Iran: Das Letzte was die Protestwelle braucht ist ein „neuer Schah“

Während die Protestwelle im Iran heterogene Klassen, Schichten, Sektoren und politische Kräfte umfasst, die solidarisch über sonstige Differenzen Brücken schlägt, nutzen in Österreich allerdings auch ewiggestrige Schah-Anhänger die Gunst der Stunde. Freilich gab es unter dem Schah, dem in einer Internatsschule am Genfer See sowie einer unter Einfluss französischer Lehrkräfte und Berater stehenden Militärakademie ausgebildeten Potentaten und anglo-amerikanischen Büttel, der viel Aufhebens um seine „europäisch geprägten Manieren“ machte, keine Hijab-Pflicht. Dies jedoch zu missbrauchen, die ehemalige Despoten-Monarchie auch nur ansatzweise zu relativieren, muss von allen solidarischen Kräften auf das Entschiedenste zurückgewiesen werden.

Grotesker Stammbaum, Nazi-Kollaboration und Niederschlagung der „Republik Mahabad“

Hier ist freilich nicht der Ort die Geschichte des Irans, oder auch nur des jahrzehntelangen Schah-Regimes auf dem Pfauenthron, im Detail nachzuzeichnen.Selbst der alberne, angeblich bis auf Kyros zurückweisende, von Reza Pahlawis Vater (einem vormaligen Kommandeur der Kosakenbrigade) schlicht erfundene zweieinhalbjahrtausende alte Stammbaum als dieser sich 1925 auf den Pfauenthron schwang und zum Kaiser ausrufen ließ, kann hier nur als Kuriosität vermerkt werden. Ebenso die Kollaboration des väterlichen alten Kosakenleutnants Reza Kahn mit Nazi-Deutschland 1941, was zum Einrücken der alliierten britischen und sowjetische Truppen in den Süden und Norden des Iran führte. Während der alte Reza von den britischen Truppen ins südafrikanische Exil vertrieben wurde, mündete die Entwicklung unter Einfluss Moskaus am 15. Dezember 1945 in Mahabad unter anderem in einer „kurdische Volksregierung“ unter Ghazi Mohammed, die am 22. Jänner 1946 die berühmte kurdische „Republik von Mahabad“ ausrief. Nach Abzug der Roten Armee im November 1946 wurde diese im Dezember des gleichen Jahres allerdings nach nur knapp 11 Monaten unter dem nunmehrigen Thronnachfolger Reza Pahlawi blutig niedergeschlagen. Auch die Folgejahre waren für die KurdInnen des Irans weiter durch eine blutige Unterdrückung seitens der Armee und Sicherheitskräfte des Schahs unter der Pahlawi-Monarchie gekennzeichnet.

National-demokratische Kräfte und Mossadeghs Programm der Verstaatlichung der Erdölindustrie

Aber einige historische Splitter seien angesichts der Umtriebe der Exil-Anhänger der Schah-Monarchie, des vorletzten „Kaisers“ der Erde, doch festgehalten, um Tacheles zu Perspektiven des Irans zu reden. An die Macht gekommen von Großbritanniens Gnaden, erlangte Kronprinz Mohammad Reza Pahlawi seine Potentaten-Herrschaft durch einen westlich orchestrierten Putsch gegen den national-demokratischen Premier Mossadegh. Denn dieser schickte sich an, die reichlichen Ölquellen des Landes aus dem Griff der internationalen Öl-Multis zu lösen und in die Hände des iranischen Staats zu überführen sowie die Macht des Thronfolgers republikanisch zu beschneiden. Mohmmad Mossadegh verkündete bereits 1944 im iranischen Parlament, dass die iranische Regierung keine Erdölkonzession mehr an ausländische Firmen vergeben und die bestehenden Verträge des unter britischer Vorherrschaft und Ausbeutung stehenden Landes annullieren werde. Seit 1906 wurden die iranischen Ölquellen quasi in Form eines Monopols von Großbritannien ausgebeutet und die Profite fast vollständig von der englischen Ölidnustrie angeeignet. In der alles überragenden Erdölforderstadt Abadan herrschten koloniale Verhältnisse, die bisweilen sogar an ein Apartheitssystem grenzten. Die berühmt-berüchtigte Aufschrift an den Trinkbrunnen: „Nicht für Iraner“, mag als Chiffre dafür stehen. Unter dem Programm Mossadeghs sammelten sich die bürgerlich-demokratischen und umnationale Unabhängigkeit strebenden Kräfte in einem 6 Parteien-Bündnis mit antiimperialistischer Tendenz in der Nationalen Front. Die national-demokratische Befreiungsbewegung erhielt während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg auch einen starken Antrieb. 1951 wurde Mossadegh schließlich Premierminister des Irans und schritt zur Umsetzung seines breit getragenen Programms und verkündete die Verstaatlichung Erdölindustrie, die Förderung der heimischen Industrie und die Auflösung der „Imperial Bank of Iran“. Unmittelbar darauf fanden machtvolle Demonstrationen dafür statt. Bereits seinerzeit unterstützten übrigens auch schiitische Mullahs durch Fatwas – religiöse Rechtsgutachten – die Forderung nach Nationalisierung. Am 19. April 1951 verabschiedete das iranische Parlament schließlich einstimmig das Gesetz zur Nationalisierung der Ölindustrie. Das alarmierte wiederum sowohl die britische wie die US-Regierung aufs äußerste, die daraufhin gemeinsam auf seinen Sturz hinwirkten.

CIA und MI6: Regime Change und Rettung der Monarchie im Iran 1953

Die CIA bekam den Auftrag, unter Brigadegeneral Norman Schwarzkopf (Vater des späteren US-Oberkommandanten im Zweiten Irakkrieg), die Angelegenheit in Kooperation mit den Spitzen der iranischen Armee zu erledigen. Zugleich reiste Geheimdienstmajor Kermit Roosevelt (der Sohn des 1919 verstorbenen Präsidenten Theodore Roosevelt und Leiter des CIA-Dezernats für den Nahen und Mittleren Osten) in geheimer Mission unter falschen Namen nach Teheran. Eine prominente Rolle in dieser Langley-Operation „Ajax“ hatte ebenfalls der bekannte, damalige US-Botschafter im Iran, Richard Helms, inne – zugleich stellvertretender Leiter des Bereichs Verdeckte Aktionen. Großbritannien wiederum schritt zur größten Mobilisierung seiner Flotte seit dem Zweiten Weltkrieg – um, wie man vorgab, „das Leben von Untertanen der Krone zu schützen“. Das britische Empire verhängte mit seiner Seestreitmacht zugleich eine rigorose Seeblockade zur Unterbindung iranischer Ölausfuhren, um die neue Führung des Iran in die Knie zu zwingen. Gleichzeitig wurden iranische Konten im Vereinigten Königreich beschlagnahmt und für Teheran wichtige Importgüter mit einem Embargo belegt. Nachdem Mossadegh einen lediglich der Ausschaltung des britischen Konkurrenten dienenden Deal der USA ablehnte, auf die Verstaatlichung des iranischen Öls zu verzichten und das Land stattdessen „amerikanischer Hilfe zu öffnen“, war sein Schicksal endgültig besiegelt. Am 13. Juli 1953 schrieb die „New York Post“ bereits offen: die Regierung in Teheran werde „noch vor Jahresende fallen, Mossadegh vermutlich durch Armeekreise überwältigt, die besonders enge Bande zu Washington haben.“ Zwar scheiterte der erste Versuch desselben Jahres Mossadegh zu stürzen, und Schah Reza Pahlawi floh Hals über Kopf nach Rom nachdem Hundertausende für Mossadegh auf die Straßen strömten und den Schah als „Verräter“ verurteilten. Aber schon wenige Tage später ließen putschende Generäle, angeleitet von CIA-Agenten und dem britischen MI6 resp. SIS, Panzer in Teheran auffahren. Unter diesem militärischen Schutzschirm der Putschisten sowie einem bezahlten Mob kehrte der Schah umgehend zurück, oder genauer: wurde von der CIA nach Teheran zurückgeflogen, und die gekauften Offiziere, Polizisten und Schlägerbanden einfacher, armer Menschen vollzogen mit ihm an der Spitze den Staatsstreich. Der Leiter der US-Militärmission in Teheran Generals Stewart bekannte später stolz: „Die Gewehre der Soldaten, die LKW und Panzerwagen, in denen sie fuhren, die Fernmeldemittel – das alles hatten wir geliefert. Hätten wir das nicht getan, dann wäre die gegen die USA eingestellte Regierung wohl weiter an der Macht geblieben.“ Mossadegh wurde wegen „Hochverrats gegen die Monarchie“, „Anschlag auf die Krone“ und „Versuchs, die Republik zu proklamieren“ zum Tode verurteilt (was aufgrund seiner ungeheuren Beliebtheit im Lande im Anschluss jedoch in eine mehrjährige Haft und einen darauffolgenden Hausarrest umgewandelt wurde), zwei Minister hingerichtet. Mit der Volksbewegung wiederum wurde drakonisch abgerechnet, das Land von staatlichem Terror überflutet und die Führer der kommunistischen Tudeh-Partei hingerichtet, zahlreiche Mitglieder und AnhängerInnen der Partei für viele Jahre eingekerkert. Die Verstaatlichung der Erdölindustrie wurde dagegen rückgängig gemacht und dem US-amerikanischen Öl-Kapital freier Zugang gewährt. Der Schah wurde wieder an die Macht gehievt und das Land in einen der treuesten Vasallen der USA in der Region verwandelt.

Monarchistische Potentaten-Herrschaft, US-Vasall, Größenwahn und Februar-Revolution 1979

Im Westen wurde der Potentat und Schlächter zeitgleich als Märchenprinz verklärt, der hervorragend Französisch (sogar besser als das Farsi des Volkes) sprach und jedes Jahr zum Skiurlaub seine Villa in Sankt Moritz aufsuchte – was den Illustrierten ob seines üppigen Hofstaats und Boulevardgeschichten zu seiner jeweiligen Schahana seitenlang Stoff bot. Der Herrscher von US-Gnaden deklarierte im Inland derweil: „In diesem Land will ich von niemanden ein Nein hören. Diejenigen, die meine Befehle ablehnen, sind Feinde der Nation. Für sie gibt es entweder im Gefängnis oder auf dem Friedhof Platz. Wir dürfen diesen Leuten gegenüber nicht die geringste Schwäche zeigen, wir müssen sie zerschlagen.“ Und unter dieser eisernen Prämisse führte er auch sein despotisches Regime. Bis hin zu seinem, seinen Größenwahn geradezu plastisch auf den Punkt bringenden Satz: „Die wirkliche Opposition besteht aus mir selbst. Denn ich versuche, zu kritisieren und es besser zu machen. … Die Opposition Seiner Majestät, das bin ich.“ Einzig die Linke und die, neben der Vietnam-Bewegung und den Protesten gegen das griechische Obristenregime, studentischen Anti-Schah-Demonstrationen 1967ff bezogen eindeutig Position gegen den Diktator und US-Büttel.  Zugleich rüstete er das Land mit US-Unterstützung und einem Anspruch auf regionale militärische Vormacht bis zum Horn von Afrika und den Küsten Indiens auf und schloss sich dem mittelöstlichen imperialistischen Militärpakt CENTO an. Auch Japan schnitt bei den Rüstungs- und Waffengeschäften – insbesondere elektronisches Know-how betreffend – ordentlich mit. Ebenso Großbritannien. US-Präsident Lyndon B. Johnson schwärmte von ihm „als den gottverdammt besten Schah, den wir bekommen haben“. Der „König der Könige“, welch Titel er auch trug, führte derweil eine der brutalsten Regentschaften der Nachkriegszeit. Die ungeheure Unterdrückungspolitik gegen jedwede demokratischen Kräfte wiederum ebnete mehr und mehr der islamischen Opposition unter Ajatollah Komeini den Boden. Die kommunistische Tudeh-Partei war schon 1948 verboten worden und steten Repressalien unterworfen. 1975 erließ das Schah-Regime zudem ein Zusatzgesetz, das für die Propagierung des Marxismus-Leninismus als Mindeststrafe lebenslange Haft beinhaltete. Mit diesem wurde auch der Verfolgung von kämpferischen Gewerkschaftern, linken Intellektuellen und StudentInnen die justizielle Handhabe nachgeliefert. Letztlich eskalierten die sozialen und politischen Widersprüche immer mehr und wurde der Schah in einer Volksrevolution der Millionenmassen, die auch durch die blutrünstige kaiserliche Geheimpolizei SAVAK und das Militär nicht mehr niedergehalten werden konnte, hinweggefegt. In Teheran gingen Millionen auf die Straße, die Opposition rief zum Generalstreik auf und die organisierten Streiks legten das Land zwischen August und Dezember tatsächlich schlichtweg lahm. Dieser Bewegung konnten auch Massaker wie jenes des „schwarzen Freitag“ am 8. September 1978 nicht mehr Einhalt gebieten, in welchem Armee-Einheiten zwischen 3.000 bis 4.000 Protestierende mit vollautomatischen Waffen auf dem Jalehplatz hinmetzelten. Dergleichen galt auch für die vom stellvertretenden Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte für Europa, General Robert Huyser, geführten Besprechungen der militärischen „Niederschlagung der Streiks“, zu denen dieser eiligst nach Teheran folg. Die revolutionäre, national demokratische Entwicklung schritt über diese verzweifelten Machterhaltungsversuche mit Wucht hinweg. „Ende des Jahres“, so Eric Hobsbawm, „waren schließlich Millionen auf den Beinen, um gegen das Regime zu protestieren. Die Guerilla wurde wieder aktiv. Die Ölarbeiter brachten mit einem entschieden effektiven Streik die Arbeit auf den Ölfeldern zum Erliegen, die Basarhändler schlossen ihre Geschäfte. Das Land war zum Stillstand gekommen, und die Armee schaffte es nicht oder weigerte sich, den Aufstand niederzuschlagen. Am 16. Jänner 1979 floh der Schah ins Exil. Die iranische Revolution hatte gesiegt.“ In der „bei weitem größte(n) Revolution der siebziger Jahre, die als eine der größten sozialen Revolutionen des 20. Jahrhunderts in die Geschichte“ einging. Eine Revolution die „für die USA ein größerer Schlag war als irgendein anderer Regimewechsel in den siebziger Jahren“.

Vom neuen Ludwig dem XIV. zum Ex-König der Könige den niemand mehr haben wollte

Noch bevor der Schah seine Insignien verlor und das Land in Richtung seiner besagten Villa in Sankt Moritz verließ, äußert er im Stile Ludwig des XIV („Der Staat bin ich“): „Für mich vertrat ich selbst das Volk. Man kann daher sagen, dass durch meine Hände das Volk mich krönt.“ Fast genau einen Monat darauf, am 11. Februar, waren an die 10 Millionen Menschen (ein Viertel der Bevölkerung) auf den Straßen um die Reste des Regimes zu beseitigen. Der ehemalige „Herrscher auf dem Pfauenthron“ lebte danach noch ein Jahr in diversen Exilen. Niemand wollte den Ex-König der Könige, trotz seiner vielfältigen Anwesen in zahlreichen Ländern, haben. Letztlich gewährte ihm – in der Administration nicht unumstritten – die USA sein letztes Ausgedinge. Daraufhin stürmten am 4. November junge Iraner die US-Botschaft in Teheran, nahmen deren MitarbeiterInnen als Geisel, und verlangten die Auslieferung des Schahs. Als dieser im Juli 1980 starb, hatte sich selbst Washington seiner schon entledigt und ihn nach Panama abgeschoben, bevor er in Ägypten als letztem Zufluchtsort einer Kreislaufschwäche erlag. In seinen letzten Atemzügen forderte er, seinen Sohn als rechtmäßigen Erben des Pfauenthrons anzuerkennen.

Das Letzte was die Protestwelle im Iran braucht ist ein neuer Pahlawi, eine neuerliche Geiselhaft in den Händen der USA und Reminiszenzen an den Pfauenthron

Unzweifelhaft, das sich aus der Februar-Revolution letztlich durchsetzende despotisch theokratische Regime Teherans hat die Frauen im Land mit teils mittelalterlichen Gesetzen zu „Bürgern zweiter Klasse“ degradiert. Festgelegt war dies indes nicht. Noch 1982 sah sich die CIA gezwungen zu konstatieren, dass selbst die Tudeh-Partei wieder eine Stärke wie vor dem Putsch gegen Mossadegh erreicht hat. Die Geschichte des Iran schritt bekanntlich blutig darüber hinweg. Aber: das Letzte was der Iran, die iranischen Frauen, die Werktätigen, Arbeiterschaft und Gewerkschaften, progressiven politischen Kräfte und die Linke des Landes, sowie die ethnischen und religiösen Minderheiten brauchen ist ein neuer Pahlawi bzw. eine neuerliche Geiselhaft in den Händen der USA. Letztere versuchen das Land seit seinem Abfall als Washingtons Vasall nicht nur seit 43 Jahren per Sanktionsregime in die Knie zu zwingen, sondern befeuerten unter den US-Präsidenten Jimmy Carter und Ronald Reagan auch den verheerenden, achtjährigen Irak-Iran-Krieg 1980 bis 1988 nach Kräften (konzipiert vom berüchtigten US-Sicherheitsberater Brzezinski, assistiert vom späteren US-Verteidigungsminister Rumsfeld als seinerzeitigem Sonderbeauftragten, persönlich überwacht von CIA-Direktor Casey). Saddam Hussein, so die „National Security Decision Directive 99“ sollte in seinem Großmachtambitionen in einem zugleich als Stellvertreter-Krieg Washingtons geführten Waffengang das Mullah-Regime beseitigen und die Region wieder im westlichen Sinne „stabilisieren“. Und gibt sich der jüngste Pahlawi-Spross auch „geläutert“, das Letzte, wie gesagt, was die iranischen Proteste brauchen ist ein abermaliger Pahlawi, geschweige denn die Reminiszenzen der Exil-Community an die despotische Potentaten-Herrschaft des Pfauenthrons.

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