 68,7%, in der Kohleindustrie 61,9%, im Hüttenwesen 57,7% der Beschäftigten stellten), während unter den Farmern, Handelsleuten und anderen selbständigen Gewerbetreibenden vornehmlich gebürtige US-Amerikaner überwogen.

Die US-Bourgeoisie verstand es natürlich vortrefflich die unterschiedlichen Nationalitäten gegeneinander auszuspielen, worauf bereits Friedrich Engels in einem Brief an Hermann Schlüter zur Struktur und Psychologie der US-amerikanischen ArbeiterInnenklasse nachdrücklich den Finger legte. Am heute symbolisch mit dem ab 1910 anhebenden Auto als Massenprodukt verbundenen Aufstieg des USA zum kapitalistischen Zentrum, lässt sich die damalige Spaltungslinie vielleicht nochmals plastisch veranschaulichen.Während das erreichte Niveau der Industrialisierung und der errungene relative Wohlstand gebürtiger amerikanische Facharbeiter (basierend auf Henry Fords Produktionspolitik) einerseits die erste größere individuelle Massenmotorisierung einläutete (wenngleich man die automobile Motorisierung mit zunächst kaum 2% des gesamten US-amerikanischen Personenverkehrs insgesamt auch wieder auf ihr tatsächliches Maß relativieren muss), verdingte sich die Mehrheit der Arbeitenden unter drastische Arbeitsbedingungen und Schundlöhnen.

Wanderarbeiter, Gewerkschaftsbewegung in den USA und die Wobblies

Nach dem frühen Tod seines Vaters bei einem Arbeitsunfall schon von Kindheit an gezwungen schwer zu schuften, verdingte er sich in den USA als Wanderarbeiter: unter anderem als Taglöhner, Erntehelfer, in einer Maschinenfabrik und als Hafenarbeiter. Auf dem Hintergrund der dabei gemachten Erfahrungen trat er um 1910 der IWW (der Gewerkschaft Industrial Workers oft he World) bei und engagierte sich bei den Wobblies nicht zuletzt für einen kämpferischen Internationalismus. Die – vorwiegend von militanten Arbeiterführern, Anarchisten und sozialistisch orientierten Kräften gegründete – IWW zeichnete sich neben ihrem radikal antikapitalistischen Selbstverständnis und ihrer Militanz sowie nach ihrem IV. Kongress 1908 stark anarchistisch inspirierten und geprägten Ausrichtung seinerzeit daneben vor allem darin aus, in ihren Kämpfen im Stahlsektor und der Industrie sowohl Facharbeiter und ungelernte Arbeiter betont zusammenzuführen sowie die Kämpfe über ethnische und sprachliche Grenzen hinweg zu organisieren. Entsprechend war sie in ihrem Erscheinungsbild auch von einer Vielzahl an Sprachen geprägt und versuchte zudem, bewusst von der traditionellen US-amerikanischen Gewerkschaftsbewegung vernachlässigte Teile der Klasse wie Wanderarbeiter und nicht zuletzt auch Frauen gewerkschaftlich zu organisieren.Die lange Zeit mangelnde Einbeziehung und Organisierung der ungelernten Arbeiter, Wanderarbeiter, sowie aller ethnischen Gruppen und weiblichen Beschäftigten, hielt auch der bekannte Gewerkschafter und spätere langjährige Vorsitzende der Kommunistischen Partei der USA, William Z. Foster, für einen der Kardinalfehler der Gewerkschaftsbewegung. Dementsprechend setzte sich die Vereinigte Gewerkschaft der Eisen-, Stahl und Zinnarbeiter der USA auch fast ausschließlich aus hochqualifizierten Facharbeitern zusammen, ignorierte jedoch die Masse der ungelernten und weiterer Teile der Arbeiterschaft.Der nationale Gewerkschafts-DachverbandAFL (American Federation of Labor) seinerseits erwirkte zwar gewisse Zugeständnisse und Erfolge für seine Mitglieder (darunter erste sozusagen tarifvertragliche Abschlüsse bei U.S. Steel Carnegie’s), nahm aber de facto keine Ungelernten und Hilfsarbeiter in ihre Reihen auf, und bezog ausgeprägt chauvinistische Standpunkte gegenüber eingewanderten Arbeitskräften sowie schwarzen und indigenen Arbeitern.William Edward Burghardt Du Bois, der erste schwarze Doktorand Harvards (den das Studium des Marxschen Werkes und seine politischen Aktivitäten später zum Marxisten formten und im hohen Alter 1961 noch der CPUSA beitrat), stellte in einer wissenschaftlichen Untersuchung 1902 fest, dass es in unglaublichen 43 Fachgewerkschaften überhaupt keine afroamerikanischen Mitglieder gebe. Damit spaltete der AFL nachdrücklich die Arbeiterklasse und reproduzierte die soziale, ethnische und rassistische Spaltung auch innerhalb der Betriebe und erschwerte gemeinsame Kämpfe sowie die gewerkschaftliche Organisierung. Dieser, durch das Berufsgruppenprinzip der AFL noch strukturell unterfütterten, Spaltung, setzte sich die IWW nicht nur politisch sondern auch durch ihr Verständnis als Industriegewerkschaft, die die Klasse über alle Spaltungslinien hinweg zu organisieren trachtete, entgegen.

Die „Free Speech“-Kämpfe

Als IWW-Organizer beteiligte sich nun wiederum Joe Hill noch im selben Jahr seines Beitritts an den, von den Wobblies initiierten, heftigen „Free Speech“-Kämpfen in Kalifornien um die politische Versammlungsfreiheit. Eine von 1909 – 1911 auch in anderen Gebieten (wie den Bundesstaaten Montana, Pennsylvania, Washington oder South Dakota) hart ausgefochtene Kampagne der jungen, erst 1905 gegründeten Gewerkschaft, für das Recht Straßenkundgebungen abzuhalten und das Recht auf Organisierung. Weder die rigorosen Verhaftungen hunderter AgitatorInnen (unter ihnen auch die damals erst 19-jährige Elizabeth Gurley Flynn, später prominentes Mitglieder der Kommunistischen Partei der USA und 1961 erste weibliche Vorsitzende des Nationalkomitees der CPUSA), noch die harten Behandlungen in den US-Gefängnissen konnten den aufopferungsvollen Kampf um die Redefreiheit und das Recht auf Straßenkundgebungen brechen, der schlussendlich in einem Erfolg mündete.

Die politische Lage in den USA um die Jahrhundertwende: ein umfassender wie blutiger Kreuzzug gegen die Gewerkschaften

Es war eine Dekade in der die Bourgeoisie einen regelrechten Kreuzzug gegen die Gewerkschaften und gegen das Streikrecht entfachte. Allerdings auch eine Epoche in der es noch harte Klassenkämpfe von unten dagegen gab, in denen sich heftige Streiks oftmals über Monate streckten. Gleichsam immer mitten drin: Joe Hill. Egal ob in der Stahlindustrie, als Bauarbeiter oder in den Minen Uthas. Die IWW machte sich in ihrer Ausrichtung dabei nicht zuletzt auch durch die Einbeziehung und breite Beteiligung niedrigbezahlter ArbeiterInnen – etwa in der Stahlindustrie, der Automobilindustrie, den Holzgewinnungsbetrieben, in den Bergwerken oder der Textilfabriken – in ihren Streikkämpfen,die aufgrund der politischen Lage und Anheuerungen von „Pinkertons“-Privatarmee gegen Streiks im Einzelnen bisweilen Züge eines „Bürgerkriegs“ annahmen, verdient. Nicht selten wurde damals auch der „Sherman Antitrust Act“ gegen die US-Gewerkschaften gerichtet. Der 1895 entstandene „Nationale Verband der Industriellen“ (NAM; National Association of Manufacturers) führte über lange Zeit eine groß angelegte Kampagne für die Abschaffung der Gewerkschaften und „freie (Einzel-)Verträge“ zwischen den Unternehmern  und jedem/r einzelnen Arbeitenden. 1902 entschied der Supreme Court (der Oberste Gerichtshof der USA) einen Streik der Arbeitenden der Firma D. E. Dows mit dem einer Gewerkschaft zur Anerkennung verholfen werden sollte, sowie den landesweiten Solidaritäts-Boykott der Waren von D. E. Downs, zum Verstoß gegen den „Sherman-Akt“. Parallel erklärten amerikanische Gerichte die Gesetze einzelner Bundesländer, die es verboten, Arbeitende zu entlassen weil sie Gewerkschaftsmitglieder waren, für ungültig. Arbeitsniederlegungen wurden von der US-Justiz als ungesetzlich deklariert, als dem Eigentum der Unternehmer Schaden zufügende Handlungen verurteilt. Flankiert wurde die Lage noch durch gedungene Streikbrecher und angeheuerte „Pinkerton“-Agenten, die auch nicht davor zurückschreckten Streiks blutig und bewaffnet niederzuschlagen und niederzuschießen. Das waren die Tage, in denen Upton Sinclair, der sich für authentische Eindrücke wochenlang in den industriellen Schlachthöfen Chicagos verdingte, mit seinem Roman „Der Dschungel“ (1906) die Verhältnisse auch auf literarischem Feld ans Tageslicht förderte.

Intermezzo in Mexiko, Singer/Song-Writer der Arbeiterklasse und musikalischer Inspirator von Generationen

Inspiriert von den Ideen des bekannten libertären mexikanischen Revolutionärs Ricardo Flores Magón, der seinerseits für Mexiko immer wieder auf die unumgängliche Einheit der ArbeiterInnen von Stadt und Land hinwies, beteiligte sich Joe Hill danach 1911 an einer kleinen, von Magón in Los Angeles zusammengestellten kleinen Gruppe von Guerilleros vorübergehend auch kurz an der Mexikanischen Revolution. Die von Magón formulierte zentrale Losung „Land und Freiheit!“ sollte dann vor allem im Kampf der revolutionären Kräfte um und unter Emiliano Zapata und Pancho Villa zur vollen Wirkmächtigkeit gelangen.

Hill selbst kehrte wieder in die USA zurück, half Streiks mit zu organisieren und wurde 1913 schließlich IWW-Sekretär im Hafenviertel von Los Angeles. In dieser Zeit avancierte er auch zum Streikredner und entdeckte und reifte sein Talent als Arbeiterdichter und Singer/Song-Writer. Zur Berühmtheit hat es sein diesbezüglicher Satz gebracht: „Ein Flugblatt, und sei es auch noch so gut, wird niemals mehr als einmal gelesen. Ein Lied dagegen wird … wieder und wieder gesungen.“ Mit seinen rebellischen Songs und Streik-Liedern wurde er bald berühmt, und gilt heute als wichtigster Pionier der US-Folkmusik und künstlerische Inspirationsquelle für Woody Guthrie und Bob Dylan. MusikerInnen wie Pete Seeger, Joe Glazer, Billy Bragg und Joan Baez sangen und besangen ihn. Paul Robeson nahm ihn in sein Repertoire auf. In späterer Zeit auch etwa die Dubliners. Auch Chumbawamba widmete sich ihm musikalisch. Und selbst Bruce Springsteen verneigte sich mit dem nach Joe Hill benannten Song vor der Ikone und dem Märtyrer der US-amerikanischen Gewerkschaftsbewegung. Dem von Alfred Hays 1925 oder 1930 geschriebenen und dem kommunistischen Songwriter, Komponist und Sänger Earl Robinson zum Lied vertonten Gedicht „I Dreamed I Saw Joe Hill Last Night“ (Mir träumte, dass ich Joe Hill letzte Nacht gesehen habe), in dem er einem Arbeiter im Traum erscheint, kann getrost der Status einer Hymne der US- und internationalen ArbeiterInnenbewegung zugesprochen werden. Sein Millionenpublikum erreichte es dabei allem voran durch die gewaltige Stimme des berühmten afroamerikanisch-kommunistischen Sängers Paul Robeson. Unvergessen für viele sicherlich auch Hills Inspiration für Billy Braggs gleichnamigen Song „There Is Power in A Union“.

Konstruierte Anklage, offener Hass der Herrschenden und Justizmord

Im Jänner 1914 kassierten die US-Behörden den unliebsamen revolutionären Gewerkschafter unter fadenscheiniger Anklage eines angeblichen Doppelmords am Ladenbesitzer John G. Morrison und dessen 17jährigen Sohn Arling am 10. Jänner desselben Jahres, für die es weder die Spur eines glaubwürdigen Hinweises gab, noch ein Motiv Hills namhaft gemacht werden konnte. Im Gegenteil. Auch die Öffentlichkeit gewann aufgrund der Faktenlage schnell den Eindruck, dass der Hill-Prozess vorrangig darauf abzielte, die aufstrebende IWW als eine Vereinigung kaltblütiger Kindsmörder und Verbrecher brandmarken und ihr den Garaus machen zu wollen. Nur wenige Tage vor seiner Festnahme warnte die Gewerkschaftszeitung der Wobblies, „Solidarity“, bereits: „Jetzt werden im ganzen Land verstärkt Anstrengungen unternommen, Mitglieder unserer Organisation unter dem einen oder anderen Vorwand einzusperren.“ Entsprechend infam wurde vor Gericht als „Beweis“ auch ein Schreiben des Polizeichefs von San Pedro (dem Hafenviertel in Los Angeles, in dem Hill Sekretär der Wobblies war) verlesen, in dem es in kaum zu wünschen übriglassender Offenheit hieß: „Mir gelangte zur Kenntnis, dass Sie einen Joseph Hillstrom wegen Mordes verhaftet haben. Sie haben den richtigen Mann. Er ist gewiss ein unerwünschter Bürger. Er ist so etwas wie ein Musiker und Verfasser von Liedern für das IWW-Liederbuch“, so der Polizeichef, dem Hills Arbeit unter den Hafenarbeiten schon länger ein Dorn im Auge war und der mit Joe Hill darob bereits in Konflikt geraten war, ja, ihn zwei Jahre davor wegen Streikagitation auch schon widerrechtlich festgenommen hatte. Wichtige Entlastungsmaterialien wurden demgegenüber bewusst zurückgehalten, Entlastungszeugen eingeschüchtert. Welchen Hass und welche Entschlossenheit die Herrschenden gegen den revolutionären Gewerkschaftsführer an den Tag legten, belegt auch der Kommentar des Gouverneurs von Utha William Spry zum Urteilsspruch: Ob schuldig oder nicht, das verhängte Todesurteil helfe jedenfalls die Straßen von „gesetzlosen Elemente und Wobbly-Agitatoren“ zu säubern. Wie schon zu den schändlichen Vollstreckungen der berühmten Haymarket-Justizmorde 1887 (die sechs Jahre nach der Hinrichtung der Chicagoer Arbeiter 1893 wegen erwiesener Unschuld aufgehoben werden mussten) konnte auch im Falle Hills die gewerkschaftliche Solidaritätskampagne, die abermals auch international großen Widerhall fand und der öffentliche Aufschrei rund um die Welt, das Urteil nicht abwenden. Selbst eine politische Intervention des US-Präsidenten Woodrow Wilson gegen das Urteil dieses offensichtlichen Schauprozesses und seines für jederman und jederfrau fragwürdigen Verfahrens konnte die US-Henker-Fraktion nicht mehr stoppen.

Tom Mooney

Im unmittelbaren Anschluss konstruierten die US-Behörden und die US-Justiz vielmehr den nächsten „Fall“ und verhafteten den Gewerkschaftsaktivisten und Sozialisten Tom Mooney auf Grundlage falscher Beschuldigungen. Dem vielfachen Streikführer und Sprecher der AFL (in dersich in den heftigen Kämpfen dieser Dekade auch sozialistische Tendenzen Bahn brachen) wurde ein Bombenanschlag 1916 in San Francisco zur Last gelegt. Mooney – der sich wie Warren K. Billings, dem später ein ähnliches Schicksal ereilte, seinerseits ebenfalls mit Nachdruck für Hills Freilassung engagierte – wurde daraufhin 1917 zum Tode durch den Strang verurteilt, das Todesurteil aufgrund der zweifelhaften „Beweis“lage sowie anhaltender Proteste 1918 allerdings in lebenslange Haft umgewandelt. Nachdem das Urteil als immer zweifelhafter erschien, wurde er 1939 begnadigt und 1941 – 9 Monate vor seinem Tod – aus der US-Bundeshaftanstalt San Quentin entlassen. Knapp 60-jährig verstarb er dann im folgenden Jahr am 6. März 1942 in Kalifornien. Es brauchte noch fast 20 Jahre bis (lange nach seinem Tod) 1961 auch seine offizielle Rehabilitierung erfolgte und die gegen ihn erhobene Anschuldigung und das gegen ihn verhängte Urteil als euphemistisch „Justizirrtum“ genannt eingestanden wurde.

Letzte Worte, Exekution – und Freispruch nach 100 Jahren

Das Urteil gegen Joe Hill wurde hingegen vollstreckt. Am 19. November 1915 wurde er im Innenhof des Staatsgefängnisses von Utha im Namen der Vereinigten Staaten erschossen. Der im Kampf um seine Freilassung besonders mutigen Elizabeth Gurley Flynn schrieb er in Dank und Anerkennung in Haft zuvor noch das berühmte Lied „The Rebel Girl“. In einem seiner letzten Briefe – an den Mitbegründer der IWW Bill Haywood – verabschiedete er sich der erst 35-jährige antikapitalistisch-internationalistische Gewerkschafter schließlich mit den Worten vom Leben: „Ich sterbe wie ein wahrer Arbeiterrebell. Verschwendet keine Zeit mit Trauer, organisiert euch!“

Wie weit das Kapital und die reaktionärsten Kräfte zu gehen bereit waren und sind, unterstrich kurz darauf nochmals der große Stahlarbeiterstreik 1919, in dessen Verlauf 22 Arbeiter getötet wurden. In diesem Streik trat allerdings schon eine neue Generation, wie namentlich William Z. Foster hervor, der dieser Klassenschlacht in den USA auch ein Buch, „Der große Stahlarbeiterstreik“, widmete.

Ähnlich der Rehabilitierung Tom Mooneys, plädiert auch die US-Historikerzunft die sich in der Folge eingehend der Rekonstruktion des Falls „Hill“ widmete und nochmals mit den Akten, der Präparierung von Zeugen, ballistischen Gutachten, Briefen aus Nachlässen, anderen dringend Tatverdächtigten, neuen Indizien usw. usf. beschäftigte, nach 100 Jahren für ein geändertes, vielfach glatt gegenteiliges Urteil zur US-Mordjustiz: Freispruch! Vor diesem Hintergrund räumen heute selbst Nachfahren der Morrisons offen Zweifel an der Schuld von Joe Hill ein.

Neben seinem, oben skizzierten, Weiterleben in der Musik, lebt sein Andenken auch auf weiteren kulturellen Feldern fort. So in Barrie Stavis weltberühmten Drama „The Man Who Never Died“ (Der Mann, der niemals starb), dem der hiesige Beitrag auch seinen Titel entnommen hat. Daneben setzt ihm literarisch insbesondereebenso der große sozialrealistische US-Schriftsteller John Dos Passos 1932 in seinem Roman „1919“ ein unvergessliches Denkmal.

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