„Die Rebellion ist gerecht“ (Thomas Müntzer): Der 15. August 1984

Was der Zapatistischen Bewegung der 1. Jänner 1994 ist, markiert für den kurdischen Freiheitskampf der 15. August 1984: Die Aufnahme des bewaffneten Kampfes gegen die „kolonialistische“ und „faschistische“ Unterdrückung und die türkische Putsch-Diktatur des Militärs – wie es in den Erklärungen hieß.

Der Aufstand erfolgte im Selbstverständnis der PKK, der Arbeiterpartei Kurdistans, als „Teil des weltweiten Kampfes der fortschrittlichen Menschheit und der Völker der Region gegen den Imperialismus, Kolonialismus und die faschistische Barbarei, für Unabhängigkeit, Demokratie, Sozialismus und Freiheit.“ Gleichzeitig appellierte die Guerilla an „alle Revolutionäre und Demokraten aus der Türkei, das werktätige türkische Volk“, um einen Schulterschluss, denn „jeder Schlag, den die HRK [wie die heutige HPG als Guerilla-Einheit damals hieß] dem Kolonialfaschismus versetzt, ist gleichzeitig ein Schlag gegen den Faschismus in der Türkei.“

Zur damaligen historischen Lage unter der Militär-Junta erklärte Cemil Bayık eine Dekade später: „Es war nicht einmal für die kleinsten demokratischen Entwicklungen Raum. Die revolutionären Kräfte wurden liquidiert, der Staat ließ keinen Weg mehr offen. Es war unmöglich geworden, mit Mitteln des politischen Kampfes eine Opposition darzustellen. Es blieben nur zwei Alternativen: Entweder die vom Staat aufgezwungene Liquidation zu akzeptieren oder mit der Waffe in der Hand zu kämpfen … Die türkische Republik hat der Opposition keinen anderen Weg als den des bewaffneten Kampfes gelassen.“

Des Bruno Kreiskys weises Wort an die Nachgeborenen: „Lernen’S bissl Geschichte“

Die Türkei hat dem „Volksbefreiungskampf“ darauf unmittelbar den Spezial-Krieg erklärt und es auch nachdem seitens der PKK ab 1988 zunehmend auch eine politische Lösung der kurdischen Frage in Erwägung gezogen wurde bei ihren westlichen und NATO-Verbündeten geschafft, dass sie den kurdischen Freiheitskampf auf diverse „Terror-“Listen setzten.

Die USA, als Führungsmacht des westlichen Metropolenimperialismus und NATO-Partner der Türkei, hat 2018 zudem ein hohes Kopfgeld auf drei führende Funktionäre ausgesetzt – und diese Prämie auf ihre Köpfe jüngst erneuert untermauert.

Für „Informationen, die zur Ergreifung oder zur Ermittlung des Aufenthaltsorts“ von Cemil Bayık, Ko-Vorsitzender der KCK, Murat Karayılan, Oberkommandierender der Guerilla, und PKK-Mitbegründer Duran Kalkan, stehen Belohnungen in Millionenhöhe bereit, erklärten US-Vertreter zur Zufriedenheit der faschistischen AKP/MHP-Koalition Erdoğan/Bahçeli bereits im November 2018 in der türkischen Hauptstadt Ankara.

Der Vorsitzende der PKK Abdullah Öcalan fiel bekanntlich schon vor über zwei Jahrzehnten einem „internationalen Komplott“ zum Opfer, das nach einer 130-tägigen Odysee über einen „Planeten ohne Visum“, am 15. Februar 1999 mit seiner Verschleppung aus Kenia in die Türkei und Inhaftierung in Imrali endete. Die europäischen Staaten, insbes. die neutralen Länder wie namentlich auch Österreich, wiederum, haben Abdullah Öcalan mit ihrer Weigerung ihm Asyl zu gewähren dabei förmlich ausgeliefert. Sie trifft damit ebenfalls die volle Verantwortung für das Schicksal Öcalans. Seither sitzt er ununterbrochen in einer Einzelzelle ein und nimmt die Repression und Isolation gegen ihn immer weiter zu.

Lange, lange abgehakt sind natürlich die Zeiten, als man auf amerikanischen Boden als damalige Siedlerkolonie(n) 1776 selbst an der Spitze der revolutionären Unabhängigkeitskriege stand – und das Zeitalter der bürgerlichen Revolutionen und Unabhängigkeitskriege einläutete. So war denn auch nicht zufällig George Washington, zuvor Oberbefehlshaber der Siedlertruppen im Befreiungskrieg gegen das britische Empire, erster Präsident der USA. Unter der Kommandantur George Washingtons, der sich bereits im vorhergehenden amerikanischen Siebenjährigen Krieg hervorgetan hatte, schleuderten der Kontinentalkongress und die Rebellenmilizen den britischen Kolonialherrn ihre Unabhängigkeitserklärung von Großbritannien entgegen und besiegten die britische Militärmacht im Unabhängigkeitskrieg schließlich. Darin, dass dieser Befreiungskrieg ein gerechter Krieg ist, waren sich die führenden Köpfe um Thomas Jefferson – von Tom Paine und Benjamin Franklin bis zu den Federalists um James Madison und Alexander Hamilton – einig.

Nicht anders sahen das wenig später die französischen Revolutionäre in der „Großen Französischen Revolution“ von 1789. Und zwar (mit klassenbedingt naturgegebenen Unterschieden in Bezug auf ihren Fortgang) von den Enzyklopädisten, über Montesquieu und die Girondisten, bis hin zu den Jakobinern – die wie St. Just, Marat und insbesondere Robespierre darüber hinaus auch eingehend die Frage des revolutionären Terrors theoretisierten (mit breitem Widerhall und nicht minder expliziten Debatten in der Philosophengemeinde Europas).

Die frühbürgerlichen Ideologen wiederum theoretisierten ihrerseits bereits lange davor in Gestalt der Monarchomachen die selbstverständliche Legitimität des (Volks-)Aufstandes und des „Tyrannen“ bzw. „Königsmords“. Und so vermag es auch kaum zu überraschen, dass schon fast eineinhalb Jahrhunderte vor der Französischen Revolution Oliver Cromwell an der Spitze der Independenten nicht zögerte im englischen Bürgerkrieg und der englischen Revolution 1642 – 1649 König Karl I. hinzurichten.

„Die Rebellion ist gerechtfertigt“

Ähnlichsind sich auch nahezu alle Kennerder Geschichte, Region, politischen Lage und Verhältnisse in Kurdistan einig, dass ohne Aufnahme des bewaffneten Kampfes der PKK ab 15. August 1984 die Wiederbelebung der kurdischen Bewegung und des kurdischen Freiheitskampfes in ihrer historisch wirkmächtigen Form und linken Gestalt nicht denkbar gewesen wäre.

Nichts desto trotz bemüht sich die PKK (und ihre Schwesterparteien) seit langem auch um eine politische Lösung der kurdischen Frage. Am Weltfriedenstag, dem 1. September 1998, hatte die PKK auf Initiative Abdullah Öcalans denn auch etwa ihren dritten einseitigen Waffenstillstand erklärt – das die Türkei, ihre NATO-Partner und befreundeten Geheimdienste mit ihrem „internationalen Komplott“ beantworteten. Gleichwohl unternahm Öcalan in einer Botschaft noch zu Newroz 2015 den Versuch, den festgefahrenen und seitens Ankaras nur aus taktischen Erwägungen dahindümpelnden Friedensprozess wiederzubeleben.

Nach der Niederlage der von der Türkei unterstützten Gotteskrieger des IS in Kobanê  – um sich dem kurdischen Autonomie- und rätedemokratischen Rojava-Projekt (und dessen Ausstrahlung) an seiner Südgrenze zu entledigen; und zwar in Erdoğans eigenen Worten: „wie hoch der Preis auch sein mag“ – und dem Wahlerfolg der HDP bei den Parlamentswahlen im Juni 2015, mit dem die AKP Erdogans zugleich  erstmals in ihrer Geschichte ihre bis dahin gehaltene absolute Mehrheit verlor, jagte der Schlächter vom Bosporus das Land jedoch in einen militanten-nationalistischen Taumel. Im Gefolge des Anschlag von Suruç sechs Wochen später, dem 34 junge SozialistInnen unmittelbar vor ihrer Solidaritätsmission nach Kobanê zum Opfer fielen, eröffnete der „neue Sultan von Ankara“ dann einen erneuten Reigen schmutziger Kriege gegen Kurdistan und kündigte die Gespräche mit der PKK einseitig auf. Mit dieser Weichenstellung holte er zugleich die faschistische Partei der Nationalistischen Bewegung MHP – besser bekannt als Graue Wölfe – unter deren Vorsitzendem Devlet Bahçeli ins Boot und schmiedete die seitherige AKP/MHP-Koalition.

Nach der Rettung der jesidischen Bevölkerung im Şengal-Gebirge vor dem vollständigen Genozid der Mörderbanden des IS 2014, wurden die Einheiten der PKK international noch als heldenhafte Guerilla gefeiert. Im heroischen Kampf um Kobanê durch die ihr geschwisterlich verbundenen Volksbefreiungskräfte YPG und Frauenverteidigungseinheiten YPJ zur letzten Bastion gegen die Dunkelheit der schwarzen Fahne des IS avanciert sowie zur weltweiten Bewunderung gelangt, gilt die Arbeiterpartei Kurdistans im steten doppelten Spiel des Westens heute wieder vorrangig als „Terrororganisation“.

Unter demselben Damoklesschwert stehen zugleich auch die mit ihr verbündeten Kräfte, Verbände und Parteien des kommunistischen Guerillabündnisses HBDH, sowie weitere gemeinsame Operationen und Verteidigungsgefechte mit der PKK durchführende kommunistische Guerillaeinheiten und internationalistische Kräfte.

Die Brüsseler Justiz widerspricht Ankara

Wie windig in diesem Zusammenhang die sogenannten EU und US-„Terrorliste“ sind, verdeutlicht alleine der Umstand, dass etwa das belgische Gericht in Brüssel Anfang 2016 den Prozess gegen insgesamt über 30 Kurdinnen und Kurden mit der Begründung einstellte, dass die angeklagten AktivistInnen nicht als Mitglieder einer „terroristischen“ Vereinigung belangt werden können, da in der Türkei Krieg herrscht. Das Gericht ordnete die Aktivitäten der PKK – die in den kurdischen Gebieten der Türkei gegen Soldaten und Polizisten vorgeht, wie vermerkt wurde – als Handlungen im Rahmen eines „bewaffneten Konflikts“ ein. Das „erkennt an, dass es in der Türkei einen Krieg gibt und die Anschuldigungen Ankaras, die Kurden seien Terroristen, falsch sind“, hieß es denn auch in einer Stellungnahme des KNK.

Friedrich Schillers Plädoyer an und für die Unterdrückten

Nach den Kriegsgängen und Invasionen in Rojava zielt das Kriegsgeschehen Ankaras heute allem voran auf die Medya-Verteidigungsgebiete in Südkurdistan/Nordirak, die bekanntlich als „Herz“ und Rückzugsraum der kurdischen Guerilla gelten. Versuche der türkischen Armee, das Gebiet einzunehmen, musste diese immer wieder unter hohem Blutzoll und großen Verlusten abbrechen. Die aktuell unter dem Namen „Operation Krallenblitz“ und mit grünem Licht des Westens laufende Militäroffensive Ankaras ist jedoch weniger als Blitz-Operation denn als langfristiger Feldzug angelegt. Ohne Einverständnis der USA, EU und NATO indes, wären die anfänglichen massiven Luftangriffe, die Spezialoperationen und der Einmarsch von Bodentruppen schlicht nicht möglich. Allerdings wird der Kampf immer asymmetrischer. Rein militärisch, das beweist die Geschichte, lässt sich eine Guerilla nicht besiegen. Darum führt die Türkei ihre nunmehrige Offensive gegen die Medya-Verteidigungszone und Kandil-Berge auch immer stärker als Drohnenkrieg. Entsprechend werden die Drohnen, insbesondere die auch mit westlichem Know-how entwickelte Bayraktar-TB2-Drohne, auf türkischen Paraden wie Helden gefeiert.

Nichts desto trotztreten die kurdische Befreiungsbewegung und ihre kommunistischen Verbündeten der türkischen Aggression und dem geplanten Vernichtungsfeldzug in ihrem gerechten und heroischen Kampf unverzagt und entschlossen entgegen.

Oder, wie schon der große Friedrich Schiller in seinem „Wilhelm Tell“ auszurufen wusste:

„Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden / Wenn unerträglich wird die Last – greift er / Hinauf getrosten Mutes in den Himmel / Und holt herunter seine ewgen Rechte (…) / Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr / Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben.“

Dieses „Schwert“ aber, war nichts anderes als Tell’s damalige „Kalaschnikow“ gegen den Staatsterrorismus.

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