Der Monat März steht für Kurdinnen und Kurden nicht nur für das Neujahrsfest Newroz, was bekanntlich „Neuer Tag“ bedeutet, sondern ist auch mit schmerzlichen Erinnerungen verbunden. In allen Teilen Kurdistans verübten die herrschenden Staaten und Machthaber zu diesem Datum Massaker am kurdischen Volk, die sich tief in das kollektive kurdische Gedächtnis eingebrannt haben. Aber zugleich auch Verpflichtung sind, den Widerstand zu erhöhen und den kurdischen Freiheitskampf zu Ende und zum sozial-revolutionären, umfassend emanzipatorischen Erfolg zu führen.
Halabja 1988
Am 16. März 1988 war die Welt in Halabja taub und blind. Der Himmel verdunkelte sich über der Kleinstadt Halabja. 15 irakische Militärflugzeuge weckten die Kinder der Stadt und bombardierten sie mit chemischen Waffen aus einem tödlichen Gemisch aus Nerven- und Senfgas. Mehr als 5.000 Menschen starben in weniger als einer Stunde. Viele versuchten zu fliehen. Die Mütter von Halabja versuchten vergeblich, mit ihrem eigenen Körper ihre Kinder zu schützen – doch der giftige Wind nahm ihnen das Leben. 7.000 weitere wurden verletzt und starben an den Spätfolgen des Angriffs.
Der Irak wurde damals von Unternehmen aus England, West-Deutschland (das etwa allein 56 Firmen aufweist, die, legal wie teils illegal, zur irakischen Giftgasproduktion beigetragen haben), Indien, Österreich, Belgien, Frankreich und Italien unterstützt und militärisch ausgerüstet sowie maßgeblich von den USA unterstützt. Aber die imperialistischen Helfer des Giftgasanschlags und Gemetzels waschen sich die Hände bis heute von jeder Mitschuld rein. Entsprechend kam das Massaker von Halabja auch im unter US-Patronanz geführten Prozess gegen Saddam Hussein mit keinem Wort zur Sprache. So wurde sichergestellt, dass die alleinige Schuld dem gestürzten Baath-Regime angelastet werden konnte, ohne die Mitverantwortung der damaligen westlichen Verbündeten des Iraks zu beleuchten.
Gazi 1995
Im Istanbuler Stadtteil Gazi Mahallesi wurden am 12. März 1995 zeitgleich drei vorwiegend alevitisch besuchte Kaffeehäuser und ein Geschäft mit Maschinengewehren beschossen. 1 Tote und 25 Verletzte waren die Folgen. Als Reaktion auf diesen pogromartigen Angriff auf AlevitInnen versammelten sich Tausende Menschen. Die staatlichen Sicherheitskräfte gingen mit Schusswaffen und Panzern gegen die Demonstranten vor und töteten skrupellos weitere 14 Menschen.
Qamişhlo 2004
Am 12. März 2004 demonstrierten zum ersten Mal kurdische Zivilisten in Syrien in einem Massenprotest für die Demokratisierung Syriens. Entflammt hatten sich die Proteste anlässlich der brutalen Polizeigewalt gegen kurdische Fußballfans im Zuge eines Fußballspiels in Qamişhlo (Quamischli), die 9 kurdischen Fans bzw. Spielbesuchern (darunter auch Kindern) das Leben kostete und zu den 12.-März Protesten führte.Auf diese Bewegung unter der Parole „Freiheit für Kurdistan“ regierte der syrische Staat mit brachialer Gewalt und setzte neben Panzern zudem international geächtete Dumdum-Munition gegen die unbewaffneten Demonstranten ein. Bei diesen Angriffen und im Gefolge kamen 52 Menschen ums Leben, Hunderte erlitten Verletzungen, an die 2.000 Kurden wurden im Zuge des Qamishlo-Massakers verhaftet. Der Gouverneur der Region al-Hasaka verlangte nach Hubschraubern. Zugleich wurde unmittelbar eine Ausgangssperre verhängt um den entflammten Protest Zehntausender KurdInnen möglichst im Keim zu ersticken. Eine Eskalation – während derer die Streitkräfte selbst noch den bis zu 100.000 Menschen zählenden Trauer-Konvoi der die Beerdigung eines der Verstorbenen in den Straßen Qamişhlos begleitete angriff– die in ihrer Folgewirkung zugleich auch tiefe Wurzeln von Cizîrê über Kobanê bis Afrîn schlug.
Aber der Uhrzeiger der Geschichte lässt sich nicht stillstellen. Und so stehen wir heute in einer neuen Phase des Kampfs gegen Unterdrückung, Ausbeutung, Vertreibung und Massaker, für die Geschwisterlichkeit und Solidarität der Völker, sowie des kurdischen Freiheitskampfes.
Untrennbar damit werden wir zugleich die Opfer von Halabja, Gazi und Qamişhlo nicht vergessen und gedenken ihrer heute.