Brütende Hitze, Feuersbrünste und Hitzetote: (Klima)Killer Kapital

Die Erderwärmung mit all ihren dramatischen Folgen schreitet ungebremst rasant voran. Dabei wird das Zeitfenster der Klimakrise noch soweit wie möglich zu begegnen bzw. sie zumindest einzuhegen immer kleiner. Entsprechend desillusioniert und offen äußerte sich auch gerade der Präsident des UN-Weltklimagipfels vor dem Hintergrund der historischen Extremtemperaturen und wütenden Waldbrände in Europa zu den „Versprechungen“ von Glasgow: „Viele sind einfach nur Worte, Papier.“ Lodert es weiter, könnten die Feuerbrünste sogar das Inferno des bislang schlimmsten Jahres 2017 übertreffen.

Die heurigen Waldbrände haben in Europa schon jetzt eine größere Fläche vernichtet als jene des gesamten Vorjahrs. Besonders hart trifft es gerade Spanien und Portugal. In Italien sorgt der parallel ausbleibende Regen für ungekannte Trockenheit und lodert es ebenfalls an allen Ecken und Enden. Aber auch Kroatien, Slowenien, die Slowakei und Bulgarien verzeichnen Hitzerekorde und stehen vielerorts in Flammen. Ebenso wie der Südwesten Frankreichs, in dem die horrenden Waldbrände ebenfalls ganze Ortschaften bedrohen, oder Griechenland.Quer durch den Kontinent vertrocknet zudem die Erde. Und selbst das in gemäßigt ozeanischer Klimazone liegende, lange Zeit von extremer Hitze verschonte, Großbritannien hat erstmals seit dem 17. Jahrhundert die 40 Grad Celsius Grenze gerissen. Zuviel für die vielfach alte, veraltet wie verschlissene und marode Infrastruktur des Landes. Das öffentliche Leben kam in vielen Sektoren schlicht zum Erliegen. Die neoliberalen Zurichtungen der Gesellschaften mit ihren kaputtgesparten Infrastrukturen, mangelnder Resilienz für den Wetterumschwung, zusammengestutzter Feuerprävention, tödlichem Mangel an Katastrophenprophylaxe und Feuerwehrkapazitäten, bis zu überalten wie gesundheitsschädigenden- und gefährdenden Arbeitsschutzregelungen, die auch zunehmend Hitzetodesopfer fordern, tun ihr übriges dazu.

Und die Zahl extremer Waldbrände wird nach einem aktuellen Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) zu einer nochmals multiplizierten Normalität. „Bis Ende 2050“, so „Der Standard“ gerade, „prophezeien Forschende einen Anstieg um 30 Prozent, bis zum Ende des Jahrhunderts werden heftige Waldbrände gar um 50 Prozent zunehmen.“

Modell Kalifornien?

Und derartige Hitzewellen sowie tagelang wütende, verheerenden Waldbrände werden, wie uns die Klimaforschung seit Jahren ins Stammbuch diktiert, noch drastisch zunehmen. Mit besonderer Wucht zumal in der nördlichen Mittelmeerregion. Ähnlich dem jährlich von regelrechten Feuerbrünsten heimgesuchten Kalifornien, das vergleichbare klimatische Bedingungen aufweist. Und ähnlich derart früh die Wälder in Europa heuer bereits ausgetrocknet und dadurch noch leichter entflammbar sind, sind die Wälder Kaliforniens aktuell bereits so trocken wie herkömmlich erst Ende August. Am US-Bundesstaat zeigt sich wie durch ein Brennglas aber auch die auf die (neoliberale) Markt-Logik gebrachte „Lösung“ nochmals ausgeprägter. Während die einfachen US-Bürger mit der völlig unzulänglichen öffentlichen Infrastruktur vorliebnehmen müssen und ihre Häuser und ihr Hab und Gut Jahr für Jahr im Feuer lodern sehen oder zu brandgefährlicher Selbsthilfe greifen, greifen die reichen Oberschichten schon des Längeren auf eine vor diesem Hintergrund aus dem Boden geschossene, exklusive private Feuerwehr-Industrie zurück, um ihre Anwesen, Residenzen und Wohnviertel zu schützen. Brand- und Katastrophenschutz als Luxusgut – the „American Way of Life“.

Mörderische Vorwarnung 2003

Die brütende aktuelle Hitze und bereits in die Tausende zählenden Hitzetoten erinnern viele an das außergewöhnliche Jahr 2003. In Österreich wurden damals erstmals mehr als 40 Hitzetage (Tage mit einem Temperaturmaximum von mehr als 30 Grad) verzeichnet. Das Zentrum des (in den Folgejahren noch überbotenen) „Jahrtausendsommers“ lag seinerzeit freilich in Frankreich, das Abertausende Hitzetote zu beklagen hatte. Aber auch in Italien, Spanien, Griechenland, Großbritannien und den Niederladen fielen Tausende den extremen, für viele regelrecht mörderische Sommertemperaturen zum Opfer. Die Leichenhallen in Paris waren seinerzeit dermaßen schnell voll belegt, dass man sogar Großmarkt-Logistikzentren des Lebensmittelhandels oder Eislaufhallen zu temporär zusätzlichen Leichenhallten umfunktionierte. Österreich kam zwar glimpflicher davon. Aber auch in Österreich gab es seither bereits Jahre mit mehr Hitzetoten als Straßenverkehrsopfern. Zumal in Hitzewellen, vor allem im urbanen Raum, vielfach die Nachttemperaturen nicht mehr richtig absinken. Bei nächtlichen Temperaturen von 20, ja 25 und mehr Grad (wie in Wien) lassen sich die Wohnräume auch durch nächtliches Lüften nicht mehr absenken und hält die extreme Hitzebelastung Tag und Nacht an. Zwar sind Tropennächte, aufgrund der städtischen Wärmeinseleffekte, in denen die Temperatur nicht mehr unter 20 Grad abkühlt in Österreich „heute noch ein Stadtphänomen“, wie Helga Kromp-Kolb detaillierter ausführt. Aus den Klimaszenarien ergibt sich aber eindeutig, dass in den „wärmsten Regionen Österreich“ auf breiter Front, wenn nicht radikal umgesteuert wird, perspektivisch „30 Tropennächte pro Jahr normal“ sein werden, sprich: „auch die ländlichen Regionen im Flachland und den alpinen Tälern davon betroffen“ sein werden.

„Wegen der Zunahme der Hitzebelastung durch den Klimawandel und dem gleichzeitigen Anwachsen der Städte“, so nochmals Helga Kromp-Kolb, „werden in Zukunft deutlich mehr Menschen von der Hitzebelastung betroffen sein als heute“. Und diese ist zu alledem auch nicht sozial indifferent, also „auch nicht gleichmäßig auf die Menschen verteilt. Ärmere Bevölkerungsgruppen sind deutlich stärker davon betroffen. Diese leben häufig in dicht verbautem Gebiet ohne nennenswerte Grünflächen. Diese Gebiete heizen sich untertags besonders stark auf. Gleichzeitig leben sie in älteren Häusern, die nicht oder nur schlecht isoliert sind.“ Als ob dem nicht schon genug, werden die Hitzewellen auch häufiger und extremer.

Und ein Blick über den Tellerrand macht zudem deutlich, bereits heute etwa 30% der Weltbevölkerung unter zeitweise sengenden Extremhitze von über 35 Grad betroffen sind, die teils bis an die Grenzen des für menschliche Körper verkraftbare reichen und Arbeitstätigkeiten schlicht lebensgefährlich bis unmöglich werden. 

Der menschenverursachte Klima‚umbruch‘ ist alles andere denn ein gemächlicher Klima‚wandel‘

Gleichzeitig markieren die bereits heute immer spürbareren, tiefen und teils regelrecht wütenden Spuren der Klimakrise erst den Anfang. Zwar liegt die globale Temperatur (mit ihrem Anstieg um rund 1,2 Grad seit 1900) heute bereits höher als jemals zuvor „seit Menschengedenken“. Bei einer weitergehenden Erwärmung sind wir allerdings (wovon die vielfältigen Verheerungen und globalen Plagen dieses Sommers erst einen Vorgeschmack bieten) nicht mehr bloß mit einem sozusagen gemächlichen Klima„wandel“ konfrontiert, sondern stehen an der Schwelle zu einem gravierenden Klima-„Umbruch“ – und zwar einem „eindeutig“ menschenverursachten (wie die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unmissverständlich wie noch nie unterstreichen). Wörtlich formuliert die globale Wissenschaftsgemeinde: „Es ist eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die Landfläche erwärmt hat. Es haben weitverbreitete und schnelle Veränderungen in der Atmosphäre, dem Ozean, der Kryosphäre und der Biosphäre stattgefunden.“

Das geochronologische Zeitalter des Menschen

Dass diese Klimaerwärmung auf menschlichen Einflüssen beruht, ist indes alles andere als eine neue Diskussion. Bereits in den 1930er Jahren wurde von Fachleuten ein Zusammenhang der damals beobachteten Klimaerwärmung mit dem Anstieg des CO2 durch die Industrialisierung diskutiert und sogar schon 1873 hatte der Geologe Antonio Soppani das neue Erdzeitalter, das sich mit der Industrialisierung ankündigte, das „Anthropozoikum“ genannt. Aber erst mit dem ersten ausführlichen UNO Klima-Report 1990 wurde die durch den Menschen verursachte globale Klimaerwärmung, nach vielen Zwischenstufen, weltweit nicht mehr bestritten. Und spätestens seit dem bahnbrechenden Aufsatz des Klimawissenschaftlers und Nobelpreisträgers Paul Crutzen 2002, wird diese neue, menschengemachte erdklimatische Epoche, in welcher der Mensch zum entscheidenden Einflussfaktor auf das Klima wurde, als „Anthropozän“ (das geochronologische Zeitalter des Menschen) bezeichnet.

Um sich die ganze dahinterliegende Dimension des Problems klar zu machen: Wir sind als Menschheit gerade dabei, die uns seit Zivilisationsbeginn bekannte und uns geschichtlich tragende klimatische Epoche zu verlassen und in ein neues Klimazeitalter einzutreten. Die moderne Geschichte der Menschheit (seit der sog. ‚Neolithischen Revolution‘) fällt mit dem Beginn einer Warmzeit vor 11.500 Jahren zusammen, die darüber hinaus auch eine erstaunlich temperaturstabile Klimaepoche, mit lediglichen Schwankungen der globalen Durchschnitts-Temperatur von +/- 0,75 Grad markierte.

Während wir im Alltag Temperaturveränderungen im Auf und Ab des Tagesverlaufs oder über die Jahreszeiten festmachen und uns für Freizeitaktivitäten oftmals das eine oder andere Grad mehr wünschen, handelt es sich bei der mittleren globalen Temperatur um eine klimabezogene Größe. Diesbezüglich muss man sich jedoch klarmachen, dass der Unterschied beispielsweise zwischen natürlichen Eiszeit- und Warmphasen bei im Mittel etwa 4 Grad liegt. Vor diesem Hintergrund versteht man auch erst das berühmte Pariser Klimaziel der 1,5 Grad-Grenze, bis zu der die Folgen noch als „verkraftbar“ gelten. Eine Erwärmung darüber hinaus wird jedoch bereits als „gefährlich“ eingestuft und ein Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur über 2 Grad hinaus, zöge überhaupt regelrecht verheerende, nicht mehr beherrschbare Folgen nach sich. Nichts desto trotz steuert die Welt aktuell auf einen globalen Temperaturanstieg um 3 bis zu 6 Grad (zum vorindustriellen Niveau) allein bis Ende dieses Jahrhunderts hin.

Umbruch mit drastischen Folgen

Entsprechend schreibt der bekannte Klimaforscher Hans J. Schellnhuber: Vor rund 250 Mio. Jahren „zum Beispiel erwärmte sich das Klimasystem um fünf Grad – über Zehntausende Jahre hinweg, also sehr viel langsamer als heute. Damals wurde dennoch die ganze Biosphäre umgekrempelt“, was zum schlimmsten Massensterben der Erdgeschichte führte (im Zuge dessen 95% aller Landlebewesen und 75% aller Meeresbewohner ausstarben). „Was heute“ – innerhalb eines bzw. zweier Jahrhunderte – „geschieht, gleicht … tatsächlich einem kollektiven Suizidversuch.“ Bei einem derartigen Klima-Umbruch „würden in manchen Weltgegenden Temperatur und Luftfeuchte in einem für den Menschen unerträglichen Maße zunehmen. Da geht es nicht ums Wohlfühlambiente, sondern um das nackte Überleben außerhalb klimatisierter Räume. Körperliche Arbeit auf dem Bau oder in der Landwirtschaft würde dann ganz unmöglich.“

Aber auch in unseren Breiten läuten heute schon die Alarmglocken an zahlreichen Arbeitsplätzen. Und das betrifft beiweilen nicht „nur“ Arbeiten im Freien. Auch etwa Tätigkeiten in Arbeitsräumen oder in Fahrerkabinen markieren breitflächige Hitzepole.

Weite Teile des Globus stehen bereits schlicht vor einer zukünftigen „menschlichen Unbewohnbarkeit“

Jüngeren Forschungsergebnissen des Max-Planck-Instituts zufolge könnten große Teile Afrikas und des Mittleren Ostens schlicht unbewohnbar werden. Die sommerlichen Temperaturen in diesen Regionen steigen aufgrund klimatischer Faktoren rund doppelt so schnell wie die im globalen Durschnitt. Bereits Mitte des 21. Jahrhunderts könnten die Temperaturen in Nord-Afrika und dem Mittleren Osten nachts kaum mehr unter 30 Grad fallen. Tagsüber ist mit gleisenden Durchschnittstemperaturen von 46 Grad und Mittagstemperaturen bis 50 Grad zu rechnen. Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis gelangte auch das Massachusetts Institute of Technology (MIT): „Innerhalb dieses Jahrhunderts werden Teile der Region des Persischen Golfs bislang unbekannte Phasen tödlicher Hitze erleiden.“ In diesen Regionen würden sonach bis Mitte des Jahrhunderts überhaupt bereits die Kipppunkte „menschlicher Bewohnbarkeit“ überschritten werden.

Umbruch der planetarischen Großwetterlage

Die bisherige planetarische Großwetterlage, die heutigen Vegetationszonen der Erdoberfläche, sowie die Tier- und Pflanzenwelt gestalteten sich dementsprechend gründlich um. Sengende Hitze, eine Verschiebung der klimatischen Zonen, der Umbruch jahrtausendelang gewohnter Wettermuster, eine rasante Zunahme von Extremwetterereignissen, ein massiver Anstieg des Meeresspiegels, schwere Überschwemmungen und Stürme, jahrelange Dürren, verschleißende und zerbröckelnde wirtschaftliche und gesellschaftliche Infrastrukturen, sowie ein rigoroses Massensterben von Tier- und Pflanzenarten wären die Folge.

„Kapitalozän“: Welt retten = Kapitalismus überwinden

Allerdings sind es nicht „die Menschen“ oder „die Gesellschaft“ schlechthin, die für diese Umwälzung, wie wir sie als neuzeitliche Menschen buchstäblich noch nicht erlebt haben, verantwortlich sind, sondern das kapitalistische System. Denn das Verhältnis „Mensch – Natur“ ist nicht sozial indifferent, sondern wird durch das gesellschaftliche Verhältnis „Mensch – Mensch“, also die kapitalistische Produktionsweise bestimmt, in dem die globale Klimakrise in letzter Instanz wurzelt. Gleichzeitig sind es global zurzeit (noch) gerade jene Länder und Regionen, die die Folgen des Klima-Umbruchs bis hin zu Hungersnöten und Wasserknappheit am drastischsten zu erleiden haben, die am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben. Und auch in den Industrieländern trifft der Klimawandel allem voran alte und sozial schlechter gestellte Menschen sowie Bewohner benachteiligter Stadtteile und Orte. Dementsprechend wird das Anthropozän von systemkritischer Seite auch nochmals in die besondere Phase oder aktuelle Etappe des „Kapitalozän“ untergliedert.

So wichtig und unumgänglich daher jeder nur mögliche Beitrag zur Klimarettung ist – und wir können nicht warten! –, bedarf es neben eines sofortigen tiefgreifenden, radikalen Umbaus unseres gesamten Wirtschaftssystem, einschließlich der umgehenden fundamentalen Umstellung der energetischen Grundlagen, einer grundlegenden Mobilitätswende und einer öko-sozialen Neugestaltung der gesamten gesellschaftlichen Infra- bis Wohnstruktur einer Perspektive hinaus über die kapitalistische Profit-Logik. Die Treibhausgasemissionen sind in diesem Zusammenhang und auf diesem Weg ebenso unmittelbar wie drastisch zu reduzieren. Alles im Zuge einer Revolution für das Klima Erkämpf- und Durchsetzbare bildet in dieser Perspektive zugleich materialisierte Grundlagen die unter dem Blickwinkel einer Gesellschaft jenseits der Profit-Logik vielfach beerbt werden können.  

Die Welt nachhaltig zu retten heißt in letzter Konsequenz allerdings nicht weniger, als den Kapitalismus mit seiner Profitlogik, seinem Raubbau an der Natur und seinen umweltzerstörerischen Systemeigenschaften als tiefste Ursache der Klimakrise zu überwinden.

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