Der US-Kampf um die globale Vorherrschaft – oder: Wie weit noch bis zum Dritten Weltkrieg?

Als Donald Trump 2018 unter dem Motto „Handelskriege sind leicht zu gewinnen“ seinen Wirtschaftskrieg gegen China entfesselte, zeigten sich Medien und Teile des politischen Establishments irritiert. Man seufzte öffentlich überwiegend vom „Irren im Weißen Haus“. Dabei steht der „Pivot to Asia“ („Schwenk nach Asien“) im Kampf um die globale Vorherrschaft schon seit einem Jahrzehnt, seit dessen Verkündung durch Barack Obama im November 2011, im Zentrum der US-Globalstrategie. Insofern überrascht es – nach Bidens Kriegszielausgabe vom 26. März, dass „Putin nicht an der Macht bleiben kann“ – auch nur die einfältigsten Beobachter, dass der US-Präsident gestern die Lunte in der Taiwanstraße an der Küste Chinas gelegt hat.

Der geschichtliche Hintergrund des Taiwan-Konflikts

Dazu sei Eingangs vielleicht an den Ausgangspunkt der schwelenden Spannungen um den Status Taiwans erinnern: Die chinesische Revolution siegte 1949 auchdeshalb, weil die breiten Massen in Mao und der KP Chinas die einzige politische Kraft sahen, die das vom Imperialismus gekreuzigte, zerstückelte und amputierte China aus seiner seit über einem Jahrhundert währenden Tragödie retten konnte. „Nur der Sozialismus kann die chinesische Nation retten“, erklärte Mao auch aus seinem Verstand hierzu.

Unmittelbar nach der Eroberung der Macht durch die chinesische Partei, verhinderte die USA, genauer: die Intervention der US-Flotte, dass der Bürgerkrieg mit der Wiedergewinnung der vormals japanische Kolonie Taiwans durch die Zentralregierung zu seinem Abschluss kam und die Volksarmee die Befreiung und Vereinigung Chinas vollenden konnte (die in der „Kairoer Erklärung“ der alliierten Kriegsziele freilich noch vorgesehen war – allerdings in Annahme unter Ägide Chiang Kai-sheks, nicht unter kommunistischer Führung).

Der damals amtierende US-Präsident Harry S. Trumans bekannte Jahre später: „Es war uns völlig klar, dass das ganze Land von den Kommunisten übernommen werden würde“, deshalb galt es aus US-Sicht zumindest Chiang Kai-shek und die Truppen der Guomindang „per Luftbrücke nach Südchina bringen und (US-)Marinesoldaten zur Bewachung der Häfen (zu)schicken“ – und China gespalten zu halten. Dazu kooperierten die USA sogar mit den letzten verbliebenen und noch in China stationierten japanischen Truppen des „Tenno-“Faschismus.

Taiwan unter Chinag Kai-shek und die „Ein-China-Politik“ seit 1971

Mit Chiang Kai-shek an der Spitze installierte die Guomindang (unter Mitnahme des offiziellen Goldschatzes und der Fremdwährungsreserven Chinas) in Taiwan danach eine rigorose pro-westliche Diktatur. Jegliche Opposition wurde unterdrückt, Wahlen ausgesetzt und der landesweite Ausnahmezustand über das Land verhängt, der bis Ende der 1980er Jahre in Kraft blieb. Erst 1987 hob die Guomindang das Kriegsrecht auf und konnte sich mit der Demokratischen Fortschrittspartei (DFP) überhaupt erstmals eine Oppositionspartei bilden.

Das international (abgesehen von wenigen (Klein-)Staaten wie Palau, dem Vatikan oder Guatemala) nicht als Staat anerkannte Taiwan, das sich selbst „Republik China“ nennt, der „Volksrepublik China“ allerdings als „abtrünnige Provinz“ gilt, wird seit der internationalen „Ein-China-Politik“ (von 1971) in der UN und auf der Weltbühne von China „mitvertreten“, dem mit der UN-Resolution 2758 sein Alleinvertretungsanspruch und die „legitime Repräsentation“ zuerkannt wurde. Die von der UN-Generalversammlung am 25. Oktober 1971 verabschiedeten Resolution bestimmte denn auch, die „Repräsentanten von Chiang Kai-shek“ von ihrem „widerrechtlichen“ UN-Sitz zu entheben und Taiwan aus allen UN-Gremien auszuschließen, die dessen Vertreter aufgrund der unmittelbaren Nachkriegspolitik der USA bis dahin „widerrechtlich innehatten“.

Entsprechend des damit auf internationaler Bühne einhergehenden Drahtseilaktes und um einer außenpolitischen „Balance“ der imperialistischen Kernländer willen, erließen die USA 1979 den „Taiwan Relations Act“, aufgrund dessen Washington einerseits alle diplomatischen Kontakte zu Taiwan abbrach (wie auch die anderen Westmächte), sich aber verpflichtet „Tawain [Anm.: als dem ehemaligen Vorposten und weiter an der Seite gehaltenen Bundesgenossen Washingtons] die Aufrechterhaltung einer hinlänglichen Fähigkeit zur Selbstverteidigung zu ermöglichen.“ Allerdings gleichsam ausdrücklich ohne militärisches Beistandsabkommen, sprich: einer eigenen US-Intervention im Kriegsfall, und beschränkt auf den Verkauf von Waffen mit Defensivcharakter. Eine Position die im US-Politjargon als „strategischer Ambiguität“ firmiert, weshalb die aktuellen Aussagen Bidens, Taiwan nötigenfalls mit militärischer Gewalt Washingtons beizustehen, weltweit auch für ein Aufhorchen sorgten.

Die strategische Wende der US-Politik

Wie schon nach seiner Warschauer Rede zur Verschiebung der Strategie des kollektiven Westens hin zu einem Stellvertreter-Krieg der Ukraine gegen Russland, bis hin zu einem „Regime-Change“ in Moskau, bemühen Sprecher des Weißen Hauses für Bidens jetzige Ankündigung in Tokio auch dieses Mal zunächst die Beschwichtigung eines „Ausrutschers“. Allerdings, die in Warschau verschobene Kriegszielstrategie ist mittlerweile dominant und ein Kurswechsel in Washingtons China-Politik schon seit längerem auf den Weg gebracht.

Eine erste Wende der US-Politik erfolgte bereits im Juni 1995, als unter US-Präsident Bill Clinton erstmals seit der „Ein-China-Politik“, Taipehs damaliger Präsident Lee Teng-hui offiziell die USA besuchte und vom Weißen Haus empfangen wurde. In der dadurch entzündeten „Taiwan-Krise“ 1995/96 entsandte das Pentagon sofort einen Flugzeugträger in die Gewässer der Taiwanstraße. Peking, mit dieser Provokation die maßlose Unterlegenheit seiner damaligen Seestreitkräfte vor aller Welt vor Augen geführt bekommen, treibt seither entschlossen und gezielt die Nachrüstung seiner eigenen Seestreitkräfte und wirkungsvolle Hyperschall-Abwehrwaffen gegen die US-Navy voran. Ab 2000 setzte sich der Kurswechsel Washingtons dann peu á peu weiter fort und rüsteten die USA Taipeh – insbesondere unter Obama und Trump – bis an den Rand hoch und heizten die Spannungen immer forscher an. 2018 verabschiedete der US-Kongress schließlich ein Papier, das gegenüber der bisherigen Usancen Reisen hochrangiger US-Vertreter nach Taiwan und Besuche aus Taiwan auf allen Ebenen ausdrücklich unterstützt. Ende Oktober 2021 entfachte die neue Biden-Administration dann schlussendlich noch eine regelrechte globale Kampagne zu einem Kurswechsel weg von der „Ein-China-Politik“. US-Außenminister Antony Blinken blies mit seiner Absage an die UN-Resolution 2758 geradezu ins Kriegshorn. Wie immer im Windschatten Washingtons segelnd, eröffnete daraufhin letzten Dezember Litauen in Taipeh denn auch als Probeballon brav eine offizielle „Vertretung Taiwans“ und sorgte damit für den nächsten Eklat.

US-Globalstrategie und die Taiwan-Frage heute

In den geopolitischen Think-Tanks der USA wird die Taiwan-Frage zunehmend als der große Hebel gegen China diskutiert. Graham Allison, Politologe an der Harvard-Universität, hat Washington in seinem auch international vieldiskutierten Buch „Zum Krieg bestimmt“ unter anderem empfohlen, sich bis hin zu geheimen Militärkommandos an die Seite der Abspaltungskräfte in Taiwan zu stellen, den Konflikt zu eskalieren und Pekings politische Macht bzw. politischen Einfluss langfristig zu „unterminieren“. Bei einem Eingreifen Pekings gegen die US-Globalstrategie, hätte Washington wiederum die moralische Betroffenheit gegen die immer stärker an die Wand gemalte „gelbe Gefahr“ und eine neue Welle der Kritik an Peking auf seiner Seite. Und Allison ist noch nicht einmal ein „Falke“ unter den Politologen des US-Establishments, vielmehr noch jemand dem vor der Gefahr eines neuen großen heißen Krieges schaudert. Zumal im Wissen, dass eine Eskalation des Konflikts zwischen Peking und Taipeh in Wirklichkeit zudem alles andere als unvermeidlich ist.

Der immer heißer geführte Neue Kalte Krieg – tritt der Spätkapitalismus mit einem großen Knall von der Weltbühne?

Andere Kräfte und Fraktionen in den USA haben China allerdings als angeblich neues „Reich des Bösen“ schon auch militärisch ins Visier genommen. Allerdings, so Henry Kissingers Warnung an die sinophoben Kriegs-Falken in den herrschenden Kreisen: „Amerika ist im Pazifik heute der Volksrepublik China unterlegen. Die schwimmende Flugzeugträger-Macht wäre in einem Konflikt in wenigen Stunden durch moderne, … chinesische [Hyperschall-]Waffen ausgeschaltet.“ Zugleich führte ein US-Angriff auf China ultimativ an die Kippe eines großen, heißen Krieges. Nichts desto trotz wird der „Neue Kalten Krieg“ gegen China von den USA immer heißer geführt und in einem fort weiter an der Eskalationsschraube gedreht.

„Der Spätkapitalismus“, so unlängst die zeitgenössische Diagnose Tomasz Konicz‘, „muss nicht mit einem elendig langen Wimmern vergehen – er kann auch mit einem großen Knall abtreten.“

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