Die „Rache“ der Natur

Klima bedingte Beeinträchtigungen der Energieproduktion

Dem Energiesektor kommt bekanntlich eine zentrale Rolle in der Klimakrise zu. Ohne tiefgreifender ökologischer Energiewende treiben wir schnurstracks auf eine globale Klimakatastrophe zu. Aber es gilt – weniger beachtet – ebenso umgekehrt: Der Klimawandel beeinträchtigt wiederum auch seinerseits die Strom- und Energieerzeugung. Diese Wechselwirkungskette, 50 Jahre nach der ersten UN-Umweltkonferenz in Stockholm 1972, 30 Jahre nach dem historischen Klimagipfel von Rio de Janeiro 1992 und 25 Jahre nach dem Kyoto-Protokoll immer noch herausstreichen zu müssen, stimmt einen hinsichtlich der Lernfähigkeit des Menschengeschlechts, auch der ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung, allerdings nur bedingt optimistisch.

Sieht man einmal von den schlicht aus Gründen ihres maroden Zustands oder aufgrund dringender Sicherheitsüberprüfungen vom Netz genommenen oder heruntergefahrenen französischen Atomkraftwerken ab (ihrer Korrosionsschäden, ihres Alters, des veralteten Materials, aufgetretener Risse in den Reaktorbehältern …), ist die im Sommer – im Juni um 44% und im Juli um bis zu 60% –   gesunkene Stromproduktion Frankreichs aus seinen Atommeilern auch wesentlich Folge des Klimawandels. Denn die sommerliche Hitzewelle hat dafür gesorgt, dass das Wasser der Flüsse für die Kühlung der Reaktoren zu warm war oder ganz fehlt(e) bzw. die zu Rinnsalen verkommenen Flüsse jedenfalls vielfach zu wenig Wasser mit sich führten. Entsprechend sind in der Atomnation Frankreich (mit einem Anteil von 70% Strom aus Atomkraftwerken) derzeit auch 32 seiner 56 Atomstromer außer Betrieb. Zum einen zur Wartung oder wegen technischer Probleme. Zum anderen jedoch aufgrund der durch den Klimawandel bedingten Extremtemperaturen und damit einhergehender Kühlwasserproblemen abgeschaltet oder auf ein minimales Lauf- und Leistungsniveau heruntergeregelt (und das bei dazu noch gleichzeitig „vorübergehend gelockerten“ Kühlvorschriften). Diese aufgrund der Wetteränderungen und zunehmenden Wetterextreme in Frankreich beiweilen nicht das erste Mal auftretenden Kühlprobleme (verwiesen sei nur auf das Jahr 2019) zeigen zweierlei: zum einen die viel zu wenig beachtete Rückwirkung des Klimawandels auch auf die Energieversorgung und deren Beeinträchtigung, sowie zum anderen, dass Atomkraftwerke schon wegen der immer häufiger auftretenden Kühlprobleme nicht die Lösung der Energieproblematik sind – auch wenn der Atomenergie von der EU gerade der ökologische Persilschein einer „nachhaltigen Energiequelle“ ausgestellt wurde. Von den zu jedem Zeitpunkt drohenden Kernschmelzen in den Atommeilern, sowie deren Gefahrenpotential und die nach wie vor offenen Unklarheiten der Zwischen- und Endlagerungen des radioaktiven Abfalls ganz zu schweigen.

Als weiteres eindringliches Beispiel für die Rückwirkung des voranschreitenden Klimawandels auf die Stromversorgung gilt es aber ebenso die Dürre und Trockenheit in Italien, mit seinen vorrangig im Norden beheimateten Wasserkraftwerken, heranzuziehen. Aufgrund des regelrechten Versiegens der Flüsse unseres südlichen Nachbarn – selbst der Po ist zum Rinnsal geworden und an etlichen Stellen völlig ausgetrocknet –, hat sich die Stromgewinnung aus Wasserkraftwerken stark verringert. Schon von Jänner bis Mai, also noch vor Saisonbeginn des brütenden Sommers und der traditionell heißesten und von Regenmangel gekennzeichneten Monate Juli/August, ist die Stromproduktion aus Wasserkraft (die normalerweise fast ein Fünftel des in Italien benötigten Stroms liefert) um 40% zum Vorjahr gefallen. Neben „hausgemachten“ Problemen des Wassermanagement Roms, musste mit der heurigen Trockenheit auch Italien eine gravierende Beeinträchtigung seiner Stromerzeugung durch den Klimawandel erfahren. Die Niederschlagsmengen über der Apenninenhalbinsel gingen schon letztes Jahr drastisch zurück, dieses Jahr hat es fast überhaupt nicht geregnet. Aber auch in Spanien, allem voran Katalonien, haben die hohen Temperaturen, die Trockenheit und die geringe Wassermenge, sowie die ebenfalls hinzukommende geringe Schneeschmelze, die Wasserkrafterzeugung heuer massiv zurückgehen lassen. Analoges betraf in diesem oder jenem Ausmaß ganz Europa. Dazu gesellt(e) sich, dass auch die Stauseen quer durch den Kontinent vielfach zu wenig Wasser hatten und kaum Strom liefern konnten.

Aber, worauf insbesondere Joachim Bischoff hingewiesen hat: die klimatischen Bedingungen beeinfluss(t)en hinsichtlich der Stromproduktion über die Wasserkraft und Kernenergie hinaus, „ebenso die Kohleverstromung, weil der Brennstoff auf dem Wasserweg transportiert wird“ und die niedrigen Pegelstände vieler Flüsse die Binnenschifffahrt und den Transport behinderten, teils lahmlegten. So hatte etwa der Rhein zu wenig Wasser für die Schifffahrt bzw. war wochenlang nur mit stark verringerter Lademenge befahrbar. Durch diese – ebenfalls nicht erstmals aufgetretene (man erinnere sich nur an 2018) – eingeschränkte Schiffbarkeit, kam in Deutschland denn auch die Rohstoffversorgung ein Stück weit ins Schlingern. Aber auch hinsichtlich der gegenwärtig akuten Lieferprobleme von Heizöl in Österreich macht sich (u.a.) der erschwerte Transport über den Flussweg via Deutschland aufgrund des niedrigen Wasserstands schlagend. Als Antwort darauf die Fahrrinnen im Rhein, der Elbe und der Weser weiter bzw. schneller auszubaggern, wie vom deutschen Verkehrsminister Wissing angekündigt, werden das Problem nicht lösen, den Flüssen auch kein zusätzliches Wasser zuführen, sondern würde vielmehr nur das ökologische Desaster verschlimmern und zusätzlich die Uferbereiche schneller austrocknen lassen.

Oder wie schon Friedrich Engels einst bezüglich der Folgewirkungen umweltzerstörerischer Eingriffe in die Natur bemerkte: „Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unseren menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns.“

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