Unter den maßgeblichen internationalen Wirtschaftsinstitutionen wie IWF, BIZ oder der EZB und renommierten ÖkonomInnen ganz unterschiedlicher Couleurs herrscht aktuell ein alles andere denn selbstverständlicher Konsens dahingehend, dass die aktuelle Inflation – nebst „Mehrfachkrise“, darunter insbes. die politisch herbeigeführte Verknappung von Rohstoffen und anderen Handelsgütern – vorrangig profitgetrieben ist. Ausgerechnet das bekannte wirtschaftsnahe Münchner Ifo-Institut brachte die grassierende Teuerungswelle schon vor längerem unumwunden als „Gewinn-Inflation“ auf den Punkt. Vor diesem Hintergrund widersprach selbst „Der Standard“ unter dem Titel „Warum Rufe nach allgemeiner Lohnzurückhaltung falsch sind“ gerade den konzertierten neoliberalen Empfehlungen des WIFO, IHS und der OeNB nach ‚Lohnzurückhaltung‘. „Es gibt keinen Grund für Gewerkschaften, nicht vollen Teuerungsausgleich und noch ein Stück vom Kuchen zu fordern.“
Profitpush Inflation – das nur verschämt eingestandene Stiefkind der bürgerlichen Ökonomie
Die bürgerliche Ökonomie unterscheidet als Ursachen der Inflation die Nachfrageinflation (ob nun monetäre oder nichtmonetäre Nachfragesogtheorien) von der Angebotsinflation (vorrangig Kostendruckinflation), kennt aber – zumindest als theoretischem Appendix – immerhin auch eine sogenannte „Gewinndruckinflation“ (profitpush inflation), für die die profitgetriebene Erhöhung der Gewinnmargen verantwortlich ist. Obwohl Inflation prinzipiell „kein monetäres Phänomen allein“ ist („Die rein geldtechnische Komponente der Inflation verbindet sich mit dem sozialökonomischen Effekt der Umverteilung von Einkommen und Vermögen“), wie insbesondere Klaus Müller in seinen einschlägigen Arbeiten unermüdlich herausgearbeitet hat, werden die sozialökonomischen Ursachen und Folgen dieser Umverteilung resp. deren entscheidende Ursache tunlichst in Nebel gehüllt – mit der „Gewinndruckinflation“ jedoch immerhin verschämt erwähnt. Freilich gewöhnlich mit dem sogleich relativierenden Zusatz, dass umstritten sei „ob und inwieweit diese denkbaren Fälle empirisch relevant sind und in welchem Ausmaß sie gegebenenfalls Inflation auslösen und verstärken können“, so etwa Wirtschaftsprofessor Dieter Cassel. Gegen derartige Relativierungen hat die renommierte Ökonomin und Inflationsforscherin Isabella Weber im „Guardian“ schon zur Jahreswende 2021/2022 mit Nachdruck den Finger auf den Umstand gelegt: „ein kritischer Faktor, der die Preise treibt, (ist) bislang weitgehend übersehen worden: die Explosion der Profite“. Seither und nochmals verstärkt seit heurigem Frühjahr, hakt die bekannte, an der University of Massachusetts Amherst lehrende Volkswirtschaftsprofessorin, mit ihren Analysen zu gegenwärtigen Inflationskrise, den Reallohnverlusten und Profitsteigerungen nochmals in zahlreichen Publikationen und Interviews ein.
Konsens über profit- und spekulationsgetriebene „Gewinn-Inflation“
Die zeitgenössischen Debatten und dahingehend zwischenzeitlich weitgehend übereinstimmenden Untersuchungen und Analysen der internationalen Wirtschaftsinstitutionen scheinen allerdings um schlichtere Gemüter, wie Österreichs Finanzminister Magnus Brunner, einen großen Bogen zu schlagen. Nur, aktuell stimmen selbst sämtliche internationale Wirtschaftsinstitutionen von Rang und Bedeutung sowie renommiertesten ÖkonomInnen, darin überein, dass die aktuelle Inflation vorrangig profitgetrieben ist. So führt etwa der Internationale Währungsfonds (IWF) die gegenwärtige Teuerung in der Euro-Zone, die er eine „eine Art Armen-Steuer“ nennt, hauptanteilsmäßig auf die gestiegenen Profite zurück und beziffert den Anteil der „hohen Energiepreise“ an der gegenwärtigen Teuerungmit 40%, jenen der „gestiegenen Unternehmensgewinne“ mit 45%. (Den Zusammenhang der gestiegenen Energiepreise mit ihresteils höheren Gewinnmargen und Spekualtionsgewinnen lassen wir hier unberücksichtig.) Die EZB taxiert den Anteil der Unternehmensgewinne am Preisauftrieb in der Euro-Zone mit 60% noch höher. Entsprechend fand auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde in einem Ausschuss des Europaparlaments dazu unlängst deutliche Worte: Die meisten Unternehmen haben die höheren Kosten nicht nur vollständig auf die Kundschaft abgewälzt, sondern die Preise (für Extra-Profite) zudem über die bloßen Kostensteigerungen hinaus erhöht. Dementsprechend sind denn auch „ihre Preiserhöhungen größer ausgefallen als die Kostenanstiege, was (maßgeblichst) zur Beschleunigung der inländischen Inflation beigetragen hat.“ Rudolf Hickel, Gründer der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und Kritiker der gegenwärtigen Zinspolitik der EZB, sieht die Preisexplosion ebenso nicht zuletzt in der Markt- und Preissetzungsmacht, sprich: „monopolistischer Unternehmensmacht“, sowie in „massiven Spekulationsgeschäften“ (Stichwort: etwa Rohstoffe). Ebenso in dieselbe Kerbe schlägt auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ; auch Zentralbank der Zentralbanken genannt): „Während die Reallöhne stärker zurückgefallen sind als in der Vergangenheit, haben sich die Unternehmensgewinne bemerkenswert gut gehalten.“ Oder eben das eingangs zitierte Münchner Ifo-Institut und andere.
Ökonomischer Analphabetismus der österreichischen Regierung & die wahre Dimension der profitgetriebenen Teuerung hierzulande
Von „zu hohen“ ‚inflationstreibenden‘ „Lohnabschlüssen“ resp. einer „konsum- oder nachfragegetriebener Inflation“ – wie etwa Finanzminister Magnus Brunner faktenbefreit vor sich hin schwadroniert –, kann, so denn auch die beiden Arbeiterkammer– und WU-Ökonomen Michael Ertl und Daniel Haim, „keine Rede sein“. Ja: „Gerade im Vergleich zur Eurozone hinkt der private Konsum in Österreich hinterher. Trotzdem versuchen manche die hierzulande überdurchschnittliche Inflation mit der Konsumentwicklung zu argumentieren.“
Mehr noch, wie für Österreich das Momentum Institut herausstellt: „Die Teuerungswelle haben die gestiegenen Energiepreise nach Kriegsausbruch ausgelöst. Das ist aber nur die halbe Geschichte: Im Windschatten der erhöhten Energiepreise haben viele Unternehmen nicht nur die gestiegenen Kosten weitergereicht. Ihre Gewinnspannen haben sie auch gleich kräftig ausgeweitet. Das Ergebnis: Preise zum Haare raufen. Und zwar nicht nur in der Energiebranche, sondern auch in der Landwirtschaft, im Bau, Tourismus, Handel und Gastronomie.“
„Diese Profit-Preis-Spirale, in der die gestiegenen Profite der Unternehmen die Preise nach oben schnalzen, bereitet auch der europäischen Zentralbank Sorgen …“, so das Momentum Institut.
Ja, die ganze Dimension der profitgetriebenen Gewinn-Inflation hierzulande auf den Punkt bringend: „In Österreich langen Unternehmen kräftiger zu als in anderen Ländern der Eurozone. Österreich gehört zu den sieben Ländern, in denen Unternehmensprofite die hausgemachte Teuerung am stärksten treiben. Unter den westeuropäischen Ländern liegt einzig Spanien vor uns. Bei uns gehen zwei Drittel der hausgemachten Teuerung auf gestiegene Unternehmensprofite zurück …“
Das Institut hat unter dem Titel „‚Lohnzurückhaltung‘ kommt Beschäftigten teuer“, zudem die damit verbundenen Durchschnittsverluste der jüngsten heimischen IHS-, WIFO-, und OeNB-Vorschläge detaillierter durchgerechnet, denen wir uns in Teil II widmen werden.