Hans Hautmann: Der Koreakrieg und die USA II 

Der Koreakrieg 1950 bis 1953 war – wie betont – nicht nur erste große „heiße“ Konflikt im Kalten Krieg der die Welt seinerzeit bis an den Rand eines Dritten Weltkriegs brachte, sondern zudem ein beinahe aus dem Bewusstsein getilgtes Gemetzel und Barbarismus des US-Empires. In ihm warf das US-Militär, wenig bekannt, in seinen flächendeckenden Dauerbombardements sogar noch mehr Napalmbomben ab als in Vietnam. Nicht zuletzt auch auf die Ballungszentren des Landes. Die schockierten Berichte einzelner damaliger Journalisten vermögen noch heute zu erschaudern. Ebenso wie der offene US-amerikanische Rassismus gegen die sogenannten „Gooks“ (als „schlitzäugige Untermenschen“ und „Freiwild“). Der seinerzeitige Direktor des „Harvard Center for Korean Studies“ schilderte die nordkoreanische Lage später in den Worten: „Praktisch die gesamte Bevölkerung lebte und arbeitete“ aufgrund der brutalen Kriegsführung „drei Jahre lang in künstlich angelegten unterirdischen Bunkern, um den ständigen Angriffen der US-Bomber zu entgehen, von denen jeder eine Atombombe tragen konnte.“ Nichts desto weniger kostete der zur „Eindämmung des Kommunismus“ geführte Krieg der Führungsmacht des Westens, mehr als 4,6 Millionen KoreanerInnen das Leben. Darunter rund 3 Millionen nordkoreanischen ZivilistInnen und etwa 940.000 Soldaten der DVRK. Der Koreakrieg steht dahingehend zugleich auch sinnbildlich dafür, was es realiter heißen kann, das Gebiet des Gegners wortwörtlich ‚dem Erdboden gleich zu machen‘ oder in „einen Schutthaufen“ zu verwandeln, wie es der damalige US-Luftwaffengeneral Emmett O’Donnell bezeichnete. Ja, so O’Donnell zur späteren, schließlichen Einstellung der Luftwaffenbombardements: „Alles ist zerstört. Nichts Nennenswertes ist stehen geblieben. …Es gab in Korea schlicht keine Ziele [für unsere Bomber] mehr“ – womit wir im II. Teil zum Krieg selbst übergehen.

 

Der Krieg 

Im zweiten Halbjahr 1949 kam es zu weiteren einschneidenden weltpolitischen Veränderungen, die bewirken sollten, dass der Konflikt zwischen Nord- und Südkorea nicht isoliert blieb. Im August 1949 zündete die UdSSR ihre erste Atombombe und durchbrach damit das amerikanische Kernwaffenmonopol. Am 1. Oktober 1949 siegte in China, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde, die kommunistische Befreiungsbewegung unter Mao Tse-tung, der mit dem sowjetischen Ministerpräsidenten Stalin am 14. Februar 1950 einen Vertrag über Freundschaft, Bündnis und gegenseitige Hilfe in Moskau abschloss. Am 7. Oktober 1949 wurde mit der Gründung der DDR dem Gebäude der europäischen Volksdemokratien der Schlussstein eingefügt. Der Weltsozialismus schien in einem unwiderstehlichen Vormarsch begriffen; in den USA und im gesamten Westen erklomm die antikommunistische Hysterie die Stufe eines wahren Paroxysmus. Am 26. Jänner 1950 schloss Washington mit Syngman Rhee einen Beistandsvertrag ab, bezog aber Südkorea nicht in die amerikanische Sicherheitszone in Ostasien ein, die man als „Verteidigungsperimeter“ von den Aleuten über Japan zu den Ryukyu-Inseln mit Okinawa und von dort zu den Philippinen zog. Die Auslassung Südkoreas ergibt nur dann einen Sinn, wenn die USA mit einem Angriff des Südens auf den Norden rechneten und den Süden für militärisch so überlegen hielten, dass man ihn nicht unmittelbar zu unterstützen brauchte. 

Bis heute sind alle historischen Darstellungen des Koreakrieges von der Frage beherrscht, wer am 25. Juni 1950 zuerst angegriffen hat. Die Geschichtsforschung der ehemals sozialistischen Länder ausgenommen wird steif und fest behauptet, dass es Nordkorea gewesen sei. Als Beweis führt man an, dass Seoul schon nach drei Tagen erobert und fast ganz Südkorea bis Anfang August besetzt wurde. Das könne nur dann der Fall gewesen sein, wenn Nordkorea der Aggressor war und das ahnungslose Südkorea überraschte. Fest steht aber, dass das Rhee-Regime seit 1949 permanent von einem „Marsch nach Norden“ redete, ihn sich unter der Illusion des „nach Befreiung vom kommunistischen Joch lechzenden nordkoreanischen Volkes“ als militärischen Spaziergang ausmalte und Auslöser der sich häufenden bewaffneten Provokationen an der Demarkationslinie entlang des 38. Breitengrades in den Wochen vor dem 25. Juni 1950 war. Beide Armeen waren an diesem Tag in voller Kampfbereitschaft, der Norden jedoch an Infanterie um das 1,4fache und an Panzern um das 5,5fache überlegen, ganz zu schweigen von der Moral der Truppe und der Bevölkerung im Hinterland. Wenn man die Frage nach dem „cui bono“ – wem nützt es? – stellt, ergibt sich, dass Tschiang Kai-schek und Syngman Rhee, der eine von der Vertreibung auf Formosa, der andere von innerem Sturz bedroht, zwei Tage nach dem Ausbruch des Konflikts unter US-Schutz gestellt waren und die amerikanischen Pläne für die Aufrüstung des Westens – insbesondere die Wiederbewaffnung Westdeutschlands – enormen Auftrieb erhielten und von den widerstrebenden Franzosen und Briten geschluckt werden mussten. Angesichts des Anstiegs der Arbeitslosigkeit in den USA auf 3,5 Millionen im Jahr 1950 stand die Truman-Administration zudem unter dem Zwang, der amerikanischen Großindustrie die Auslastung brach liegender Kapazitäten und dementsprechende Profite zu garantieren. Genau das ist durch den Krieg, der in der kapitalistischen Weltwirtschaft den „Korea-Boom“ auslöste, erreicht worden. 

Offiziell führte die USA den Krieg mit Nordkorea unter der Flagge der Vereinten Nationen, deren Sicherheitsrat in Abwesenheit des sowjetischen Delegierten am 26. Juni 1950 militärische Sanktionen gegen Nordkorea beschloss und General MacArthur das „UNO-Kommando“ übertrug. Die UNO-Streitmacht bestand zu 90 Prozent aus US-Truppen; die restlichen Verbände kamen aus Australien, Belgien, Äthiopien, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Kanada, Kolumbien, Luxemburg, Neuseeland, den Niederlanden, den Philippinen, der Südafrikanischen Union, Thailand und der Türkei. Die Hauptlast der Kämpfe trugen die Amerikaner und die südkoreanische Armee. 

Der militärische Verlauf des Koreakrieges, der sich in vier Perioden unterteilen lässt, kann hier nur summarisch geschildert werden. Die erste Periode (25. Juni bis 14. September 1950) sah die nordkoreanische Volksarmee im Vormarsch, die die Halbinsel bis auf einen kleinen Brückenkopf bei Pusan einnahm. In der zweiten Periode (15. September bis 24. Oktober 1950) gelang es den US-Truppen, nach der Landeoperation bei Inchon, Seoul zurückzuerobern, Pjöngjang einzunehmen und bis zur koreanisch-chinesischen Grenze vorzudringen. Die dritte Periode (25. Oktober 1950 bis 9. Juli 1951) umfasste den Eintritt der 200.000 chinesischen Volksfreiwilligen in den Krieg, die Vertreibung der Amerikaner und Südkoreaner vom nordkoreanischen Territorium, die erneute Einnahme Seouls im Dezember 1950, dessen Rückeroberung im Februar 1951 und das Erstarren der Front in den Gebieten am 38. Breitengrad. Die vierte Periode (10. Juli 1951 bis 27. Juli 1953), die Zeit der Waffenstillstandsverhandlungen, war durch einen erbitterten Stellungskrieg und massive Luftbombardements gegen die KDVR gekennzeichnet. 

Seine Merkmale und Ergebnisse 

Der Koreakrieg war der erste Versuch des Weltkapitalismus nach 1945, die Herausbildung der sozialistischen Staatengemeinschaft mit Waffengewalt zu verhindern. Er wurde als lokaler Krieg geführt, um eine direkte militärische Konfrontation mit der kommunistischen Hauptkraft, der Sowjetunion, zu vermeiden. In dieser Hinsicht war er die Geburt einer neuen Form der US-Kriegführung, die in der „Theorie des lokalen Krieges“ ihren Niederschlag fand. 

 
Über die politischen und militärischen Möglichkeiten sowie Eskalationsstadien einer solchen Kriegführung kam es innerhalb der herrschenden Kreise und Fraktionen der USA zu heftigen Auseinandersetzungen. Die Kontroverse zwischen Truman und MacArthur, der 1950/51 den Einsatz von Atombomben gegen Ziele in Nordkorea und China forderte und vom Präsidenten entlassen werden musste, war charakteristisch für die Suche der herrschenden Klasse nach einer spezifischen Form der Kriegführung, die angesichts des veränderten internationalen Kräfteverhältnisses den weltweiten Kernwaffenkrieg nach Möglichkeit ausschließen, ihn aber ständig in Rechnung stellen sollte. Der Koreakrieg hatte zur Folge, dass die „Theorie des lokalen Krieges“ zu einem festen Bestandteil der NATO-Strategie wurde und es auch nach dem Verschwinden der Sowjetunion blieb. 
Bei der panikartigen Flucht vor der chinesischen Volksfreiwilligenarmee im November und Dezember 1950 erlitten die US-Streitkräfte die bis dahin schwerste Niederlage ihrer Militärgeschichte. Die KDVR, ein industriell zurückgebliebenes Land mit geringen ökonomischen Möglichkeiten, behauptete sich in einem dreijährigen, opferreichen, schweren Kampf und verteidigte ihre Unabhängigkeit. Zum ersten Mal in der Weltgeschichte zeigte sich ein ehemals kolonial unterdrücktes Land imstande, der mit höchstem technischen Standard und riesigen ökonomischen Potenzen ausgestatteten Weltmacht USA, die die gigantische Summe von 83 Milliarden Dollar für den Krieg in Korea ausgab, nicht nur zu widerstehen, sondern auch deren Einfluss in Asien einzugrenzen. Möglich wurde das, weil die Sowjetunion, China und die anderen sozialistischen Länder fest an der Seite Nordkoreas standen und der KDVR militärische, materielle, diplomatische und politisch-moralische Hilfe erwiesen. Auch die Weltfriedensbewegung, die in den kapitalistischen Ländern unter dem Eindruck des Koreakriegs trotz antikommunistischen Sperrfeuers der Massenmedien einen gewaltigen Aufschwung nahm, trug viel dazu bei, den Kampf des koreanischen Volkes zu unterstützen. 

Scheinbar endete der Koreakrieg mit einem Patt, weil das – bis heute gültige – Waffenstillstandsabkommen den status quo ante bellum mit der Demarkationslinie am 38. Breitengrad im wesentlichen wiederherstellte. Die USA machten aber insofern eine neue Erfahrung, als sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen Krieg ohne Sieg beenden mussten. Das kam angesichts der von ihr angemaßten Rolle des Weltgendarmen einer Niederlage gleich. 

Als der Krieg 1950 ausbrach, waren die USA fest davon überzeugt, ihn mit massenhaftem Einsatz modernster Kampftechnik, mit überlegenen Luft- und Seestreitkräften und mit einer relativ kleinen, aber hochwertigen und völlig mechanisierten Landstreitkraft rasch zu ihren Gunsten entscheiden zu können. Trotz zeitweiliger Erfolge wie im September/Oktober 1950 zeigten sich aber die US-Landstreitkräfte keineswegs allen Anforderungen gewachsen, die der Kriegsschauplatz an sie stellte. Im Vergleich der drei Waffengattungen erwiesen sich die Landtruppen, die die Hauptlast der Kämpfe trugen und die schwersten Verluste erlitten, als das schwächste Glied in der amerikanischen Militärmaschinerie. Obwohl sie an Feuermitteln mehrfach stärker waren und sich auf ein breites, gut ausgebautes Nachschub- und Ergänzungswesen stützen konnten, zeigten sie sich gegenüber den chinesisch/nordkoreanischen Landstreitkräften sowohl im Angriffs- als auch im Verteidigungsgefecht unterlegen. Nur der materiell-technische Vorsprung und die Einwirkung der Luft- und Seestreitkräfte retteten die amerikanischen Landtruppen vor noch größeren Niederlagen und Katastrophen in diesem konventionell geführten Krieg. 

Je länger der Krieg dauerte, desto offener trat für die US-Militärführung ein Problem auf, das ihr in seinem ganzen Umfang anfänglich nicht bewusst gewesen war: der politisch-moralische Zustand der Soldaten. Truppenmoral und Engagement des GI waren in Korea so kläglich wie nie zuvor. Unter den Soldaten breitete sich angesichts der erfolglosen Kriegführung und der politischen Zielsetzung ein „Gefühl der Sinnlosigkeit“ aus, wie das offizielle Generalstabswerk der USA selbst eingestand. Es herrschten Gleichgültigkeit und Defätismus, die in geringem Angriffselan und desorganisierten Rückzügen sichtbar wurden. Im Vergleich zum zweiten Weltkrieg schnellte die Ziffer der Kriegsgerichtsverfahren gegen ungehorsame Soldaten um das Zweieinhalbfache empor. Nicht zuletzt deshalb wurde der Koreakrieg von amerikanischer Seite immer stärker vorwiegend mit Luft- und Artillerieangriffen geführt, wobei der Aufwand an materieller Macht in keinem Verhältnis mehr zu den erzielten militärischen Ergebnissen stand. 

Bei den US-Luftangriffen auf Nordkorea wurden erstmals in großem Umfang Napalmbomben und, wie heute längst nachgewiesen ist, auch chemische und bakteriologische – Anthrax (Milzbrand) erregende – Waffen eingesetzt. Als das eine internationale Wissenschafterkommission, darunter der außerordentliche Professor für Kirchen- und Völkerrecht an der Universität Graz, Heinrich Brandweiner, bei einem Besuch vor Ort in der KDVR feststellte, wurde letzterer von der bürgerlichen Presse in Österreich als „Pestfloh-Professor“ wütend attackiert und gegen ihn eine Kampagne in Gang gesetzt, die ihn in seiner beruflichen Existenz förmlich vernichtete. 

Die drei Jahre der Kampfhandlungen kosteten mehr als einer Million koreanischer Zivilisten [nach neueren westlichen Schätzungen: mehr als 3,5 Millionen, Anm.] das Leben. Nach UNO-Angaben fielen außerdem eine Million Soldaten aus Nordkorea und China sowie 250.000 aus Südkorea und knapp 55.000 GIs dem Krieg zum Opfer. 


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