Heute findet nun die seit längerem angekündigte österreichweite BetriebsrätInnen-Konferenz zur Arbeitszeitverkürzung statt. Das ist löblich. Ebenso, wie die sich abzeichnende rege Teilnahme höchst erfreulich ist. Ein weiteres untrügliches Zeichen, dass in die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung nach längerer Schlummerphase in jüngerer Zeit ist wieder etwas Bewegung gekommen ist. Karl Marx betrachtete die zu seiner Zeit errungene 10-Stunden-Bill in England bekanntlich als einen „Sieg der politischen Ökonomie der arbeitenden Klassen“ und charakterisierte den damals im Zentrum der unmittelbaren sozialen Forderungen stehenden 8-Stunden-Tag als die „bescheidene Magna Charta“ (‚große Urkunde‘) der Arbeitenden.
150 Jahre später wäre für ihn wohl die „Kurze Vollzeit“ für alle und eine gesamthafte Verkürzung der Wochen-, Tages-, Jahres- und Lebensarbeitszeit ein solch neuer „Sieg der politischen Ökonomie der arbeitenden Klassen“ und Gewerkschaften. Verbleibt es diesbezüglich allerdings bei „Resolutionen“, „Appellen“ und „sozialpartnerschaftlichen Bittgesuchen“ als höchster gewerkschaftlichen ‚Kampfform‘, ist der Stab über die neuen Etappenziele in der Arbeitszeitverkürzung allerdings schon mit Forderungsbeginn gebrochen. Die harte Bauchlandung des Papiertigers 35-Stunden-Woche vom vermeintlichen gewerkschaftlichen Sprung zum zerzausten Bettvorlegen des Kapitals sollte Menetekel genug sein.
John Maynard Keynes, der wirkmächtige bürgerliche Ökonom und ‚Arzt am Krankenbett des Kapitalismus‘, prognostizierte seinerseits schon 1930, dass wir dank des technischen Fortschritts im Jahre 2030 wohl nur mehr 3 Stunden am Tag arbeiten müssen.
Knapp 100 Jahre später herrscht, nach anfänglichen Durchsetzungsschüben des 8-Stunden-Tags und weiteren Formen der Arbeitszeitverkürzung im Kielwasser der Oktoberrevolution und nach dem Zweiten Weltkrieg, jahrzehntelanger Stillstand hinsichtlich einer weiteren Verkürzung der Arbeitszeit.
Denn, anstatt den konsequenten Kampf dafür aufzunehmen, verkam die Forderung zu einer gewerkschaftlichen Folkloreformel, die man lediglich zu ÖGB-Kongressen und ähnlichem vorübergehend aus der Schublade kramte, ohne im Anschluss auch nur den kleinsten Finger dafür zu rühren. Um dieses jahrzehntelange Ritual nicht allzu folkloristisch erscheinen zu lassen, lancierte man mit der Zeit am Papierweitergehende Arbeitszeitreduktionen – ohne freilich für diese wie jene ernsthafter in den Ring zu steigen. Eine aparte Kostümierung gewerkschaftspolitischen Stillstands.Und ein nettes, jedoch folgenloses Gesellschaftsspiel. Sagte der ÖGB 35-Stunden an, konterten die ersten mit 32-Stunden, die von wiederum anderen mit der Ansage von 30-Stunden ausgestochen wurde. Nochmals andere lizitierten die Wochenarbeitszeit angesichts der immer weiter gesteigerten und zwischenzeitlich erreichten wirtschaftlichen Produktivität dann auf 28- oder 26-Stunden herunter. Aber auch der ÖGB und die Fachgewerkschaften beherrsch(t)en dieses Spiel und verabschiedeten hier und dort bzw. von Zeit zu Zeit um das Spiel aufrecht zu erhalten, zum weiteren folkloristischen gewerkschaftlichen Gebrauch ihrerseits neue Ansagen. Jedoch unter der unausgesprochenen Regel, dass sich daraus eben keine Konsequenzen im realen Gewerkschaftsalltag ableiten.
In den letzten Jahren nehmen die Debatten und (effektiven) Forderungen zur Arbeitszeitverkürzung allerdings wieder etwas an Fahrt auf. Sowohl international wie national. Ob in der Forderung der IG-Metall nach einer Senkung der Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden und einer 4-Tage-Woche, dem aktuellen GDL-Streik, oder auch etwa in Modell-Versuchen in Island, Schweden, Spanien aber auch etwa in Großbritannien. Und auch in Österreich ist die Debatte um eine weitreichende Arbeitszeitverkürzung sowie eine 4-Tage-Woche nach längerem Dornröschenschlaft wieder neu entflammt, wenngleich es ihr bislang noch an geboten konsequentem gewerkschaftlichen Rückenwind mangelt.
Die Oktoberrevolution 1917 als Paukenschlag des 8-Stunden-Tags
Bereits um das Jahr 1830, um mit einem kurzen Blick die (Real-)Geschichte der Arbeitszeitverkürzung vors Auge zu bringen, forderte der utopische Sozialist Robert Owen unter der Losung: „Acht Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen und acht Stunden Freizeit und Erholung“, als Erster den 8-Stunden-Tag. Mit der I. und II. Internationale (insbesondere dem Genfer Kongress der I. Internationale 1866 und dem Gründungskongress der II. Internationale 1889) avancierte die Forderung nach dem 8-Stunden-Tag dann zur wichtigsten unmittelbaren sozialen Forderung der internationalen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung.
Der entscheidende Durchbruch (nach ersten Teilerfolgen etwa in den englischen Staatswerkstätten 1894, in den Staatsbetrieben Frankreichs 1914 oder für die Eisenbahnangestellten in den USA ab 1916 – sowie der anhebenden Morgenröte durch die Steinbrucharbeiter im australischen Victoria, die ihn sich 1856 in Melbourne als überhaupt Allererste bei vollem Lohnausgleich erkämpften) gelang schließlich im Zuge der russischen Oktoberrevolution. Erst die Umwälzungen des Roten Oktobers führten zum geschichtlich ersten Mal zur lückenlosen, gesetzlichen Einführung des 8-Stunden-Tages. Nur wenige Wochen nach ihrem Sieg führte die junge Sowjetmacht am 11. November als erstes Land den generellen 8-Stunden-Tag ein. Auf den revolutionären Wogen des Jahres 1918 gelang es dann, ihn ab 1. Jänner 1919 auch in Österreich gesetzlich zu verankern.
8-Stunden-Tag, 5-Tage-Woche, 5. Urlaubswoche … – als Eroberungen eines historisch neuen Nichtarbeitsbereichs
Mit der weltweit einhaltenden Durchsetzung des 8-Stunden-Tages avancierte daraufhin schnell die Forderung nach der 40-Stunden-Woche sowie nach 5 statt 6 Tagen Arbeit zum neuen Kampfziel.
Diesbezüglich handelte es sich freilich nicht „nur“ um eine Beschränkung der Arbeitszeit, sondern – vielmehr noch darüber hinaus – um die historische Eroberung eines effektiven Nichtarbeitsbereichs und der Aufschließung frei verfügbarer Zeit jenseits der physischen und mentalen Regeneration (oder bloßen Reproduktion der Ware Arbeitskraft).
Mit der 40-Stunden-Woche (die es in Österreich 1975 gesetzlich durchzusetzen gelang), dem der Verlängerung des Wochenendes um einen Tag, der 4. und 5. Urlaubswoche (1977 bzw. 1983) gewannen die Arbeitenden einen neuen Raum privat nutzbarer Zeit und kam es zu entscheidenden Veränderungen im Rhythmus Arbeit–Freizeit und tiefgreifenden kulturellen Umwälzung des Lebensrhythmus der Arbeitenden sowie – freilich auch zwiespältigen – Wandel der Alltagskultur, Lebensstile und sozialen Verhältnisse.
Die 4. und 5. Urlaubswoche – oder in anderen Worten: Verkürzung der Jahresarbeitszeit – etwa, brachte zusammen mit steigenden Einkommen vor allem eine einschneidende Veränderung des Urlaubs. Allen voran die nun massenhaft üblichen Urlaubsreisen, den Tourismus ins (zunächst vor allem südeuropäische) Auslandund wandelte die Ferienreisen vom privilegierten Faszinosum einer Minderheit und Sozialprestige zu einer Massenerscheinung und zu einem Bezugspunkt des Arbeitsjahres. Begleitend zum seinerzeitigen Traum von Meer, Sonne, Wein und vergessen des heimischen Alltags kamen zugleich einschlägige Schlager, Filme und Illustrierte auf. Ob nun Udo Jürgens Gassenhauer „Griechischer Wein“ von 1974 oder auch Reinhard Fendrichs Hit „Strada del Sole“ von 1981 (um noch frühere Urlaubs-Schlager einmal außen vor zu lassen), beide waren Ausdruck jener Entwicklung bzw. ihres Anhebens.
Mehr noch: Mit dem erfolgreichen Kampf um die 40-Stunden-/5-Tage Woche bei vollem Lohnausgleich entstand erst das freie Wochenende wie wir es (mit Einschränkungen) kennen – anstatt des bloßen freien Sonntags. Und damit, neben dem familiären Wochenend-Ausflug (entsprechend lief die Arbeitszeitverkürzungs-Kampagne in Deutschland u.a. unter dem bekannten Motto: „Samstag gehört Vati mir“), neue Formen außerfamiliärer und außerhäuslicher Kontakte, der Geselligkeit und der Freizeitgestaltung sowie Aufstieg einer neuen Massenkultur. Bis hin zum verallgemeinerten Saturday Night Fever, Schüben in der Konzert- und Festival-Kultur, oder dem verallgemeinerten Sichausleben im Vergnügen, bis zu jüngeren Entwicklungen wie dem Einzug eines Städte-Tourismus übers Wochenende oder verlängerte Wochenende u.v.m.
Knappe 5 Jahrzehnte 40/h-Woche – 4 Jahrzehnte Papiertiger 35/h-Woche
Die nächsten Kampfziele verglommen dann allerdings zum leisen Wispern. Forderungen nach einer weiteren Arbeitszeitverkürzung bildeten zuletzt bloß noch löbliche, aber zaghafte Ausreißer in der arbeitszeitpolitischen Großwetterlage. Seit 1975, also bald einem halben Jahrhundert (!), kam es nach Einführung der 40-Stunden-Woche in Österreich denn auch zu keiner weiteren umfassenden und generellen Arbeitszeitverkürzung mehr. Zwar konnten seither in verschiedenen Branchen kollektivvertragliche Arbeitszeitverkürzungen durchgesetzt werden. Von einer flächendeckenden Arbeitszeitverkürzung oder gar Einführung einer gesetzlichen 35-Stunden-Woche als erstem und überfälligem Schritt einer weitreichenden Arbeitszeitverkürzung sind wir nichts desto trotz meilenweit entfernt.
Die gesetzliche Regelarbeitszeit liegt unverändert bei 40 Wochenstunden. Die seit 1983 von ÖGB und AK vielfach geforderte 35-Stunden-Woche ist auch nach mittlerweile vier Jahrzehnten nicht durchgesetzt. Damals wurde diese bereits als (Produktivitäts-)Abgeltung der Effektivierungen der 1970er Jahre (!) gefordert. Heute begründet sie sich dahingehend, wie der weitere Schritt in Richtung einer weitreichenderen Arbeitszeitverkürzung auf 32 oder 30 Stunden und eine 4-Tage-Woche, ökonomisch natürlich in nochmals drastisch gestiegenem Ausmaß aus der enormen seitherigen Produktivitätssteigerung, die sich in diesen 50 Jahren pro geleistete Arbeitsstunde verdoppelt hat, während sich bei der gesetzlichen Arbeitszeit nichts getan hat.Der damit mit einhergehenden, gestiegenen Arbeitsintensität, Belastungen und Stress entsprechend, sprechen sich in jüngsten Umfragen denn auch, und zwar quer durch alle Branchen, deutliche 82% der Beschäftigten für eine weitergehende sowie vielfach radikale Reduzierung der Wochenarbeitszeit aus. Und zwar in einem Korridor zwischen 35 bis 25 Stunden – sprich: bis zu Forderung nach einer neuen „Kurzen Vollzeit“.
Denn entgegen machen stumpfsinnigen Gerede, stellt die Arbeitswelt unverändert nicht nur den kompaktesten Block unseres Lebensalltags dar, sondern drückt auch unserer übrigen Lebenszeit immer stärker ihren Stempel auf: Von der ausufernden Verfügbarkeit unserer Arbeit, über die Intensivierung der Arbeitsprozesse und Arbeitsverdichtung, bis zu gegenüber früher längeren Anfahrtszeiten zum Betrieb. Mit all den damit einhergehenden physischen und psychischen Belastungen und Folgen: Stress, Überarbeitung, Burn-Out, akutem privaten Zeitmangel, zunehmender Unvereinbarkeit von Beruf und Privatem und fehlender ausreichender Erholung.
Ist Arbeitszeitverkürzung überhaupt möglich?
Entgegen den üblichen Froschperspektiven ist es auch keine Frage, ob Arbeitszeitverkürzung möglich sei: Gesamtgesellschaftlich findet sie nämlich in Form anwachsender Massenarbeitslosigkeit bereits faktisch statt. Aufgrund der gesteigerten, schneller als die Produktion wachsenden, Produktivität, werden für die Produktion derselben Menge an Gütern und Dienstleistungen immer weniger Arbeitskräfte benötigt – also weniger gesellschaftlich erforderliche Arbeitszeit aufgewandt. Bei einer gegebenen Menge an Produkten bedeutet dies, dass die Werktätigen entweder kürzer arbeiten können oder ein zunehmender Teil der vorhandenen Arbeitskräfte für die Verwertung des Kapitals überflüssig wird. Was nichts anderes als eine Arbeitszeitverkürzung im gesellschaftlichen Maßstab bedeutet. Allerdings auf Kosten sowohl der Arbeitenden wie dem damit einhergehenden Heer an Arbeitslosen, und ohne jedweden Lohnausgleich.
Das altbekannte Zeta und Mordio der Wirtschaftsvertreter
Natürlich schreien die Wirtschaftsvertreter sämtlicher Couleurs dazu wie eh und je Zeta und Mordio. So erklärte schon der von Marx gerne herangezogene englische Ökonom Nassau William Senior in einem „Sachgutachten“ gegen die Agitation für die Verkürzung des 12-Stunden-Tags: Wenn die tägliche Arbeitszeit um nur 1 Stunde reduziert würde, verschwänden die Reingewinne, bei Verkürzung um 1,5 Stunden auch die Bruttogewinne. Der weitere Geschichtsverlauf blamierte die Propaganda und den ökonomischen Analphabetismus dieses Lohnschreibers der Herrschenden bis auf die Knochen.
Und so kam es denn auch gegen die – bis heute von der Mainstreamökonomie – an die Wand gemalten Schreckgespenste 1833 in England zur ersten teilweisen Normierung der Höchstarbeitszeit (verbindlich zunächst für die Textilindustrie). Errungen auf Druck der Arbeitenden wie des Umstands, dass die Rekruten der Industriebezirke immer weniger „indientauglich“, also für die englische Krone aufgrund der katastrophalen Arbeitsverhältnisse immer weniger militärtauglich wurden, gelang es so, die erste Schranke gegen die hemmungslose Ausbeutung des Kapitals aufzurichten. Ja: „Erst seit dem Fabrikgesetz von 1833 … datiert für die moderne Industrie ein Normalarbeitstag“ – so Karl Marx im „Kapital“.
GPA BR-Konferenz – ein neuer Durchsetzungsschub?
So begrüßenswert die Initiative der GPA zu einer österreichweiten BR-Konferenz zur Arbeitszeitverkürzung und die begleitende Erklärung einerseits ist: „Die Gewerkschaft GPA setzt sich für faire Arbeitszeiten ein. Das bedeutet: ArbeitnehmerInnen dürfen nicht endlos lange arbeiten müssen. In der Freizeit sollen sie sich erholen können und nicht ständig vom Chef oder der Chefin angerufen werden. Auch im Home-Office braucht es Regeln für Arbeitszeiten, die nicht krank machen.
ArbeitnehmerInnen werden immer produktiver, sie schaffen mehr in weniger Arbeitszeit. Daher sollen sie auch weniger lange arbeiten müssen. Wichtig ist, dass durch eine Verkürzung der Arbeitszeit nicht der Druck steigt, sondern dass für die freiwerdenden Stunden neue ArbeitnehmerInnen eingestellt werden.“
Ob und inwieweit die BR-Konferenz auch einen dahingehenden Durchsetzungsschub zu bilden vermag, wird sich in letzter Instanz an der dafür in Anschlag gebrachten Konfliktbereitschaft und einzuschlagenden Kampfformen entscheiden.
Für eine Neuvermessung der Arbeit!
Neben der unabdingbaren Abfederung der gestiegenen Arbeitszeitverdichtung und als beschäftigungspolitischer Hebel, ist eine radikale Arbeitszeitverkürzung (über eine rein monetäreKonsumpartizipation hinausgehende) und gesellschaftliche Umverteilung der Arbeit auf alle, dabei zugleich ebenso zu verstehen als Aneignung der Produktivitätssteigerung seitens der Arbeitenden auch in Form von mehr freier Zeit: fürs Private, für Muße, Genuss, Selbstentfaltung und Individualitätsentwicklung.
Hierzu gilt es Arbeitszeitverkürzung jedoch zugleich in all ihren Dimensionen – im Sinne der einer gesamthaften Verkürzung der Wochen-, Tages-, Jahres- und Lebensarbeitszeit – auf die Agenda das dafür unabdingbaren konsequenten gewerkschaftlichen Klassenkampfs zu setzen.
Arbeitszeitverkürzung als „Sieg der politischen Ökonomie der arbeitenden Klassen“ … (K. Marx)
Für eine solche Neuvermessung der Arbeit bedarf es allerdings entschiedener und ganz anders gelagerter Maßnahmen als etwa die jüngste „Aufforderung“ der AK an Arbeits- und Wirtschaftsminister Kocher, ein neues Arbeitszeitgesetz Richtung „gesunder Vollzeit“ unter „Einbindung aller Sozialpartner“ auf den Weg zu bringen oder eines auf einem SPÖ-Parteitag verabschiedeten Antrags. Wer die Geschichte der Sozialdemokratie im Spiegel ihrer Programme und Parteitagspapiere auch nur flüchtig gewahr hat, wird sich von einem solch allemal geduldigen Papier kein X für U vormachen lassen oder gar ernstlich darein seine Hoffnungen setzen. Dergleichen gilt für den bloß neuerlichen programmatischen Papiertiger der Gewerkschaft auf dem jüngsten 20. ÖGB-Kongress. Auch der an sich richtige Hinweis auf seinerzeitige Generalkollektivverträge mit den Wirtschaftsvertretern zur Arbeitszeitverkürzung im Nachkriegs-Österreich geht „sozialpartnerschaftlich“ konnotiert frappant an den heutigen gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen vorbei. Die Industriellenvereinigung hat dem denn auch mit nichts zu deuteln übriglassendem Nachdruck eine Absage erteilt. Getoppt werden derartige Illusionen wie gesagt nur noch von der von interessierter Seite suggerierten trügerischen Hoffnung einer (perspektivischen) Erlangung der 32-Stunden-Woche auf den Samtpfoten einer hiesigen Ampelkoalition – für die, von der Wahlarithmetik und anderweitigen Programmpunkten einmal ganz abgesehen –, schon schlicht die Neos mitnichten ins Boot zu holen sein werden. Da geht dann wohl wirklich eher das biblisch-sprichwörtliche Kamel durchs Nadelöhr. Diesbezüglich wäre hinsichtlich des gegenwärtig immer wieder herangezogenen Inflationsvergleichsjahr 1975 überhaupt herauszustellen: Damals wurde in Hochinflationszeit nicht nur die schrittweise Einführung der gesetzlichen Arbeitszeitverkürzung auf 40 Wochenstunden (von vormals 45 Stunden) abgeschlossen, sondern erwirkten die Gewerkschaften im selben Jahr „nebenbei“ immerhin auch noch eine Lohnerhöhung von 13%. Beides zusammen (also einschließlich Arbeitszeitverkürzung) wiederum, ergab ein Plus von 18,6%. Ohne entschiedenem Klassenkampf und bloßem „Appell“, der „Resolution“ oder dem „sozialpartnerschaftlichen Ringen“ am „Grünen Tisch“ als höchster gewerkschaftlichen Kampfform jedenfalls, wird es heute und erneut bei warmer Luft und wirklosen Programmüberschriften für die Schreibtischlade verbleiben. Eine kämpferische Auseinandersetzung um eine neue „kurze Vollzeit“ (32 resp. 30 Stunden als neuem Normalarbeitstag – für kontinuierliche Produktion mit Nachtschicht würde dies als 6-Stunden-Tag letztlich zwei verkürzte Nachtschichten bedeuten – mit verbriefter Möglichkeit einer 4-Tage-Woche) und des Zugewinns an emanzipatorischer Lebensqualität indes, eröffnete hingegen nicht nur die einzige Möglichkeit diese auch durchzusetzen – also mit Marx gesprochen einen neuen „Sieg der politischen Ökonomie der arbeitenden Klassen“ zu erringen –, sondern ist zugleich mit einer kämpferischen Verschiebung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse verbunden und könnte eine insgesamte soziale Wende einleiten.