Weg mit dem Gesinnungsparagraphen 129

Die Geschichte antikommunistischer Verfolgung hat in Deutschland eine lange Tradition. Angefangen bei den Sozialistengesetzen unter Bismarck bis hin zum Verbot der KPD, sehen sich KommunistInnen seit jeher justiziellen Angriffen ausgesetzt. Seit einigen Jahren wird speziell gegen die türkische und kurdische Linke mittels des Paragraphen 129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung) vorgegangen. So aktuell im Prozess gegen drei türkische Antifaschisten vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht.


Die Journalistin Özgül Emre, der Musiker Ihsan Cibelik und der Sozialist Serkan Küpeli wurden nach Paragraphen 129, 129a und 129b StGB angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, das sogenannte „Deutschlandkomitee“ der DHKP-C gebildet zu haben. Gewalttaten oder in Deutschland strafbare Handlungen werden den Angeklagten nicht vorgeworfen, sondern rein ihre politische Gesinnung und angebliche Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Denn die inkriminierte DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front), der sie von der deutschen Staatsanwaltschaft zugerechnet werden, ist in der Türkei und durch Ankaras langen Arm seit 1998 auch in Deutschland verboten. Die Angeklagten sitzen seit Ende Mai letzten Jahres in Untersuchungshaft und werden dort weitgehend isoliert. Auch beim Prozess sitzen die Angeklagten, als martiales Zeichen der deutschen Jusitiz, hinter einer Trennscheibe in einem Glaskasten- eine Maßnahme auf die in Prozessen gegen Rechtsextremisten und auch gegen den NSU verzichtet wurde. Aus Protest gegen ihre Verfolgung aufgrund §129 befinden sich die Angeklagten derzeit im Hungerstreik. Mit der Entfernung der Trennscheibe am 4. Verhandlungstag, konnten sie auch einen ersten kleinen Erfolg gegen die Prozess-Inszenierung erreichen. Gleichzeitig endete der 4. Prozesstag jedoch mit einer polizeilichen Räumung des Gerichtssaales durch den vorsitzenden Richter Bachler – begründet mit der Verlesung einer politischen Erklärung durch die Prozessbeobachterin Eda Deniz Haydaroğlu, die sich zu diesem Zeitpunkt seit 117 Tagen im Hungerstreik befand.

Die Staatsanwaltschaft macht derweil keinen Hehl aus ihrer antikommunistischen Gesinnung. Oberstaatsanwalt Setton wiederholt seit Verfahrensbeginn geradezu gebetsmühlenartig, dass die DHKP-C keine Befreiungsbewegung sein könne, da sie eine kommunistische Ausrichtung habe und damit gegen die »freiheitlich-demokratische Grundordnung« gerichtet sei. Für diese Ausführungen erntete Setton die Kritik, einen großen Teil des historischen antifaschistischen Widerstandes wie die italienischen Partisanen zu diffamieren. Zur politischen und gesellschaftlichen Situation sowie Menschenrechtslage in der Türkei, aus der die Linke am Bosporus ihr Recht auf Widerstand ableitet, verlor er allerdings nur wenige Worte. Es drängt sich unweigerlich der Verdacht auf, dass die BRD ihren NATO Partner Türkei nicht verärgern mag und bereitwillig die Drecksarbeit für diesen erledigt Oppositionelle auch im Ausland zu verfolgen.

Entsprechend heißt es in einer Erklärung der VerteidigerInnen auch: In diesem Prozess geht es, wie in vielen anderweitigen der letzten Jahre, abermals „um die Frage, ob sich die Bundesrepublik Deutschland mit der Verfolgung von Antifaschisten und Sozialisten“ zum „Handlanger einer faschistischen Diktatur in der Türkei macht – und dabei selbst tragende Grundpfeiler demokratischen Rechts aufgibt“ – oder nicht.

§129- Antikommunismus durch die Hintertür

Es ist nicht zum ersten Mal, dass KommunistInnen oder Linke mittels §129 verfolgt werden. Jüngst erst machte die Verurteilung der Antifaschistin Lina E. Schlagzeilen. Fakt ist, dass seit seiner Einführung hauptsächlich linke Gruppierungen mittels dieses „Gummiparagraphen“ kriminalisiert wurden. 1871 in Kraft getreten diente er anfangs zur Verfolgung der SPD, während er in der Weimarer Republik hauptsächlich gegen KPD und Rote Hilfe eingesetzt wurde. In der antikommunistischen Hysterie der Nachkriegszeit diente §129 der Kriminalisierung jeglicher kommunistischer Organisierung und wurde auch speziell gegen die Hausbesetzerszene massiv eingesetzt. Doch was macht den Paragraphen so beliebt bei den Herrschenden und so gefährlich für fortschrittliche Gruppierungen ?

Der Tatbestand erlaubt dem Staat die Verfolgung ohne, dass es notwendig ist eine strafbare Handlung begangen zu haben, denn erfüllt wird er bereits durch die bloße Teilnahme an einer Organisation, oder auch nur durch die Werbung und Unterstützung einer solchen. Die tatsächliche Begehung eines Delikts oder die Vorbereitung eines solchen ist daher keine Voraussetzung um strafbar zu werden, sondern es genügt die politische Gesinnung und die sozialen Kontakte. Der Begriff der „kriminellen Vereinigung“ ist dabei so weit gefasst, dass er ohne weiteres gegen unliebsame politische Gruppierungen eingesetzt werden kann und nicht bloß zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität dient. Aus diesen Gründen ist die Abschaffung oder Novellierung des Paragraphen, sodass er nicht mehr beliebig gegen politische Gruppierungen eingesetzt werden kann, dringend notwendig

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