Folgenden Antrag wird KOMintern bei der 173. Generalversammlung der Arbeiterkammer Wien zum Themenkomplex Klimawandel und der sozialen und ökologischen Krise einbringen.
Landauf, landab wird in einer neuen Eindringlichkeit über den Klimawandel und Umweltprobleme debattiert.
Und zweifelsohne, der Kampf gegen die Klimakrise bedarf eines tiefgreifenden, radikalen Umbaus unseres gesamten Wirtschaftssystems, einschließlich der fundamentalen Umstellung der energetischen Grundlagen, einer grundlegenden Mobilitätswende und einer öko-sozialen Neugestaltung der gesamten gesellschaftlichen Infra- bis Wohnstruktur.
Zugleich müssen die CO2 Emissionen bis 2030 halbiert werden, ansonsten fallen Strafzahlungen zwischen 6 – 10 Mrd. Euro an. Dazu gibt es bis dato allerdings noch keinen Plan. Zu Recht stellte die Arbeiterkammer im Zuge des AK-Klimadialogs hierzu grundsätzlich fest: „Wir müssen in den Klimaschutz investieren, statt Strafzahlungen zu riskieren.“
Um aber dafür Sorge zu tragen, dass die Beschäftigten in diesem unumgänglichen Umbau nicht unter die Räder kommen, bedarf es unter gewerkschaftlicher Perspektive freilich eines unaufkündbaren Gleichgewichts aus Ökologie und Sozialem. Jeder Versuch, die tiefe, ineinander verwobene Einheit der ökologischen und sozialen Frage auseinanderzureißen, sich nur auf eine Seite von beidem zu stellen oder sie gar gegeneinander auszuspielen, führt in die falsche Richtung.
Hinzugesellen sich ökonomisch nochder „normale“ zyklische, krisenhafte Verlauf kapitalistischen Wirtschaftens, sowie die zeitlich länger gestreckten Wellen des Aufstiegs und Niedergangs von Industriebereichen bzw. Branchen und deren jeweilige Strukturkrisen.Darüber hinaus stehen heute mit der „Industrie 4.0“ genannten Digitalisierung zudem noch zusätzliche Umbrüche und Strukturverschiebungen in der Arbeitswelt vor uns.
Wege aus der Zangenkrise
Dieser sozial-ökologischen Doppel- oder Zangenkrisekönnen Gewerkschaften und AK daher auch nur in einer entsprechenden eigenständigen Strategiebildung gerecht werden, die sowohl ihre Schutzfunktion wie ihre politische Gestaltungsfunktion in diesem Transformationskonflikt aktiv zur Geltung bringt. Das aber verlangt, in seiner gesamten Tragweite betrachtet, nach umfassenden, eigenen, zukunftsweisenden Konzepten der wirtschaftlichen, ökologischen und verteilungspolitischen Umstrukturierung und gesellschaftlichen Umwälzung. Konservative, rein bewahrende gewerkschaftspolitische Positionen in Industrie- und Wirtschaftspolitik hingegen, werden der Komplexität nicht gerecht. Es geht vielmehr um nötige Konversionen (Umstellung auf alternative Produkte und Produktionen) bis hin zu Fragen der gesellschaftlichen Entscheidung und Verfügung über unsere Lebensbedingungen, die Produktions- und Investitionspolitik, sowie der gesamten Produktionsweise.
Allerdings hinken AK und ÖGB, trotz zunehmender allgemeiner Einsicht in die Bedeutungsschwere der Frage sowie wegweisender Expertisen und Ansätze im Einzelnen, diesen Anforderungen insgesamt noch weit hinterher. Ja, schon die naheliegendste Sofortantwort auf diese Krise(n), nämlich eine radikale Arbeitszeitverkürzung, harrt bisher der Durchsetzung. Und während Gewerkschaften anderer Länder, allem voran des globalen Südens, die sozial-ökologische Doppelherausforderung der Zeit bereits zum Programm erhoben haben, fristen ökologische Fragen und die Klimapolitik als Feld des Gewerkschaftskampfs hierzulande noch ein – zudem widersprüchliches und uneindeutiges – Schattendasein.
Beispiel CO2-Steuer
Natürlich sind (Lenkungs-)Steuern auf Treibhausgas-Emissionen ein Beitrag zur Klimapolitik. Die bisherigen (Haupt-)Konzeptionen einer CO2-Steuer als allgemeiner Steuer, die alle formal gleich trifft, würde aber vor allem die Armen, einfachen Arbeiterhaushalte und die breite Bevölkerungsmehrheit treffen, während sie von den Reichen leicht aus der Portokasse beglichen werden kann.In dieser Form würde sie also die ohnehin bereits immer stärker auseinanderklaffende Einkommensverteilung weiter verschärfen.Zudem nimmt sie die eigentlichen, wirtschaftlichen Verursacher der Klimakrise dabei kaum ins Visier.Ein solcher Ansatz wäre daher auch ein falscher Weg.Allerdings ließen sich derartige verteilungspolitisch inakzeptable Wirkungendurch feinere, differenziertere steuerpolitische Ausgestaltungen auch vermeiden bzw. korrigieren.Gewerkschaften und AK sind somit dringend aufgefordert, eigenständige und sozial tragfähige Ökosteuer-Konzeptionen auszuarbeiten, in die Debatte einzubringenund um deren Durchsetzung zu kämpfen.Und gleichzeitig muss es gesellschaftlich noch viel weitergehen: Schweden bspw. hat bereits seit 1991 eine CO2-Steuer. Wie Analysen der OECD allerdings zeigen, führt diese jedoch lediglich zu einer Emissionsreduktion von 3%. Das zeigt auf: Einzig über marktkonforme Lenkungsinstrumente und eine marktwirtschaftliche Regulierung auf Boden des „Spiels der Preise“, ist dem Klimawandel nicht beizukommen.Dafür braucht es schon eine radikalere Orientierung, die auch vor den Gesetzen des Marktes nichtHalt macht, sondern vielmehr die notwendigen Brüche mit marktwirtschaftlichen Regeln vollzieht.Denn ohne massive (staatliche) Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen resp. gesellschaftliche Planung, wird sich das menschliche Naturverhältnis nicht ins Lot bringen lassen.Ökologische wie soziale Nachhaltigkeit und kapitalistische Profitlogik schließen sich dagegen gegenseitig aus.
Gesamtkonzept, konsolidierte Forderungen und die nötige Konfliktbereitschaft
Das aber heißt: Anstatt Orientierungen auf einen „grün“ lackierten, „sozialpartnerschaftlichen“ Krisenkorporatismus mit den wirtschaftlichen und politischen Vertretern der kapitalistischen Profitlogik, gilt es demgegenüber die ökologischen Herausforderungen auch als grundlegende gesellschaftsverändernde Chance zu begreifen. Dazu braucht es gleichzeitig einen ernsthaften Brückenschlag zu den unterschiedlichsten Bewegungen und vielfältigen Protesten gegen die Klimakrise!
Sowie ein eigenes Gesamtkonzept des notwendigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandels, das den grundlegenden Umbau unserer Wirtschafts- und Lebensweise mit einem unabdingbaren, durchgearbeiteten Sofortprogramm im Einzelnen verknüpft. Um aus der Palette der damit im Zusammenhang stehenden Problemfelder im Land nur einige beispielhaft zu nennen:800.000 Ölheizungen müssen ersetzt werden, die Güter dringend auf die Schiene gezwungen werden. Parallel dazu stellt sich die Frage nach einer Klimamaut für LKWs. Es bedarf eines klimagerechten Hochbaus, u.a. mit Holz statt Beton, Außenrollos, Beschattungen, Fassaden- und Dachbegrünungen etc.,die bis hinein zu Fragen einer entsprechenden Anpassung der Bauordnung reichen.Gleichzeitig braucht es den massiven Ausbau leistbarer Öffis und eine ökologische, thermische Offensive im Wohnsektor sowie in der Industrie in Richtung klimaneutraler Geothermie und Solarthermie. Zugleich ist eine Ökostromoffensive vonnöten, inklusive des Ausbaus der Biogasproduktion (Biomüll, Biomasse aus der Forst- und Landwirtschaft etc.) – hinsichtlich derer etwa auch ‚Wien Energie‘ auf qualitativneue Weise gefordert ist.
Zu vielen dieser Punkte und weiteren Fragen existieren verstreut über die Landes-Arbeiterkammern, die Bundesarbeitskammer, den ÖGB und den unterschiedlichen Fachgewerkschaften auch einzelne Forderungsprogramme und Expertisen. Allerdings ermangelt es AK und ÖGB nach wie vor noch konsolidierter Positionen und einesumfassenden, eigenen, zukunftsweisenden Gesamtkonzepts der wirtschaftlichen, ökologischen und verteilungspolitischen Umstrukturierung und des gesellschaftlichen Umbaus – sowie der dafür nötigen gewerkschaftlichen Konfliktbereitschaft, bis hin zur Fragen der gesellschaftlichen Entscheidung und Verfügung über unsere Lebensbedingungen.
Deshalb beschließt die Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien:
- Die AK Wien setzt sich das Ziel, in der Bundesarbeitskammer und in Kooperation mit den anderen Länderkammern, sowie mit ÖGB und den Fachgewerkschaften ein sozial-ökologisches Gesamtkonzept für Österreich aus ArbeitnehmerInnen-Perspektive zu erarbeiten.
- Die AK Wien leiste Aufklärungsarbeit unter ihren Mitgliedern, dass der sozial-ökologischen Doppelkrise nur auf Boden der dafür notwendigen, gewerkschaftlichen Konfliktbereitschaft beizukommen ist.
- Die AK Wien wirft in diesem Zusammenhang auch die Frage der Verfügung über unsere Lebensbedingungen und der Eigentumsverhältnisse auf.