Energiewende war gestern – heute geht’s mit Hurra! in die Sackgasse

Die EU hat sich mit ihren Sanktionen verzockt und in eine Sackgasse manövriert – nur mehr der eingefleischteste Generalstab an den westlichen Schreibtischen des Wirtschaftskriegs gegen Russland bestreitet dies noch. Nicht wenige, teils auch Gewerkschaften, hatten davor gewarnt. Posaunte man vor Kurzem noch mit brustgeschwelltem „Hurra!“ in die Welt, „den Kreml“ in die Knie zu zwingen und zu ruinieren, weichen die hysterisch verkündeten Siegesparolen mehr und mehr bockigen Durchhalteparolen. Nachdem nun auch die aus „humanitären Gründen“ als politisch „saubere“ Alternativlieferanten auserkorenen Kandidaten für Energieträger – wie das berüchtigte Sklavenarbeiter-Emirat und Al-Kaida Finanzier Katar oder das reaktionäre Scheichtum Saudi-Arabien – abgewunken und die kalte Schulter gezeigt haben, beherrschen überhaupt Verzichtsparolen und eine von Panik gekennzeichnete Umkehr in der Energiewende das Terrain.

Saudi-Arabien hat bereits vor längerem und jüngst gegenüber Joe Biden von Neuem klargestellt, dass es weder gewillt ist westlichen Wirtschafts- und Weltordnungskriegen zu sekundieren und auf westliches Geheiß doch endlich „die Hähne stärker aufzudrehen“, noch überhaupt in der Lage zu sein, die gewünschten Fördermengen des europäischen Öl- und Gas-Kriegs gegen Russland abzudecken. Auch Katar hat gerade einmal mehr erklärt, mit seiner Gasförderung bereits am Limit zu sein und dass diese zugleich überwiegend vertraglich langfristig gebunden ist. Allenfalls Peanuts-Volumen könne man umlenken. Gegen den weiteren Gasgroßproduzenten Iran wiederum sind aktuell selbst (noch) Sanktionen verhängt und gilt das Land dem Westen (seit 1979) bislang ohnehin seinerseits als Paria- und „Schurkenstaat“ par excellence, der seit 2018 denn auch seinesteils aus dem SWIFT ausgeschlossen ist. Auch die letzten Meldungen von der Gasfront, aus dem „OPEC plus“-Mitglied Nigeria, mit seinen neuntgrößten Weltgasreserven, wird bald das Schicksal der bisherigen vorschnellen „Erfolgsmeldungen“ aus dem Nahen Osten und Nord-Afrika ereilen. Und Norwegen, noch vor wenigen Jahren als „Strombatterie“ Europas gehandelt, ist ebenfalls schon am Limit und rechnet mittlerweile sogar selbst mit eigenen Energiesorgen in den kommenden Monaten.

Wie die EU lernte, das US-Fracking-Gas zu lieben

Statt russischem Erdgas aus räumlich relativ naher Förderung und modernsten wie verlustärmsten Pipelines, stellt man die EU nun auf Flüssiggas (allen voran) aus den USA um. Lucas Zeise brachte die westliche Posse um Nord Stream 2 und den politischen Boykott der Inbetriebnahme der Gaspipeline jüngst treffend auf den Punkt: „Es war reine Idiotie, die zweite Gasleitung durch die Ostsee erst zu genehmigen, sie gegen den Widerstand verschiedener US-Regierungen durchzuboxen, sie zu bauen und nun, da sie fertig ist, als Investitionsruine nicht zu benutzen und das von Gasprom angebotene reichliche Gas zu verweigern.“ Die US-Fracker hingegen ließen sogleich die Sektkorken knallen, denn der boomenden US-Frackingindustrie fehlten bislang ausreichende Absatzmärkte für dieses extrem umweltverschmutzend gewonnene und teurere Fracking-Gas, das zum Export – anders als Pipelinegas – erst komprimiert und verflüssigt und in Spezialterminals auf Spezialtankschiffe verladen und auf ebensolchen Spezialterminals entladen bzw. wieder entspannt werden muss, bevor es in die Rohrnetze eingespeist werden kann. Europaweit sind denn auch milliardenschwere Bauprojekte zusätzlicher LNG-Terminals für Flüssigerdgas angekündigt. Zumindest einen Eintrag ins Handbüchlein für Kuriositäten hat sich in diesem Zusammenhang freilich auch die österreichische Industriellenvereinigung mit ihrer Forderung, die Gasreserven im Weinviertel mittels Fracking zu fördern verdient. Freilich mit dem neuesten US-Trend des „Re-Fracking“ mit Turbo-Booster könnte ein solches Löcher-Bohren in Mistelbach oder Gänserndorf nicht ganz mithalten.

Wer glaubt, dies sei dem eskalierenden Ukraine-Konflikt gemünzt, liegt indessen schief gewickelt. Schon vor exakt 5 Jahren (im August 2017) schrieb beispielsweise Sahra Wagenknecht: „Die neuen Sanktionen der USA gegen Russland zielen vor allem auf europäische und deutsche Unternehmen. Gerade die Gaspipeline und die Leitung Nord Stream 2 will man damit treffen. Statt mit russischem Gas soll Europa künftig vorrangig mit teurem und dem ökologisch katastrophalen Fracking-Gas aus den USA versorgt werden. Die US-Sanktionen sind daher nichts weiter als die Anbahnung eines Riesengeschäfts für die US-Fracking-Konzerne.“ Und Washington macht mit dem PEES-Act 2019 sowie dem PEESCA Sanktionsgesetz 2021 und dem darauf aufruhenden Sanktionskampf gegen am Fertigbau der Pipeline beteiligten Firmen und Personen auch ernst. US-Senator Ted Cruz versandte parallel Drohschreiben. Deutschlands damaliger Außenminister Heiko Maas beschwerte sich seinerzeit im Namen Berlins noch an die US-Adresse gerichtet: „Kein Staat hat das Recht, Europas Energiepolitik mit Drohungen zu diktieren.“ 24 der 27 EU-Staaten legten 2020 sogar noch förmlich Protest gegen die „wirtschaftliche Kriegserklärung“, wie sich das außenpolitische grüne Urgestein Jürgen Trittin äußerte, ein. Maas‘ Nachfolgerin Annalena Baerbock hingegen erstattete mit letztlichem Abnicken durch Olaf Scholz erfreut Vollzugsmeldung. ‚Europäische Energiesicherheit gekappt! Transatlantischer Vasallen-Stoßtrupp meldet gehorsamst Vollzug!‘, wäre man fast geneigt zu formulieren.

Brüssels „Green New Deal“: Mit Kohlekraftwerken dem Klima einheizen

Ja, man steigt nach dem Kohleausstieg teils sogar wieder auf Kohle, der mit Abstand schmutzigsten aller Energiequellen, um und schraubt die Laufzeiten der Kohlekraftwerke wieder nach hinten. Nachdem man allerdings auch die Kohle des „russischen Bären“ boykottiert, schippert die EU diese – spiegelverkehrt zum US-Flüssiggas – nun aus dem anderen Ende der Welt, aus Australien (dem global viertgrößten Kohleförderer und lange Zeit größten, aktuell zweitgrößten Hartkohleexporteur) heran. Schon allein der CO2-Ausstoss der dafür in See stechenden Ozeanriesen ist klimapolitisch mörderisch. Die Premium-Frachter der mit Schweröl betriebenen Schiffe, stoßen vielfach selbst im Jahr mehr CO2 aus als die meisten Kohlekraftwerke. Auch in Deutschland wackelt der erst vor wenigen Monaten von 2038 auf 2030 vorgezogene Kohleausstieg. Vollgespickt mit Kriegsrhetorik, Durchhalteparolen und energiepolitischem Geschwafel sollen wieder mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen. Dabei fußt die Kohleverstromung unseres Nachbarn dazu noch vorwiegend auf Braunkohle, der schlimmsten CO2-Schleuder überhaupt, und ist Berlin trotz eingeleiteter Energiewende Weltverbrauchspitzenreiter bei Braunkohle. Zwar aufgrund des heimischen Energiemix freilich von anderer Dimension, rüstet gleichviel auch die österreichische grüne Umweltministerin Leonore Gewessler zur Wiederinbetriebnahme des vor zweieinhalb Jahren „endgültig“ stillgelegten letzten (Stein-)Kohle-Kraftwerks Mellach auf (das vor seiner Abschaltung noch zu den größten Verursachern von Treibhausgasen im Land zählte). Für den Wirtschaftskrieg gegen Russland werden halt auch die ältesten Schlachtrosse und Reservisten aus dem Ruhestand gerufen und eingezogen.

Wiederaufwertung und ökologischer Persilschein für die Atomenergie

Last but not least wurde Atomenergie mit dem sogenannten Taxonomie-Beschluss des EU-Parlaments zur „nachhaltigen Energiequelle“ erhoben. Die zu jedem Zeitpunkt drohenden weiteren Kernschmelzen in den Atomstromern, sowie das Gefahrenpotential und die nach wie vor offenen Unklarheiten der Zwischen- und Endlagerungen des radioaktiven Abfalls, tun dabei eben so wenig zu Sache, wie das nochmals gestiegene Risiko aufgrund des besorgniserregenden Zustands der Atommeiler, ihres Alters, veralteten Materials, sowie zum Teil bereits aufgetretener Risse in Reaktorbehältern. Entsprechend sind im Atomkraftland Frankreich derzeit auch mehr als die Hälfte der 56 Atomkraftwerke zur Wartung und wegen technischer Probleme abgeschaltet. Weitere Atommeiler wurden und werden aufgrund der Hitzewelle und damit einhergehender Kühlwasserprobleme begleitend auf ein minimales Lauf- und Leistungsniveau heruntergeregelt und die Kühlvorschriften „vorübergehend gelockert“. Die oliv-grünen Schreibtisch-FeldwebelInnen Habeck, Baerbock, Hofer und ihre regionalen AdjudantInnen wiederum schließen exakte 20 Jahre nach dem deutschen Atomausstiegsbeschluss mit Abschaltdatum Ende 2022 selbst für Deutschland eine Laufzeitverlängerung der letzten drei Kernkraftwerke nicht aus. Einzig der Nachschub an Brennelementen bereitet Kopfzerbrechen, stammten zuletzt immerhin rund 20% des Urans aus Russland und weitere etwas über 19% von seinem Verbündeten Kasachstan. Die französische Malaise wird derweil aus deutscher Braunkohleverstromung abgefedert.

Dass die Atomkonzerne und Atomlobby angesichts der dringend anstehenden CO2-Reduktion versuchen, die Kernenergie in einem rigorosen Greenwashing noch für Jahrzehnte als „alternative“ Energiepolitik stark zu machen und die Gunst der Stunde als Kriegsprofiteure zu nutzen, ist aus profitlogischer Perspektive freilich folgerichtig. Denn AKW-Strom ist für die Betreiber (nicht die Gesellschaft) fast unschlagbar profitabel. Aber katastrophal. Dass den Atomstromern unter dem fälschlichen Namen eines „ökologisch und zur Unabhängigkeit des Westens unverzichtbaren Energiemix“ der Persil- und Garantieschein zur langfristigen und politisch störungsfreien Laufzeit bis zum letzten Quäntchen ausgestellt wird, ist hingegen ein Schlag ins Gesicht.

Mag sein, dass in künftigen Dekaden einmal die Kernfusion (nicht Kernspaltung) beherrschbar scheinen will, aus der man nicht nur bedeutend größere Mengen an Energie gewinnen könnte, sondern dies auch ohne die Umwelt nennenswert zu belasten, weil kaum radioaktive Abfälle entstehen und auch keine Treibhausgase ausgestoßen werden. Aber das ist heute bestenfalls Zukunftsmusik. Die technische Beherrschbarkeit der Kernfusion hat sich bisher jedenfalls als so widerborstig erwiesen, dass nicht wenige Experten ironisch von der „Fusionskonstanten“ sprechen: nämlich einem sich alle 30 Jahre erneuernden 30 Jahre Zeitrahmen bis zur Verwirklichung von Fusionskraftwerken.

Bis dahin und bis zu genügend erneuerbarer Energie können, so von Brüssel über Paris und Berlin bis Wien, die Arbeitenden und Massen im „wertebasierten“ Weltordnungskrieg des „kollektiven Westens“ ja auch einmal die Zähne zusammenbeißen, den Gürtel für eine Weile enger schnallen und wir die Klimakrise weiter befeuern.

Bildcredit: Belchatow_IwonaOlchczyk_Pixabay

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