Der Emanzipationskampf der österreichischen Arbeiterklasse ist gewerkschaftlicherseits symbolisch vielfach mit einem Schmied verwoben: Unterdrückt, ausgebeutet und weitgehend rechtlos, trachtete der Wiener Schmied Pejo unbeirrt nach der ihm von den kapitalistischen Eigentums- und Machtverhältnisse des 19. Jahrhunderts vorenthalten Emanzipation.
Die Lage der Arbeitenden, der „Lohnsklaven“, wird zur damaligen Zeit vielfach mit der Sklaverei verglichen. Gewerkschaftliche Organisierung und politische Betätigung im Interesse der Arbeitenden waren verboten. Selbst eigenständige Arbeiterbildungsvereine konnten sich nur illegal formieren. Dem Willen, Bildungs-, Organisationsdrang und der Kampfbereitschaft der Arbeitenden wie Pejo um ihre Interessen konnte all dies aber nicht Einhalt gebieten.
In den Schriften der Klassiker und der Literatur Arbeiterbewegung sowie den von Marx inspirierten Broschüren und Flugblättern fand er den radikal neuen Gedanken: das Proletariat ist das „Herz“ und soziale Subjekt der menschlichen Emanzipation.
Der Lage der Unterdrückten wird nicht von oben und außen abgeholfen werden, sondern sie selbst sind das Subjekt der Umgestaltung. Und finden – als weiter radikal Neues des Marxschen Menschenbilds -, in der gewerkschaftlichen und politischen Aktion und ihrem Befreiungskampf als soziales Subjekt zu ihrer Würde.
Lenin hat den Gedanken der revolutionären Subjektivität danach in einer objektiv fortgeschritteren Situation bekanntlich auf die unterdrückten Völker ausgedehnt und beiden zugerufen: „Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!“
Umso mehr schlug es im Spätherbst 2020 wie eine Bombe im ohnehin bereits nur mehr dünn bewachsenen Literatur- und Blätterwald ein, als der ÖGB-Verlag – mit zumal Berufung auf enge betriebswirtschaftliche Kriterien – die „fixe“ Schließung der ÖGB-Fachbuchhandlung in Wien mit Anfang Sommer 2021 verkündete.
Die ÖGB-Fachbuchhandlung war und ist mehr als „nur“ ein Buchgeschäft. Sie nimmt einen festen Platz ein in der Österreichischen Gewerkschaftsbewegung, die schließlich aus den Arbeiterbildungsvereinen hervorgegangen ist. Sie ist Ort des Wissens für InteressenvertreterInnen, Ort des Lesens für Menschen die über den Tellerrand schauen, Ort der Diskussion zu mannigfachen Themen.
Neben der Funktion als Verkaufsraum dienen die Räumlichkeiten der Buchhandlung auch als Veranstaltungsort für dutzende Buchpräsentationen, Podiumsdiskussionen und Konzerte pro Jahr. Und stellt in dieser Form auch eine treue Begleiterin tausender GewerkschafterInnen, BetriebsrätInnen, PersonalvertreterInnen und allgemein politisch interessierter Menschen dar.
Das Sortiment der Buchhandlung umfasst, neben den eigenen Titeln des ÖGB-Verlags, auch die wichtigsten Publikationen anderer deutschsprachiger Verlage zu den Themen Arbeits- und Sozialrecht, ArbeitnehmerInnenschutz, Berufsalltag, Politik, Ökologie und Ökonomie, Globalisierung und Verteilungsgerechtigkeit, Gender Studies, Soziologie und Psychologie sowie Antifaschismus und Zeitgeschichte. Darüber hinaus bietet die Buchhandlung des ÖGB-Verlags auch einen der wenigen Zugänge zu Büchern der KlassikerInnen und Altvorderen der der ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung, die Geschichte ebendieser und des Widerstands gegen Faschismus und Krieg, Philosophie und Psychologie, politisch orientierte Kunst, …
Dementsprechend formierte sich auch rasch ein Solidaritätskomitee zum Erhalt der ÖGB-Buchhandlung, mit der unabdingbaren Forderung an den ÖGB und dessen Verlag, diese wichtige Institution gewerkschaftlicher Bildung, Diskussion und Stellungnahme, in der bisherigen Form und Breite des Angebots und den dortigen Beschäftigten zu erhalten.
Unter dem Druck hunderter BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen – die ihrerseits zigtausende Beschäftigte vertreten –, dutzender gewerkschaftlicher BildungsreferentInnen, aberdutzender linker AutorInnen, aber auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens die die ÖGB-Buchhandlung als unverzichtbaren Bestandteil etablierterer Literaturverhältnisse ansehen, sowie nicht zuletzt des Protests tausender einfacher Gewerkschaftsmitglieder, konnte die Schließung nun abgewendet werden.
Damit ist auch den Pejos 2.0 der Zugang zu „ihrer“ zeitgenössischen Literatur, dem Schrifttum der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, sowie den Eigenpublikationen des ÖGB-Verlags gewährleistet.
Ein Erfolg des entsprechenden Drucks von unten, in dem sich zugleich manifestiert wie wir Pejos* von heute die Klassenfunktion der Gewerkschaften im Ringen mit deren Führung wiedergewinnen können.
Über die Details der Rettung, des Erhalts und der Weiterführung der Fachbuchhandlung wird das Solidaritätskomitee „Unsere ÖGB-Buchhandlung muss bleiben!“ dann im Einzelnen noch näher informieren.