Für ein armutsfestes Arbeitslosengeld – Zum „Tag der Arbeitslosen“ und gleichzeitig absoluten Hauptverlierer:innen der Hochinflation

Man kann es kaum oft genug ins Gedächtnis rufen: Es liegt 50 Jahre zurück, als in einer legendären Fernsehkonfrontation dem damaligen SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky von seinem konservativen Kontrahenten Josef Taus (ÖVP) die seinerzeitigen 33.000 Arbeitslosen in Österreich als politisches Versagen vorgerechnet wurden. 2023 stellt es kaum mehr eine größere gesellschaftliche Aufregung dar, dass wir im Vorjahr über das Jahr ziemlich genau das 10-fache an Arbeitslosen hatten. Damit liegt die Arbeitslosigkeit in etwa wieder auf Vorkrisenniveau – welches vor der Wirtschafts- und Coronakrise für Gewerkschaften, Linke und progressive Kräfte zurecht noch einen gesellschaftlichen Skandal ersten Ranges markierte. Anlässlich des Tags der Arbeitslosen am 30. April hat das „Momentum Institut“ gerade die Bezugshöhe der Arbeitslosenunterstützung in Österreich im Jahr 2022 analysiert. Und diese zeigen mit Nachdruck: Arbeitslose gehören in Österreich nicht nur traditionell zu den Ärmsten der Gesellschaft, sondern sind auch die absoluten Hauptverlierer:innen der grassierenden Inflationswelle, wie „Momentum“ im Detail nachzeichnet:

Arbeitslosengeld unter der Armutsgefährdungsschwelle

Während die meisten Sozialleistungen seit diesem Jahr an die Inflation angepasst werden, ist das beim Arbeitslosengeld nicht der Fall. Den starken Preissteigerungen für Wohnen, Heizen und Lebensmittel sind Erwerbsarbeitslose dennoch ausgesetzt.

Die Analyse der Daten des Arbeitsmarktservices zeigt: 2022 betrug die mittlere Arbeitslosenunterstützung nur rund 973 Euro. Das sind 419 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle und sogar rund 30 Euro weniger als noch im Jahr 2021. Erwerbsarbeitslose sind damit die absoluten Verlierer:innen der aktuellen Teuerung. Trotz der rasanten Preissteigerungen hat sich die mittlere Arbeitslosenunterstützung gegenüber dem Vorjahr nicht gesteigert, sondern sogar verringert. 91 Prozent der Bezieher:innen von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beziehen eine Unterstützung unter der Armutsgefährdungsschwelle (Grenze für 1-Personen-Haushalt). Grund dafür ist einerseits die fehlende Anpassung des Arbeitslosengeldes an die Inflation, andererseits waren Besserverdiener:innen 2022 weniger von Arbeitslosigkeit betroffen als 2021, was die Bezugshöhe im Mittel etwas nach unten gedrückt hat.

Weil sich das Arbeitslosengeld auf Basis des zuvor verdienten Lohns berechnet, finden sich Lohndiskriminierungen, die es am Arbeitsmarkt gibt, auch bei der Arbeitslosenunterstützung wieder. Sowohl der Gender-Pay-Gap, – also der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen – als auch der Migrant-Pay-Gap – der Unterschied zwischen Menschen mit und ohne österreichische Staatsbürgerschaft – sind bei der Arbeitslosenunterstützung bemerkbar. Wird eine Person am Arbeitsmarkt diskriminiert und bekommt aufgrund des Geschlechts oder der Herkunft schlechter bezahlt, wird auch entsprechend weniger Arbeitslosengeld an sie ausbezahlt. Diskriminierung im Erwerbsleben wird in der Arbeitslosigkeit somit weiter einzementiert. Eine Frau ohne österreichischen Pass erhält im Durchschnitt eine um 22 Prozent geringere Arbeitslosenunterstützung als ein österreichischer Mann. Etwa 14 Prozentpunkte sind dabei auf den Geschlechtsunterschied zurückzuführen, der Rest auf den Unterschied bei der Nationalität.

Und auch das Arbeiten in gut bezahlten Branchen schützt Betroffene im Durchschnitt nicht vor der Armutsgefährdung. In allen Branchen liegt die durchschnittliche Arbeitslosenunterstützung unter der Armutsgefährdungsschwelle. Am höchsten ist die durchschnittliche Arbeitslosenunterstützung für ehemalige Beschäftigte aus der Finanz- und Versicherungsbranche. Erwerbsarbeitslose aus der Branche Erziehung und Unterricht beziehen im Schnitt das geringste Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe.

Dass in dem Land mit der sechsthöchsten Wertschöpfung pro Kopf 91 Prozent der Arbeitslosen eine Unterstützung unter der Armutsgefährdungsschwelle (Grenze für 1-Personen-Haushalt) bekommen, gleicht einem Armutszeugnis.

Das im internationalen Vergleich skandalös niedrige Arbeitslosengeld in Österreich

Soweit die aktuelle Auswertung des Momentum Instituts. Und schon vor der Inflationswelle war Arbeitslosigkeit in Österreich ein Hauptgrund für Armut. Wesentlich hierzu trägt insbesondere der Umstand bei, dass das Arbeitslosengeld – die sog. Nettoersatzrate – in Österreich mit 55% des vorherigen Einkommens auch im internationalen Vergleich skandalös niedrig liegt. Nicht nur gegenüber Ländern wie Belgien und Dänemark, in denen diese bei 80% liegt, sondern selbst im Vergleich zum OECD-weiten Schnitt von 65%. Damit müssen Arbeitslos gewordene in Österreich quasi über Nacht mit nur noch beinahe der Hälfte ihres bisherigen Einkommens ihr Leben fristen und über die Runden kommen. Und die grassierende Hochinflation lässt das Arbeitslosengeld aufgrund des Wert- und Kaufkraftverlusts real noch weiter dramatisch schrumpfen, zumal – wie ausgeführt –, es beim Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe keinerlei Inflationsanpassung oder -Ausgleich gab.

Für ein armutsfestes Arbeitslosengeld von 80% des letzten Netto-Entgelts!

Entsprechend gewannen über das letzte Jahr auch die Forderungen und Initiativen nach einer massiven, lebensstandardsichernden und armutsfesten Anhebung des Arbeitslosengeldes immer mehr an Zuspruch und Brisanz. Als KOMintern fordern wir mit anderen daher seit Langem nachdrücklich eine sofortige Erhöhung des Arbeitslosengelds auf 80 Prozent des letzten Netto-Entgelts. Denn der immer weiter grassierenden Armut aufgrund der Joblosigkeit entgegenzusteuern und das Ziel eines zumindest armutsfesten Arbeitslosengeldes zu erreichen, verlangt schlicht danach. Die seitens des ÖGB und der Sozialdemokratie geforderte Anhebung auf 70% hingegen reicht für dieses Mindestziel eines armutsfesten Arbeitslosengeldes nicht aus, obschon sie natürlich für Hunderttausende Menschen ein bitter nötiger Mindestschritt wäre. Ob und wie weit sich die dringend erforderliche Anhebung allerdings durchsetzen lässt, entscheidet sich jedoch nicht an „Resolutionen“ oder „Appellen“, sondern letztlich im aktiven gesellschaftlichen Kampf und dessen Kräfteverhältnissen. Umso nötiger nur, die Forderung nach einem sofortigen lebensstandardsichernden und armutsfesten Arbeitslosengeld auf die politische und gewerkschaftliche Kampfagenda zu setzen.

Foto: Wikimedia Commons, Herzi Pinki / CC BY-SA 3.0

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