Brütende Hitze, ‚kochende‘ Ozeane, Feuersbrünste, Hitzetote und absehbar menschlich unbewohnbare Teile des Globus

Letzter Dienstag, der 4. Juli, war der heißeste je erfasste Tag weltweit – wie die Gazetten titelten – und schon zwei Tage später durch Donnerstag 6. Juli, als neuem bisher heißesten je erfassten Tag, abgelöst. Der Juni wiederum der heißest seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Hitzewelle zog sich von Kanada, Mexiko und der USA, über Teile Europas, bis nach China und Australien. Und in den nächsten Wochen werden neue Rekordwerte erwartet. Die Erderwärmung mit all ihren dramatischen Folgen schreitet ungebremst rasant voran. Entsprechend erlebte Europa vergangenes Jahr den heißesten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen und die Zahlder Hitzetoten, Waldbrände und Dürren wird weiter zunehmen. Dominierten im Juli letztes Jahr die wütenden Waldbrände und Feuerbrünste die mediale Berichterstattung, so standen heuer zunächst die aus dem Lot geratenen Ozeane und das daraus folgende regelrechte Ersticken der Fische in den „kochenden Weltmeeren“ mit ihren ebenfalls höchsten Oberflächentemperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen im Fokus.

Feuerbrünste

Zur Erinnerung: Die vorjährigen Waldbrände hatten in Europa schon im Juli eine größere Fläche vernichtet als jene des gesamten Jahres davor. Besonders hart traf es in diesen Tagen gerade Spanien und Portugal. In Italien sorgte der parallel ausbleibende Regen für ungekannte Trockenheit und loderte es ebenfalls an allen Ecken und Enden. Aber auch Kroatien, Slowenien, die Slowakei und Bulgarien verzeichneten Hitzerekorde und standen vielerorts in Flammen. Ebenso wie der Südwesten Frankreichs, in dem die horrenden Waldbrände ebenfalls ganze Ortschaften bedrohten, oder Griechenland. Quer durch den Kontinent vertrocknete zudem die Erde. Und selbst das in gemäßigt ozeanischer Klimazone liegende, lange Zeit von extremer Hitze verschonte, Großbritannien hatte erstmals seit dem 17. Jahrhundert die 40 Grad Celsius Grenze gerissen. Zuviel für die vielfach alte, veraltet wie verschlissene und marode Infrastruktur des Landes. Das öffentliche Leben kam in vielen Sektoren schlicht zum Erliegen. Die neoliberalen Zurichtungen der Gesellschaften mit ihren kaputtgesparten Infrastrukturen, mangelnder Resilienz für den Wetterumschwung, zusammengestutzter Feuerprävention, tödlichem Mangel an Katastrophenprophylaxe und Feuerwehrkapazitäten, bis zu überalten wie gesundheitsschädigenden- und gefährdenden Arbeitsschutzregelungen, die auch zunehmend Hitzetodesopfer fordern, tat und tun ihr Übriges dazu.

Und die Zahl extremer Waldbrände wird nach einem Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) zu einer nochmals multiplizierten Normalität. „Bis Ende 2050“, so das Gutachten, „prophezeien Forschende einen Anstieg um 30 Prozent, bis zum Ende des Jahrhunderts werden heftige Waldbrände gar um 50 Prozent zunehmen.“

Aktuell wüten seit Wochen denn auch bereits wiederum Flammeninfernos in Kanada, Australien, Teilen Russlands und Südamerikas, im südlichen Afrika und am Horn von Afrika. In Kanada lodern gegenwärtig 670 verheerende Waldbrände, über 380 davon gelten Behörden zufolge als außer Kontrolle. Die riesigen Rauchschwaden legten sich zunächst auch dicht an dicht über Washington, New York und die US-Ostküste und zogen anschließend bis nach Europa.

Modell Kalifornien?

Und derartige Hitzewellen sowie tagelang wütende, verheerenden Waldbrände werden, wie uns die Klimaforschung seit Jahren ins Stammbuch diktiert, noch drastisch zunehmen. Mit besonderer Wucht zumal in der nördlichen Mittelmeerregion. Ähnlich dem jährlich von regelrechten Feuerbrünsten heimgesuchten Kalifornien, das vergleichbare klimatische Bedingungen aufweist. Und ähnlich derart früh die Wälder in Europa im Vorjahr bereits ausgetrocknet und dadurch noch leichter entflammbar waren, waren die Wälder Kaliforniens zeitgleich bereits so trocken wie herkömmlich erst Ende August. Am US-Bundesstaat zeigt sich wie durch ein Brennglas aber auch die auf die (neoliberale) Markt-Logik gebrachte „Lösung“ nochmals ausgeprägter. Während die einfachen US-Bürger mit der völlig unzulänglichen öffentlichen Infrastruktur vorliebnehmen müssen und ihre Häuser und ihr Hab und Gut Jahr für Jahr im Feuer lodern sehen oder zu brandgefährlicher Selbsthilfe greifen, greifen die reichen Oberschichten schon des Längeren auf eine vor diesem Hintergrund aus dem Boden geschossene, exklusive private Feuerwehr-Industrie zurück, um ihre Anwesen, Residenzen und Wohnviertel zu schützen. Brand- und Katastrophenschutz als Luxusgut – the „American Way of Life“.

Mörderische Vorwarnung 2003

Die brütende aktuelle Hitze und bereits ungezählte Hitzetoten erinnern neben dem Vorjahr viele an das außergewöhnliche Jahr 2003. In Österreich wurden damals erstmals mehr als 40 Hitzetage (Tage mit einem Temperaturmaximum von mehr als 30 Grad) verzeichnet. Das Zentrum des (in den Folgejahren noch überbotenen) „Jahrtausendsommers“ lag seinerzeit freilich in Frankreich, das Abertausende Hitzetote zu beklagen hatte. Aber auch in Italien, Spanien, Griechenland, Großbritannien und den Niederladen fielen Tausende den extremen, für viele regelrecht mörderische Sommertemperaturen zum Opfer. Die Leichenhallen in Paris waren damals dermaßen schnell voll belegt, dass man sogar Großmarkt-Logistikzentren des Lebensmittelhandels oder Eislaufhallen zu temporär zusätzlichen Leichenhallten umfunktionierte. Österreich kam zwar glimpflicher davon. Aber auch in Österreich gab es seither bereits Jahre mit mehr Hitzetoten als Straßenverkehrsopfern. Zumal in Hitzewellen, vor allem im urbanen Raum, vielfach die Nachttemperaturen nicht mehr richtig absinken. Bei nächtlichen Temperaturen von 20, ja 25 und mehr Grad (wie in Wien) lassen sich die Wohnräume auch durch nächtliches Lüften nicht mehr absenken und hält die extreme Hitzebelastung Tag und Nacht an. Zwar sind Tropennächte, aufgrund der städtischen Wärmeinseleffekte, in denen die Temperatur nicht mehr unter 20 Grad abkühlt in Österreich „heute noch ein Stadtphänomen“, wie Helga Kromp-Kolb detaillierter ausführt. Aus den Klimaszenarien ergibt sich aber eindeutig, dass in den „wärmsten Regionen Österreich“ auf breiter Front, wenn nicht radikal umgesteuert wird, perspektivisch „30 Tropennächte pro Jahr normal“ sein werden, sprich: „auch die ländlichen Regionen im Flachland und den alpinen Tälern davon betroffen“ sein werden.

„Wegen der Zunahme der Hitzebelastung durch den Klimawandel und dem gleichzeitigen Anwachsen der Städte“, so nochmals Helga Kromp-Kolb, „werden in Zukunft deutlich mehr Menschen von der Hitzebelastung betroffen sein als heute“. Und diese ist zu alledem auch nicht sozial indifferent, also „auch nicht gleichmäßig auf die Menschen verteilt. Ärmere Bevölkerungsgruppen sind deutlich stärker davon betroffen. Diese leben häufig in dicht verbautem Gebiet ohne nennenswerte Grünflächen. Diese Gebiete heizen sich untertags besonders stark auf. Gleichzeitig leben sie in älteren Häusern, die nicht oder nur schlecht isoliert sind.“ Als ob dem nicht schon genug, werden die Hitzewellen auch häufiger und extremer. Entsprechend rechnen Wissenschaftler der Weltwetterorganisation (WMO) und ihres Umfelds, teils auch schon für heuer, vielfach auf jeden Fall aber für 2024 mit einem neuen Rekordjahr der globalen Temperatur.

Und ein Blick über den Tellerrand macht zudem deutlich, dass bereits heute etwa 30% der Weltbevölkerung unter zeitweise sengenden Extremhitze von über 35 Grad betroffen sind, die teils bis an die Grenzen des für menschliche Körper verkraftbare reichen und Arbeitstätigkeiten schlicht lebensgefährlich bis unmöglich werden. Aber während etwa Gewerkschaften weltweit, in Österreich namentlich beispielsweise die Bau-Holz, ab bestimmten unzumutbaren Temperaturen Hitzefrei oder zumindest gesonderte Schatten- und Trinkpausen ab bestimmten Temperaturen fordern, hat der Bundesstaat Texas, dessen Süden zuletzt gerade unter gleisenden Temperaturen von 45 Grad litt, gerade per Gesetz die Abschaffung der 10-minütigen Schatten und Trinkpausen für Bauarbeiter – die ja schon bei deutlich weniger Hitze weder in den Schatten flüchten, noch eine Klimaanlage aufdrehen können –, auf den Weg gebracht. The „American Way of Life“ Teil II.

Umbruch mit drastischen Folgen

Der Dramatik entsprechend schreibt der bekannte Klimaforscher Hans J. Schellnhuber: Vor rund 250 Mio. Jahren „zum Beispiel erwärmte sich das Klimasystem um fünf Grad – über Zehntausende Jahre hinweg, also sehr viel langsamer als heute. Damals wurde dennoch die ganze Biosphäre umgekrempelt“, was zum schlimmsten Massensterben der Erdgeschichte führte (im Zuge dessen 95% aller Landlebewesen und 75% aller Meeresbewohner ausstarben). „Was heute“ – innerhalb eines bzw. zweier Jahrhunderte – „geschieht, gleicht … tatsächlich einem kollektiven Suizidversuch.“ Bei einem derartigen Klima-Umbruch „würden in manchen Weltgegenden Temperatur und Luftfeuchte in einem für den Menschen unerträglichen Maße zunehmen. Da geht es nicht ums Wohlfühlambiente, sondern um das nackte Überleben außerhalb klimatisierter Räume. Körperliche Arbeit auf dem Bau oder in der Landwirtschaft würde dann ganz unmöglich.“

Aber auch in unseren Breiten läuten heute schon die Alarmglocken an zahlreichen Arbeitsplätzen. Und das betrifft beiweilen nicht „nur“ Arbeiten im Freien. Auch etwa Tätigkeiten in Arbeitsräumen oder in Fahrerkabinen markieren breitflächige Hitzepole.

Weite Teile des Globus stehen bereits schlicht vor einer zukünftigen „menschlichen Unbewohnbarkeit“

Und global hat die Hitzezunahme nochmals dramatischer Folgen. Forschungsergebnissen des Max-Planck-Instituts zufolge könnten große Teile Afrikas und des Mittleren Ostens absehbar überhaupt schlicht unbewohnbar werden. Die sommerlichen Temperaturen in diesen Regionen steigen aufgrund klimatischer Faktoren rund doppelt so schnell wie die im globalen Durschnitt. Bereits Mitte des 21. Jahrhunderts könnten die Temperaturen in Nord-Afrika und dem Mittleren Osten nachts kaum mehr unter 30 Grad fallen. Tagsüber ist mit gleisenden Durchschnittstemperaturen von 46 Grad und Mittagstemperaturen bis 50 Grad zu rechnen. Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis gelangt auch das Massachusetts Institute of Technology (MIT): „Innerhalb dieses Jahrhunderts werden Teile der Region des Persischen Golfs bislang unbekannte Phasen tödlicher Hitze erleiden.“ In diesen Regionen würden sonach bis Mitte des Jahrhunderts überhaupt bereits die Kipppunkte „menschlicher Bewohnbarkeit“ überschritten werden.

Umbruch der planetarischen Großwetterlage & hunderttausende hitzebedingte Todesfälle pro Jahr

Die bisherige planetarische Großwetterlage, die heutigen Vegetationszonen der Erdoberfläche, sowie die Tier- und Pflanzenwelt gestalteten sich gründlich um. Sengende Hitze, eine Verschiebung der klimatischen Zonen, der Umbruch jahrtausendelang gewohnter Wettermuster, eine rasante Zunahme von Extremwetterereignissen, ein massiver Anstieg des Meeresspiegels, schwere Überschwemmungen und Stürme, jahrelange Dürren, verschleißende und zerbröckelnde wirtschaftliche und gesellschaftliche Infrastrukturen, sowie ein rigoroses Massensterben von Tier- und Pflanzenarten, ein massenhaftes Dahinraffen von Menschen – Forscher gehen aufgrund des Klimaumbruchs für die Zeitperiode von 2030 bis 2050 von jährlich voraussichtlich etwa 250.000 Todesfällen durch Unterernährung, Hitzestress und Krankheiten aus – und weite Teile künftiger menschlicher Unbewohnbarkeit des Globus wären die Folge.

„Kapitalozän“: Welt retten = Kapitalismus überwinden

Allerdings sind es nicht „die Menschen“ oder „die Gesellschaft“ schlechthin, die für diese Umwälzung, wie wir sie als neuzeitliche Menschen buchstäblich noch nicht erlebt haben, verantwortlich sind, sondern das kapitalistische System. Denn das Verhältnis „Mensch – Natur“ ist nicht sozial indifferent, sondern wird durch das gesellschaftliche Verhältnis „Mensch – Mensch“, also die kapitalistische Produktionsweise bestimmt, in dem die globale Klimakrise in letzter Instanz wurzelt. Gleichzeitig sind es global zurzeit (noch) gerade jene Länder und Regionen, die die Folgen des Klima-Umbruchs bis hin zu Hungersnöten und Wasserknappheit am drastischsten zu erleiden haben, die am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben. Und auch in den Industrieländern trifft der Klimawandel allem voran alte und sozial schlechter gestellte Menschen sowie Bewohner benachteiligter Stadtteile und Orte. Dementsprechend wird das „Anthropozän“ von systemkritischer Seite auch nochmals in die besondere Phase oder aktuelle Etappe des „Kapitalozän“ untergliedert.

So wichtig und unumgänglich daher jeder nur mögliche Beitrag zur Klimarettung ist – und wir können nicht warten! –, bedarf es neben eines sofortigen tiefgreifenden, radikalen Umbaus unseres gesamten Wirtschaftssystem, einschließlich der umgehenden fundamentalen Umstellung der energetischen Grundlagen, einer grundlegenden Mobilitätswende und einer öko-sozialen Neugestaltung der gesamten gesellschaftlichen Infra- bis Wohnstruktur einer Perspektive hinaus über die kapitalistische Profit-Logik. Die Treibhausgasemissionen sind in diesem Zusammenhang und auf diesem Weg ebenso unmittelbar wie drastisch zu reduzieren. Alles im Zuge einer Revolution für das Klima Erkämpf- und Durchsetzbare bildet in dieser Perspektive zugleich materialisierte Grundlagen die unter dem Blickwinkel einer Gesellschaft jenseits der Profit-Logik vielfach beerbt werden können.  

Die Welt nachhaltig zu retten heißt in letzter Konsequenz allerdings nicht weniger, als den Kapitalismus mit seiner Profitlogik, seinem Raubbau an der Natur und seinen umweltzerstörerischen Systemeigenschaften als tiefste Ursache der Klimakrise zu überwinden.

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