Vor fünfzig Jahren, am 27. Juli 1953, endete mit dem Waffenstillstand von Panmunjom einer der erbittertsten und blutigsten militärischen Konflikte des 20. Jahrhunderts: Der Koreakrieg 1950 bis 1953. Der erste große „heiße“ Konflikt im Kalten Krieg. Seine Ergebnisse sind bis heute weltpolitisch wirksam. Nordkorea (genauer: die DVRK) selbst steht dabei als wahlweise einmal Teil einer so bezichtigten „Achse des Bösen“, ein anderes Mal als „Schurkenstaat“ punziert, im Fadenkreuz Washingtons und unter harten Wirtschaftssanktionen. Der im März 2003 entfesselte Irakkrieg der USA, warf in Pjöngjang (zumal seit dem schroffen, aggressiven Kurzswechsel Washingtons mit Amtsantritt G.W. Bush’s 2001) denn auch nachdrücklich die Frage auf, ob das Land nicht als nächstes auf der Liste stehe und führte zu einem weitgehend abrupten Stopp des in den 1990er Jahre eingeleiteten Reformprozesses sowie einer Forcierung des nordkoreanischen Raketen- und Atomprogramms zu dessen Existenzsicherung. (Dass Washington in seiner neuerlichen aggressiven Konfrontationspolitik zugleich der sog. „Sonnenscheinpolitik“ Südkoreas, für die deren Präsident Kim Dae-Jung im Jahr 2000 noch mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, eine unmissverständliche Absage erteilte, kann hier nur in Parenthese vermerkt werden. Manch nicht mit der Muttermilch unterm Sternenbanner Gesäugten werden die persönliche öffentliche Abkanzelung Kim Dae-Jungs in Washington im März 2001 und Bush’s unverhüllte Orientierungen auf einen „Regime Change“ noch in Erinnerung sein.) Als nun wiederum die vor sieben Jahrzehnten fast an der Tagesordnung gestandenen bewaffneten Provokationen zwischen Pjöngjang und Seoul am 25. Juni 1950 in den Krieg umschlugen, rückten nordkoreanische Truppen binnen Kürzestem bis vor die Hafenstadt Busan vor und drängten die südkoreanischen und US-Truppen damit auf einen kleinen Brückenkopf im Süden der koreanischen Halbinsel zurück. In der anschließenden Gegenoffensive unter Befehl des Oberkommandierenden General Douglas MacArthur, stießen die US-geführten Truppen im Anschluss über die Demarkationslinie hinaus bis an die chinesische Grenze im Norden (an den Grenzfluss Yalu) vor – was wiederum Peking alarmierte. General McArthur forderte indessen immer nachdrücklicher den Einsatz von Atombomben auf Ziele in Nordkorea (insgesamt auf sage- und schreibe 49 nordkoreanische Städte) sowie eine Ausweitung des Kriegs und der nuklearen Kriegsführung auf China – gegen das, um Peking zu erdrosseln, von Washington bereits unmittelbar nach der Revolution 1949 ein US-Embargos verhängt worden war. Das US-amerikanische Zocken mit einem Atomkrieg brachte die Welt seinerzeit an den Rand eines Dritten Weltkriegs. Der von schweren US-Bombenangriffen und dem Einsatz von Napalm begleitete Krieg zur „Eindämmung des Kommunismus“, kostete neueren, konservativen westlichen Schätzungen zufolge mehr als 4,6 Millionen KoreanerInnen das Leben. Darunter rund 3 Millionen nordkoreanischen ZivilistInnen und etwa 940.000 Soldaten, sowie etwa 500.000 ZivilistInnen im Süden der Halbinsel. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir – gekürzt um das Abschlusskapitel „Die Koreafrage heute“, an dem natürlich schon der Zahn der Zeit genagt hat – in zwei Teilen den hierzu nach wie vor instruktiven Aufsatz des marxistischen Historikers Hans Hautmann „Der Koreakrieg und die USA“ aus den „Mitteilungen“ der „Alfred Klahr Gesellschaft“ Nr.3/2003.
Unter japanischer Kolonialherrschaft
Bis 1895 hatte das chinesische Kaiserreich formal die Oberhoheit über Korea inne und übte dort die Funktion einer Schutzmacht aus. Als Ergebnis der chinesischen Niederlage im Krieg gegen Japan, der 1894/95 zum größten Teil in Korea geführt wurde, erkannte Peking die Unabhängigkeit von Korea an. Die enge Anlehnung des koreanischen Herrscherhauses an das zaristische Russland, das in der Mandschurei seine Einflusssphäre durch die Japaner beeinträchtigt sah, löste den russisch-japanischen Krieg von 1904/05 aus. Nach dem Sieg über Russland zwang Japan Korea einen „Schutzvertrag“ auf (17. November 1905), durch den es Korea innen- und außenpolitisch bereits weitgehend beherrschte. 1907 wurde die koreanische Armee aufgelöst, der Staatsapparat ging in die Hände japanischer Beamter über, der Außenhandel wurde japanisches Monopol. Um den Kampf koreanischer Patrioten gegen die Japaner zu unterdrücken, wurden japanische Gendarmerie und Militär im ganzen Land stationiert. Im August 1910 erfolgte die vollständige Annexion Koreas. In Korea wurde ein Militärgouverneur eingesetzt, in dessen Händen sich die gesamte Macht befand. Korea war damit eine Kolonie desjapanischen Imperialismus geworden. Viele Bauern verloren ihr Land, die Handwerker wurden durch die massenweise Einfuhr billiger Industriewaren ruiniert. Die Entwicklung einer koreanischen Industrie wurde gehemmt; es entstanden lediglich Betriebe der Leichtindustrie und zur Gewinnung von Rohstoffen. Die koreanischen Arbeiter, darunter viele Frauen und Kinder, beutete man brutal aus.
In den 1930er Jahren gingen in der sozialökonomischen Struktur Koreas entscheidende Veränderungen vor sich, die zur Voraussetzung für den Aufschwung der nationalen Befreiungsbewegung wurden. Bis zum Beginn der Verwirklichung seiner Eroberungspläne in „Großostasien“ hatte sich Japan damit begnügt, die Bodenschätze Koreas zu rauben, Reparaturbetriebe und Unternehmen der Leichtindustrie anzulegen. Von 1931 bis 1936 entstanden in Korea mehr als 1.300 neue Unternehmen, denn es war für den japanischen Imperialismus profitabler, die Betriebe, die zumeist Großbetriebe waren, in der Nähe der Rohstoffbasen in Nordkorea anzusiedeln, das über bedeutende Vorkommen an Eisenerz, Aluminium, Kupfer, Nickel, Magnesit, Blei und Gold verfügt. Diese Industriebetriebe dienten nicht der Entwicklung des Landes, sondern waren für expansionistische Zwecke ausgerichtet.
Damit trat ab 1931 auch die nationale Befreiungsbewegung in eine neue Etappe ein. Koreanische Patrioten, unter ihnen der junge Kim Il Sung, führten zahlreiche Kämpfe gegen die japanischen Militaristen, die begonnen hatten, Korea und die Mandschurei als Aufmarschbasis gegen China und die UdSSR auszubauen. 1934 wurde die „Koreanische Revolutionäre Volksarmee“ gegründet, die sich in der Folge eng mit der chinesischen Befreiungsbewegung unter Mao Tse-tung verband. Japan beantwortete den verstärkten Kampf des koreanischen Volkes mit beispiellosem Terror. Tausende Patrioten wurden eingekerkert, alle koreanischen Organisationen aufgelöst. Gleichzeitig verfolgte die Kolonialmacht eine rigorose Assimilierungspolitik. Japanisch wurde Amtssprache, und ab 1942 erfolgte auch der Schulunterricht nur noch in japanischer Sprache.
Während des zweiten Weltkriegs errichteten die Japaner in Korea eine Militärdiktatur und setzten die Wirtschaft des Landes völlig für militärische Zwecke ein. Der größte Teil der von den koreanischen Bauern produzierten Nahrungsmittel wurde requiriert; im koreanischen Volk herrschten Hunger und Seuchen. Partisanengruppen versuchten die Nachschublinien der Kolonialmacht zu unterbrechen und gründeten 1942 in China die „Vereinigung für die Unabhängigkeit Koreas“, deren Wirken innerhalb der nationalen Befreiungsbewegung bedeutungsvoll wurde.
In der Zeit des zweiten Weltkriegs gingen in der sozialökonomischen Struktur Koreas erneut große Veränderungen vor sich. Die in den 30er Jahren begonnene Verschiebung der Proportion zwischen der Leichtindustrie und der Schwerindustrie setzte sich fort. 1943 betrug der Anteil der Schwerindustrie, die sich vor allem im Norden Koreas konzentrierte, an der Gesamtindustrie bereits 49 Prozent; die Anzahl der koreanischen Arbeiter und Arbeiterinnen erhöhte sich auf insgesamt über zwei Millionen. Viele wurden zur Zwangsarbeit nach Japan verschleppt, unter anderem nach Nagasaki, wo der Mitsubishi-Konzern Kreuzer und Torpedoboote für die kaiserliche Kriegsmarine fertigte. Schätzungen zufolge waren 20 bis 25 Prozent der Atombombenopfer Hiroshimas und Nagasakis Koreanerinnen und Koreaner. Um die japanischen Soldaten bei Laune zu halten, wurden Zehntausende koreanische Frauen in die Prostitution gezwungen und als „Frontfreudenmädchen“ missbraucht.
Die Entwicklung 1945 bis 1950
Beim Treffen zwischen Roosevelt, Churchill und Tschiang Kai-schek in Kairo im November 1943 fasste man den Beschluss, Korea nach dem Sieg über Japan als unabhängigen Staat wiederherzustellen. Allerdings sollte, da man die Koreaner für unfähig hielt, sich selbst zu regieren, das Land einer langen Vormundschaft unterstellt werden. Dieser in Kairo getroffenen Entscheidung, die eine 40jährige Vorbereitungszeit auf die Unabhängigkeit vorsah, schloss sich Stalin während der Teheran-Konferenz (28.11. bis 1.12.1943) an. In Jalta (4. bis 11.2. 1945) sprach Roosevelt immer noch von einer 20- bis 30jährigen Treuhänderschaft der USA, Chinas und der Sowjetunion über Korea, aber Stalin meinte, je kürzer die Treuhänderschaft dauere, desto besser sei es, und regte die Zuziehung Englands an. Dies wurde beschlossen.
Es kam aber anders. Nach der Potsdamer Konferenz (17.7. bis 2.8.1945) wurde auf Wunsch des neuen US-Präsidenten Truman der 38. Breitengrad in Korea als Linie festgelegt, nördlich welcher die Japaner vor den Sowjets kapitulieren sollten, während südlich von ihr die Amerikaner die Kapitulation der Japaner entgegenzunehmen hatten. Tatsächlich besetzte die Rote Armee schon wenige Tage nach dem Kriegseintritt der Sowjetunion gegen Japan am 8. August 1945 das ganze Gebiet nördlich des 38. Breitengrades, während die Amerikaner unter dem General John R. Hodge erst einen Monat später, am 8. September 1945, Südkorea betraten. Wären die Sowjets die „Expansionisten“ gewesen, für die man sie im Westen ausgab, hätten sie in der Zwischenzeit ganz Korea mit Leichtigkeit in ihre Hand bringen können. Sie vertrauten aber – zu Unrecht – auf die Nachkriegszusammenarbeit mit ihren westlichen Alliierten und hielten sich strikt an ihre Verpflichtungen.
Inzwischen waren in ganz Korea nationale Ausschüsse entstanden, in denen neben den Vertretern anderer politischer Richtungen auch die Kommunisten eine Rolle spielten, deren Einfluss unter den Volksmassen durch ihre aktive Teilnahme am Untergrundkampf gegen die Japaner gestiegen war. Am 6. September 1945 hielten die „Volksausschüsse für die Vorbereitung der nationalen Unabhängigkeit“ in Seoul eine repräsentative Nationalversammlung ab und bildeten eine Volksrepublik mit einer Regierung für ganz Korea.
Während sich die UdSSR in ihrer Zone zurückhielt, keine Militärregierung einsetzte, die Landessprache anerkannte und eine koreanische Selbstverwaltung gewähren ließ, betrat General Hodge die koreanische Szene mit dem üblichen Misstrauen hoher amerikanischer Militärs gegen eine linke Volksbewegung, die eine Bodenreform, ein einheitliches Korea und die Entfernung der Kollaborateure forderte. Fünf Wochen lang nahm Hodge von der Regierung der koreanischen Volksrepublik nicht die geringste Notiz. Statt dessen stützte sich seine Militärregierung, die Englisch als Amtssprache dekretierte, auf rechtsstehende Koreaner, die mit den Japanern kollaboriert hatten. Dafür wurde sie von der Volksregierung empört kritisiert. Am 10. Oktober 1945 befahl Hodge die Beendigung von Proklamationen „unverantwortlicher politischer Gruppen“ und erklärte die Aktivitäten des am 20. November 1945 erneut zusammengetretenen Volkskongresses für illegal. Es waren also eindeutig die USA, die schon 1945 jene Schritte setzten, die die Spaltung Koreas herbeiführten.
Nachdem die amerikanischen Behörden in Korea eine für das ganze Land zuständige Regierung beiseite geschoben hatten, unterzeichneten der US-Außenminister Byrnes mit seinen Kollegen Molotow und Bevin in Moskau am 27. Dezember 1945 eine Erklärungüber die Wiederherstellung Koreas als unabhängigen Staat unter einer Viermächte-Treuhänderschaft, die „bis zu fünf Jahre“ dauern sollte. Die Verkürzung des Vormundschaftszeitraums war von der UdSSR durchgesetzt worden, ebenso wie die Vereinbarung über Verhandlungen der russisch-amerikanischen Befehlshaber in Korea über die Errichtung einer provisorischen Regierung. Die Gespräche der sowjetisch-amerikanischen Kommission über deren Schaffung führten zu nichts, weil die US-Militärregierung schon Mitte Oktober 1945 die Rückkehr des weit rechts stehenden Syngman Rhee aus seinem siebzehnjährigen Exil in den USA veranlasst hatten. Rhee genoss vom ersten Augenblick an die Sympathie der koreanischen Kollaborateure und der Militärregierung. Am 14. Februar 1946 wurde unter Rhees Führung ein „Demokratischer Repräsentativrat“ gebildet, dessen Mitglieder politisch so weit rechts beheimatet waren, dass selbst liberale Koreaner ihn boykottierten. Erst ab diesem Zeitpunkt begünstigte die Sowjetunion entschieden den kommunistischen Flügel der Regierungsausschüsse in ihrer Zone, verstärkte ihn durch die Rückwanderung von Koreanern aus der UdSSR und ließ die Bildung einer Verwaltung unter Kim Il Sung zu. Schon im März 1946 führte diese Administration eine Bodenreform durch und gewann damit die Sympathie der Bauern; die Industriearbeiter waren ohnehin schon auf ihrer Seite. Rasch folgten weitere demokratische Reformen: Verstaatlichung von Industrie und Banken, Gleichberechtigung der Frau, Schulreform, Arbeitsschutzbestimmungen, Einführung des Achtstundentages.
Die Haltung ihrer südkoreanischen Marionette Syngman Rhee, der die Volkskomitees gewaltsam auflöste, gaben den USA einen willkommenen Vorwand, von der Moskauer Übereinkunft, die koreanische Frage durch amerikanisch-sowjetische Gespräche zu lösen, abzurücken und die damals von ihnen beherrschten Vereinten Nationen in die Koreafrage hineinzuziehen. Am 17. September 1947 forderte US-Außenminister George Marshall die UN-Generalversammlung auf, Koreas Einigung, die „durch die Unfähigkeit der beiden Mächte, sich zu verständigen“, bisher gescheitert sei, zu bewirken. Dieser Schritt erschien in sowjetischen Augen als gefährlicher Test- und Präzendenzfall für eine mögliche Übertragung auch des deutschen Problems auf die nach Artikel 107 ihrer Charta für die ehemaligen Feindstaaten nicht zuständige UNO. Am 14. November 1947 beschloss die UN-Vollversammlung die Bildung einer temporären UNO-Kommission für Korea, bestehend aus Vertretern Australiens, Frankreichs, Nationalchinas, der Philippinen, El Salvadors, Indiens und Syriens. Die UdSSR, die auf der Einhaltung des Moskauer Abkommens vom Dezember 1945 bestand, erklärte die Kommission für illegal, und als diese am 12. Jänner 1948 in Seoul zusammentrat, verwehrte ihr der sowjetische Befehlshaber in Nordkorea das Überschreiten des 38. Breitengrades.
Die Separatstaatsbildung im Süden und Norden erfolgte nun sehr schnell. Am 20. Juli 1948 wählte die südkoreanische Nationalversammlung Syngman Rhee zum Präsidenten der „Republik Korea“, die – ähnlich wie die BRD 1949 unter Adenauer – den Alleinvertretungsanspruch für das ganze Land erhob. Am 15. August 1948 wurde in Seoul die Republik Korea offiziell proklamiert. Am 9. September 1948 erfolgte in Pjöngjang die Errichtung der „Koreanischen Demokratischen Volksrepublik“ (KDVR); Ministerpräsident wurde Kim Il Sung. Zu Jahresende 1948 zog die Sowjetunion ihre Truppen aus Nordkorea ab, nachdem sie der Volksrepublik geholfen hatte, eine Armee aufzubauen und sie mit Waffen aus Beständen des zweiten Weltkriegs ausgerüstet hatte. Eine Anzahl sowjetischer Militärberater blieb im Land.
Die Amerikaner ließen sich mit ihrem Abzug aus Südkorea mehr Zeit. Er erfolgte erst, nachdem der US-„Vizekönig“ in Ostasien, General Douglas MacArthur, im Frühjahr 1949 die Ausbildung und Kampfbereitschaft der rund 65.000 Soldaten Syngman Rhees für gutbefunden hatte, und wurde bis Mitte 1949 beendet. 500 amerikanische Militärinstrukteure blieben in Südkorea zurück. Die Szene für einen großen Bürgerkrieg zwischen Süd und Nord war vorbereitet