Landauf, landab wird angesichts der immer hartnäckigeren Inflationswelle gerade quer durch die gesellschaftliche und politische Landschaft in einer neuen Eindringlichkeit über „Übergewinnsteuern“ und „Energiepreisdeckeln“ debattiert. Zu Recht.
Nun ist die Energiepreisbildung im Einzelnen verwickelt. Aber, dass sich die Preise erhöhen, wenn man einen gehörigen, nicht kurzfristig ausgleichbaren Teil des Produkts aus dem Markt/Angebot nimmt bzw. aus diesem ausschließt, ist eine regelrechte Trivialität des ökonomischen Schul-ABC. Unabhängig davon, ob das nun aus wirtschaftlichen Umständen, technischen Gebrechen, Naturkatastrophen oder eben Sanktionen und Abnahmemengendrosselungen erfolgt. Die einzige Überraschung daran ist, dass man sich überhaupt überrascht zeigt.
Dazu kommt, dass am Strommarkt (gemäß dem „Merit-order“-Prinzip der EU), vereinfacht gesagt, die zur Deckung der Nachfrage noch notwendigen, aufwändigsten „Grenzproduzenten“ preisbildend sind. Das wiederum sind Gaskraftwerke, die mit der Explosion der Gaspreise zur Zeit natürlich besonders teure Stromerzeuger sind. Mit der Orientierung des gesamten Strompreises an ihnen fahren andere Stromerzeuger dafür indes horrende Sonderprofite ein.
Mit der Einführung einer Sondersteuer zur Abschöpfung dieser krisenbedingten Zufallsgewinne (sogenannte „Windfall profits“), die der Energiebranche schlicht in den Schoß fallen, ließen sich die Krisenprofiteure eigentlich auch recht leicht zur Gegen- oder mindestens Mit-Finanzierung an den dringend nötigen Ausgleichszahlungen heranziehen. Wofür sich in Österreich zuletzt zudem auch eine klare Mehrheit von 66 Prozent in einer Umfrage ausgesprochen hat.
Die Belegung der eklatanten Extraprofite der Energie-Konzerne mit einer solch sogenannten „Übergewinnsteuer“ wäre dabei noch nicht einmal eine strukturelle Maßnahme, gar eine wirtschaftliche oder soziale Wende, sondern lediglich ein zumindest gebotener gesellschaftlicher Ausgleich. Also im Grunde quasi das Mindeste. Insofern vermag es denn auch nicht überraschen, dass sie etliche Staaten auch bereits eingeführt haben. Selbst im konservativ durchregierten Großbritannien wurde im Mai eine derartige „Windfall Tax“ auf den Weg gebracht, die zur Gegenfinanzierung der Zuschüsse an die privaten Haushalte 5 Milliarden Pfund erbringen soll. Die von Italiens Ministerpräsidenten und Ex-EZB-Chef Mario Draghi bereits im März vorgestellte „Übergewinnsteuer“ wiederum soll bis an die 6,5 Milliarden Euro Sonderprofite abschöpfen und für die Gegenfinanzierung in den Fiskus spülen. Zudem haben „Übergewinnsteuern“ auch noch eine prophylaktische Seite: um sie in vollem Ausmaß zu vermeiden, wäre die Energiewirtschaft gleichsam zu niedrigeren Preissetzungen gezwungen.
Ob und wieweit sich Letzteres einstellt, braucht aber nicht „dem Markt“ überlassen zu werden. Die Energiepreise lassen sich auch schlicht deckeln. Und auch solche Preisdeckeln wurden in verschiedenen Ländern wie Spanien, Portugal, aber auch etwa Ungarn und Frankreich – in durchaus unterschiedlichen Ausprägungen und Varianten – bereits eingeführt.
Zu alledem kommt dem Energiesektor bekanntlich auch eine maßgebliche Rolle bei der Erderwärmung zu. Der unabdingbaren Energiewende zu Regenerativen und einem neuen Energieversorgungssystem kommt daher parallel nicht zuletzt gleichzeitig ein entsprechend fundamentaler Platz im ökologischen Umbau zu.
Was dahingehend die sozialen Aspekte und gesellschaftlichen Dimensionen einer linken Energiewende betrifft, sei neben der notwendigen gesellschaftlichen Aneignung des Energiesektors und der Beendigung der maßlosen gesellschaftlichen Subventionierung der Strom-Größtverbraucher und gegenwärtigen Alimentierung der Sonderprofite der Energiewirtschaft, auf die dahingehenden Konzeptionen von Franz Garnreiter und Christian Zeller verwiesen.
„In emanzipatorischer und ökosozialistischer Perspektive sollte eine Basisversorgung mit Energie Teil der allgemein zugänglichen gesellschaftlichen Infrastruktur sein.“ „Die Energieversorgung muss über ein neues soziales Tarifsystem erfolgen. Dieses bietet den Haushalten ein günstiges und sogar kostenloses Grundkontingent an privat verbrauchter Energie mit progressiv ansteigenden Tarifen bei höherem Verbrauch an.“
(Ch. Zeller)
Denn: Zentral ist es vor allem „den Energiepreis aus dem Marktmechanismus herauszulösen und politisch festzulegen. Eine Energiesparpolitik passt dann gut zu einer linken Verteilungspolitik, wenn man für einen festgelegten Grundverbrauch Niedrigpreise einführt. Das wäre möglich beispielsweise
* über ein Freimengen-Kontingent,
* oder über gestaffelte Tarife, niedrig beginnend und stark steigen,
* oder über die Rückgabe hoher Energiekosten etc.
Das notwendige Gegenstück zum kostengünstigen Grundverbrauch müssen entsprechend höhere und hohe Preise für Mehrverbrach sein. Statt einer einfachen Preiserhöhung geht es also hauptsächlich um ein ganz anders Preisgefüge.“
(F. Garnreiter)
Wann, wenn nicht jetzt, wäre mit einem gesetzlichen Energiepreisstopp für private Haushalte bzw. gesetzlich-administrativ verordneten Höchstpreis pro Kilowattstunde Strom/Gas oder eben „Energiepreisdeckel“ der richtige Zeitpunkt, die Inflationswelle einzudämmen und in eine sozial-ökologische Energie- und Tarifwende einzusteigen.
Um diese durchzusetzen heißt es allerdings, sie nicht nur „sozialpartnerschaftlich“ der seitens der Regierung eingerichteten „Inflationskommission“ zu unterbreiten oder womöglich gar auf innere Differenzierungen in der ÖVP zu hoffen und zu setzen, sondern vielmehr dafür zu mobilisieren, ernsthaften gewerkschaftlichen Druck aufzubauen und in den Kampf zu ziehen.
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