Seit der Nacht auf 20. November fliegt die Türkei schwere Luftangriffe gegen rätedemokratischen Selbstverwaltungs-Projekt Rojava, die symbolträchtige Stadt Kobanê und die kurdischen Selbstverteidigungsgebiete im Nordirak. Die mit grünem Licht der NATO-Partner entfesselte, lange vorbereitete Militäroffensive der Türkei gegen Nord- und Ostsyrien und den Nordirak zeigt neben dem geradezu ohrenbetäubendem Schweigen Österreichs dabei nicht nur wie durch ein Brennglas die westlichen Doppelstandards auf, sondern ist auch auf das Engste mit den Blut-Profiten der heimischen Rüstungsindustrie und Tech-Unternehmen verstrickt.
Die fetten BombenGeschäfte der Rüstungsindustrie
Ein für diese im wahrsten Sinn des Wortes „BombenGeschäft“. Denn immerhin zeichnen die NATO-Staaten – deren zweitgrößte Armee Ankara unterhält –, an den weltweiten Rüstungsausgaben von zuletzt irrsinnigen fast 2 Billionen Dollar ihrerseits für 1.102 Milliarden oder 56% des globalen Aufrüstungsetats verantwortlich. Die sich aktuell in dreckigen Kniefällen vor Ankara überbietenden Beitrittskandidaten Schweden und Finnland noch nicht mit eingerechnet. Das ist, um einen Vergleich zu ziehen, das grob 250-Fache der am heurigen G7-Gipfel in Elmau vom selbsternannten „Lenkungsausschuss der Weltpolitik“ bereitgestellten Gelder für die weltweite Ernährungssicherheit. Und bereits letztes Jahr – noch unter Bedingungen Corona-bedingter Verstopfungen und Risse in den Lieferketten und noch vor dem heurigen, endgültigen Dammbruch des neuen NATO-Hochrüstungswahns, in dem das Militärbündnis seine Rüstungsetats gerade auf neue Rekordhöhen schraubt –, ist der Umsatz der EU-Rüstungsindustrie und militärischen Dienstleistungen um 4,2% gestiegen. Wirtschaftsvertreter und Lobbyisten des Militärisch-Industriellen-Komplexes sprechen denn auch geradezu euphorisch von einem anhaltenden lukrativen „Superzyklus“. An diesem Blut-Geschäft wollen sich natürlich auch Österreichs Konzerne eine goldene Nase verdienen, zumal der Feldzug Ankaras als NATO-Macht das Plazet des „Wertewestens“ hat.
Der völkerrechtswidrige anti-kurdische, neo-osmanische Angriffskrieg der Türkei
Dass Erdoğan und seiner faschistische AKP/MHP-Regierungskoalition, die sich in ihrem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg mit allen nur erdenklichen Mitteln der in Rojava Gestalt annehmende Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts an der Südgrenze der Türkei zu entledigen suchen und diese – in Erdoğans eigenen Worten: „wie hoch der Preis auch sein mag“ – mit Stumpf und Stiel zu beseitigen und auszuradieren trachte, tangiert im „wertegeleiteten Westen“ ebenso wenig wie es umgekehrt das Rüstungsgeschäft vielmehr noch befeuert. Und auch hinsichtlich der offenen Ankündigung Ankaras Kurdistan von der YPG/PYD, PKK und der mit ihnen verbündeten Internationalisten und kommunistischen Guerillabündnisse zu „säubern“ und deren „Köpfe“ zu „zermalmen“, mahnt man im auch so „wertebasierten Westen“ in schwerlich zu übertreffendem Zynismus ein aber „verhältnismäßiges“ Gemetzel ein.
Zugleich forciert die faschistische AKP-MHP-Regierungskoalition Ankaras seit 2015 seine neo-osmanisch Ambitionen: einer Ausweitung der türkischen Grenzen auf die nördlichen Regionen Syriens (die es zwischen Tall Abjad und Ras al-Ain bereits mit Segen der Großmächte kontrolliert) bis in die erdölreichen Gebiete um Kirkuk im Nordirak, sowie die Wiedereröffnung der Mossul-Frage – mischte aber auch im Kaukasus-Konflikt 2016 und 2020 (für viele der mit nicht zuletzt türkischen Drohnen und Unterstützung türkischer Offiziere seitens Aserbaidschans geführte „erste echte Drohnenkrieg“) offen mit oder intervenierte in Libyen und ist heute ein gewichtiger Schutzpatron der islamistischen Milizen in Tripolis. Mit seinen steten Militäroperationen im Nordirak wiederum setzt sich die Türkei Schritt für Schritt dauerhaft im Irakisch-Kurdistan fest und okkupiert neben syrischem zusehends auch irakisches Territorium. Zugleich trachtet die Türkei mit einem neuerlichen Kriegsgang ihren Plan eines „arabischen Gürtels“ umzusetzen. Sprich: Über eine Million syrischer Geflüchtete zur demographischen Neuordnung der Region entlang der Grenze anzusiedeln um die Demographie in den Gebieten ethnisch zu verändern und die nord- und westkurdischen Gebiete zwischen Syrien und der Türkei voneinander zu trennen.
All das wäre freilich ohne grünes Licht seiner NATO-Partner, stillschweigendes Plazet des „Kollektiven Westens“ und der Waffenhilfe der globalen Rüstungs- und Militärindustrie nicht möglich.
Die Blut-Profite des „Werte-Westens“ und ‚neutralen‘ Österreich
Als Symbol der mörderischen Profitlogik der Waffen- und Militärindustrie sowie des schmutzigen Waffenhandels mit der Türkei im deutschsprachigen Raum gilt dabei zu Recht der größte deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall, der weltweit in zahllose Schweinereien verwickelt ist und auch in Wien einen Produktionsstandort für Militärequipment unterhält.
Schon als das türkische Erdoğan-Regime 2018 gegen Afrin in der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien in den Krieg zog und in Nord-Syrien einmarschierte, geschah dies u.a. mit Panzern, für die Rheinmetall die Kanonenrohre lieferte.
Und auch das derzeitige Waffenarsenal des in eine tiefe Hegemoniekrise gerutschten Schlächters vom Bosporus in seinem Angriffs- und politischen Vernichtungskrieg gegen das kurdische Emanzipations-Projekt und die Medya-Verteidigungsgebiete – als „Herz“, Rückzugs- und Transitraum der kurdischen Freiheitsbewegung und kommunistischen Guerilla –, stammt vielfach aus den Waffenschmieden der „westlichen Wertegemeinschaft“.
Aber es ist natürlich nicht Rheinmetall – in Wien MAN Military Vehicles – allein. Auch in der Öffentlichkeit weniger im Licht stehende österreichische Konzerne wie STEYR, GLOCK, SCHIEBL, SWAROVSKI etc. oder auch ANDRITZ verdienen am Krieg. ANDRITZ vor allem durch die medial kaum beachteten Lieferungen der Turbinen für die Staudämme, deren sich das AKP/MHP-Regime in seiner Wasserpolitik als gezielte Waffen bedient. Ein Umstand, der für das ANDRITZER-Geschäft am Krieg geflissentlich ausgeblendet wird.
Vor ziemlich genau 2 Jahren, im Oktober 2020 konnte mit dem aufgrund unseres gemeinsamen Protests gegen die weitere Lieferung von Motoren für die nicht zuletzt auch mit österreichischem Know-how entwickelte und produzierte Bayraktar-TB2-Drohne, die auf türkischen Paraden wie ein Held gefeiert wird, verhängten Stopps seitens der oberösterreichischen Bombardier-Tochter ROTAX in Gunskirchen bei Wels immerhin ein erster Erfolg erzielt werden. Dass deren spezielle Motoren in Kampfdrohnen eingesetzt werden, war der heimischen Politik freilich seit spätestens 2013 bekannt, als deren Verwendung in den berüchtigten Predator-Drohnen der USA, den seit 2001 als erste bewaffnete im Krieg eingesetzte Drohnen, bekannt wurde.
Aber auch das jüngst im Zusammenhang der Bayraktar-TB2 in die Schlagzeilen geratene niederländische Unternehmen KENDRION, dessen an seinem Standort im deutschen Baden-Württemberg produzierten elektromagnetischen Bauteile gerade in den türkischen Kampfdrohnen nachgewiesen wurde, hat in Linz, Oberösterreich, einen Standort. Nach Bekanntwerden der Bauteile Kendrions als Komponenten der Bayraktar-Drohnen wurden diese Geschäftsbeziehungen laut Firmensprecher mittlerweile abgebrochen.
Diese Verstrickungen – allem voran der Rüstungskonzerne – in den Vernichtungsfeldzug der Türkei, sind kein Zufall, sondern hängen strukturell mit der Produktion von Waffen und Militärequipment zusammen.
Auch wenn Militärinterventionen und Kriege nicht schon in einem Selbstlauf aus der Rüstungsproduktion erwachsen, sind beide doch strukturell und unauflöslich miteinander verzahnt.
Der „Krieg“ ist einer berühmten Definition Carl von Clausewitz‘ nach „die Fortsetzung der Politik mit den Mitteln der Gewalt“. Er wird bewusst geführt, d.h. geplant und vorbereitet. Und dem liegen handfeste Herrschafts- und Macht- sowie politische, ökonomische oder auch geo- bzw. regionalpolitische Interessen zugrunde. Aber hierfür muss zugleich eine Armee unterhalten, ausgebildet und eben auch aus- und hochgerüstet werden.
Für einen sofortigen Stopp aller kriegsrelevanten Lieferungen an die Türkei und eine nachhaltige Rüstungskonversion
Für eine emanzipatorische Entwicklungs- und Friedensperspektive bedarf es folglich neben einer tiefgreifenden Veränderung der herrschenden Verhältnisse auch der systematischen Rüstungskonversion, also der Umstellung auf alternative Produkte und Produktion. Daher gilt es auch mit allem Nachdruck zu fordern: Die Rüstungsindustrie muss vollständig demilitarisiert und auf zivile Produktion umgestellt werden.
Dieser notwendige Schritt zu einer nachhaltigen Konversion der Produktion wiederum, beschränkt sich auch nicht „nur“ auf die Rüstungsbranche, sondern ist um der Lebensinteressen der Menschheit freilich ebenso auch unter ökologischen Aspekten (Stichwort: Klimakrise) unabdingbar – zählen Armeen heute zu den größten institutionellen Emittenten von Treibhausgasen und Verbrauchern von Energie und Ressourcen. Alleine das US-Militär emittiert mehr CO2 als viele industrielle Länder wie Schweden oder die Schweiz. Und die Gesamtverschränkung von Rüstung, Militär und Krieg mit der Klimakatastrophe ist noch viel gravierender.
Aber natürlich braucht es in diesem notwendigen Transformationskonflikt unter gewerkschaftlichem Blickwinkel Konzepte, die gleichzeitig den Arbeits- und Lebensinteressen der Beschäftigten Rechnung tragen und nicht deren soziale Bedürfnisse nach Lohn, Brot und Arbeit gegen die notwendigen, fundamentalen Umstellungen der Produktionsweise ausspielen.
Und etwa gerade der Rheinmetall-Ableger MAN, früher ziviler Ausstatter des öffentlichen Verkehrswesens mit Bussen, weist diesbezüglich sogar eine ehemals jahrzehntelange alternative Produktionsgeschichte auf.
Das unmittelbare Gebot der Stunde, besteht allerdings im sofortigen Stopp aller kriegsrelevanten Lieferungen.
- Wir fordert ein sofortiges, europaweites Waffenembargo gegen die Türkei und den umgehenden Stopp der Auslieferung von Waffen und sämtlichem Militärequipment.
- Wir fordern eine Einstellung der milliardenschweren EU-Finanzierungen des türkischen Regimes und eine gleichzeitige Evaluierung sämtlicher staatlicher Exportgarantien und Bundeshaftungen Österreichs im Rahmen des Ausfuhrförderungsgesetzes auf ihren offene oder versteckte kriegsrelevante Verstrickung.
- Wir sprechen uns für eine nachhaltige Rüstungskonversion, Demilitarisierung der Produktion und Umstellung auf zivile Produkte aus.
- Wir fordern den sofortigen Rückzug der türkischen Armee und ihrer dschihadistischen Kampfverbände aus Syrien (inkl. einer Schließung des Luftraums resp. Flugverbotszone für die Türkei) und dem Irak.
- Wir fordert auf Boden der österreichischen Neutralität darüber hinaus eine internationale Untersuchung der begangenen Kriegsverbrechen und des immer brachialeren Einsatzes international geächteter chemischer Kampfstoffe und unerlaubter Giftgas- und Chemiewaffen.Last but not least fordern wir zudem die sofortige Streichung der kurdischen Freiheitsbewegung und sämtlicher ihrer Verbündeten von der EU-„Terrorliste“ und deren Entkriminalisierung