„Über den deutschen Kolonialismus vor dem Nationalsozialismus kursierte lange Zeit das Vorurteil, es hätte sich dabei um einen Pappenstiel gehandelt im Vergleich zu dem britischen Weltreich, den französischen Überseeinteressen oder den belgischen Gräueln im Kongo“ – so Bert Rebhandl im „Standard“ anlässlich des angelaufenen Films „Der vermessene Mensch“ über den ersten Genozid des 20. Jhd. Die Gräuel, Kolonialverbrechen und der Genozid des deutschen Kolonialismus an den Herero und Nama blieben tatsächlich jahrzehntelang verdrängt, die Aufarbeitung der Verbrechen setzte erst spät ein und verläuft bis heute schleppend. Dabei erfolgte nicht nur die Aufteilung Afrikas unter den europäischen Kolonialmächten auf Einladung des deutschen Kaisers Wilhelm I und seines Kanzlers Bismarck gerade in Berlin, auf der „Kongo-Konferenz“ 1884/85, sondern wurde der Vernichtungskrieg in „Deutsch-Südwestafrika“ (dem heutigen Namibia) sogar der damaligen Öffentlichkeit mit bemerkenswerter Unverblümtheit präsentiert.
„Das deutsche Kolonialimperium war ein Spätstarter, der früh scheiterte. Ab 1884 etablierte sich das Kaiserreich in Afrika, Nordostchina und im Pazifik, im Ersten Weltkrieg verlor es sämtliche Kolonien wieder. Doch gab es ein Davor und ein Danach. Seine Kolonialverbrechen sind nicht vergessen in Namibia und Kiautschou, Kamerun und Tansania, auf Samoa und Neuguinea. Die koloniale Vergangenheit ist nicht tot, sie ist nicht einmal vergangen. Bis 1914 brach der deutsche Kolonialismus drei Kriege vom Zaun. Sein Völkermord in Südwestafrika ist inzwischen wieder präsent, der in Südostafrika wird weiterhin verdrängt“, so Gerd Schumann die staatlich organisierte Kolonialgeschichte und -politik in seinem Buch „Kaiserstraße. Der deutsche Kolonialismus und seine Geschichte“ dieses verdrängte Kapitel verdichtend.
1904: Der Beginn des Kolonialmassakers gegen den Aufstand der Herero und Nama
Die von kolonial-rassistischer Unterdrückung, Landraub, Deportationen und Gewalt gepeinigten und verzweifelten Herero, denen sich die Nama anschlossen, wagten 1904 den Aufstand gegen die deutschen Kolonialherren. Die daraufhin um über zehntausend Mann verstärkte „Schutztruppe“ (welch unsäglicher Euphemismus), eine zu jener Zeit dazu bereits moderne Armee, unter dem Kommando Generalleutnants Lothar von Trotha, reagierte mit brutaler Gewalt: Der kaiserliche Oberbefehlshaber, der den Befehl zu vollständigen Vernichtung der Empörung – ja, der Herero „als solche“ – ausgab, ließ fast das gesamte Volk der Herero in die Wüste jagen und die wenigen Überlebenden in Konzentrationslager und Reservate zur Zwangsarbeit internieren.
Oberbefehlshaber Lothar von Trotha: „Ich glaube, dass die Nation [der Herero] als solche vernichtet werden muss“
Trotha – der im Namen des Kaisers bereits 1896 die Wahehe-Erhebung, ein Aufstand in Ostafrika, blutig unterdrückte und 1900/01 an der Niederschlagung des Boxeraufstands in China beteiligt war – war keine zufällige Wahl. Demgemäß erklärte er auch von sich in kolonialer Herren(menschen)manier: „Ich kenne genug Stämme in Afrika. Sie gleichen sich alle in dem Gedankengang, dass sie nur der Gewalt weichen. Diese Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut … Nur auf dieser Aussaat kann etwas Neues entstehen …“ Weil sich „der Neger keinem Vertrag, sondern nur der rohen Gewalt beugt, … müssen [die Herero] jetzt im Sandfeld untergehen.“
Die Politik von Major Theodor Leutwein, des nun enthobenen Gouverneurs in Deutsch-Südwestafrika 1895 – 1904, galt den herrschenden Kreisen der kaiserlichen Reichsregierung und der Generalität als zu zaghaft. Ihnen galt es nicht „nur“ den Aufstand entschlossen niederzuwerfen, sondern den Krieg bis zur vollständigen Vernichtung des Gegners zu treiben. Dem entsprechend erklärte Trotha in einem Brief an Generalstabschef Alfred Graf von Schlieffen vom 4. Oktober 1904 denn auch: „Gouverneur Leutwein und einige ‚alte Afrikaner‘ … wollten schon lange verhandeln und bezeichnen die Nation der Herero als notwendiges Arbeitsmaterial für die zukünftige Verwendung des Landes. Ich bin gänzlich anderer Ansicht. Ich glaube, dass die Nation als solche vernichtet werden muss …“ Ein Satz, den er in seinem Schreiben gleich dreimal wiederholte.
Der erste Genozid des 20. Jahrhunderts
Demgemäß ließ er zunächst die Dörfer der Herero sowie umherziehende Viehzüchtergruppen angreifen und trieb sie mit der überlegenen Feuerkraft der Deutschen bewusst in Richtung Wüste, ließ das Gebiet der Omaheke-Salzwüste abriegeln und vergiftete die vorhandenen Wasserstellen bzw. unterband anderweitig die Wasserversorgung. Die Kapitulationsangebote der Herero wurden vom neu entsandten Gouverneur Deutsch-Südwestafrikas und Oberbefehlshaber der Truppen Wilhelm II. brüsk abgelehnt. Tausende Herero starben an den von den Deutschen vergifteten Wasserlöchern unter den Augen der sie umzingelnden kaiserlichen Truppen. Abertausende weitere verdursteten mitsamt ihren Familien und Rinderherden in der Ödnis der Kalahari.
„Die Überlebenden mussten ebenso wie gefangene Nama in – bereits damals so benannten – Konzentrationslagern Zwangsarbeit leisten; ein großer Teil von ihnen starb an Hunger und Krankheiten“, wie Anke Schwarzer deren weiteres ‚Schicksal‘ skizziert. „Im verbleibenden Jahrzehnt deutscher Kolonialherrschaft wurden jene, die mit dem Leben davonkamen, enteignet, in Reservate gesperrt, vergewaltigt und zur Arbeit gezwungen. Deutsche Unternehmen und Farmen konnten die versklavten Menschen für ihre Arbeitseinsätze in Minen, auf Weiden und an Eisenbahnlinien ‚bestellen‘.“ Weit über 70.000 Herero (von 80.00 bis 100.000), sprich: bis zu 80% der damals zweitgrößten Stammesgruppe des Landes, fielen dem Kolonialmassaker zum Opfer, dazu etwa 10.000 Nama, mehr als die Hälfte.
Kolonialer Rassismus und Genese(n) am deutschen resp. westlichen Wesen
Vereinzelten moralischen Skrupeln begegnete man im Sinne der kolonialen Topoi. Stellvertretend für jene rassistisch-kolonialistische Denkeinstellung und das westliche Herren-Denken, sei etwa der in Deutsch-Südwestafrika tätige Wirtschaftssachverständige Paul Rohrbach herangezogen, der moralischen Zweifeln an der kolonialen Unterwerfung und ihren viehischen Praktiken entgegnete: Fortschritt entwickle sich, indem man die „afrikanischen Rassen“ der „weißen Rasse“ dienstbar mache, und zwar durch „den Erwerb der größtmöglichen arbeitenden Tüchtigkeit“. Oder wie ein Beamter erklärte: „Mit der deutschen Sprache“ und höchstmöglicher „deutschen Art und Gewohnheit“ können die „Eingeborenen“ zumindest „ein brauchbares Arbeiterelement des Schutzgebietes werden“ – wiewohl die „Experten“ noch stritten, ob „der Neger“ eine Seele hat oder nicht. Diesem Rassismus korrespondierend lässt sich etwa auch eine Eingabe deutscher Siedler zu „unseren Eingeborenen“ heranziehen, dass „es nicht gut möglich (ist), dieselben als Menschen im europäischen Sinne anzusehen“.
Und genau diese Ansicht teilten auch der deutsche Kolonialismus in Afrika und der kaiserlichen Generalleutnant Trotha und spann sich bis in das Kolonialmassaker fort: „Dieser Aufstand ist und bleibt der Anfang eines Rassenkampfes.“
Offen popularisierter Rassismus
Dieser mit der Entstehung des Kaiserreichs und deutschen Kolonialismus ideologiefunktional nochmals Aufschwung nehmende Rassismus fand seinerzeit ebenso etwa in Reise- und Memoirenliteratur seinen Niederschlag und breite Öffentlichkeit. In seinen „Reise- und Kriegsbildern von Deutsch-Südwestafrika“ von 1904 beispielsweise nahm Burkhart Hartmann Axel Freiherr von Erffa in seiner rassistischen Kolonialrhetorik Afrikaner und Afrikanerinnen sichtlich nicht als Menschen wahr und nannte sie wahlweise etwa „Bestien“, „Hunde“ „schwarze Fratzen“. Parallel grassierten Bezeichnungen wie „Kaffern“ oder „Kippkaffern“. In Gustav Frenssens erfolgreichen Machwerk „Feldzugbericht, Peter Moors Fahrt nach Südwest“ von 1906, galten die „Einheimischen“ dem gefeierten rassistischen Schriftsteller des Kaiserreichs und späterem Nazi samt und sonders einfach als einem „Haufen von Feinden“.Dass der 1903 mit einem Ehrendoktor ausgezeichnete Frenssen weinige Jahre zuvor in seinem Roman „Die drei Getreuen“ (1898) die Parole vom „Volk ohne Raum“ prägte, kann hier nur beiher vermerkt werden. Aber, wie wir noch sehen werden, erfreuten sich damals auch Postkarten mit Szenen der deutschen Kolonialgräuel und des Vernichtungskriegs in Deutsch-Südwestafrika unverblümter Beliebtheit.
Rassengesetze, „Reinhaltung der deutschen Rasse“ und weibliche „Rassenschande“
Dementsprechend geprägt waren auch die erlassenen Rassengesetze für „Deutsch-Südwestafrika“. In einem Erlass des „Deutschen Kolonialbundes“ hieß es etwa in Punkt 1 ebenso ausdrücklich wie unmissverständlich: „Jeder Farbige hat einen Weißen als höherstehend zu betrachten“. „Vor Gericht [wiederum, Punkt 2] kann die Beweiskraft eines Weißen nur durch sieben Farbige aufgewogen werden.“ 1905 wurden zur „Reinhaltung der [deutschen] Rasse“ dann „Mischehen“ verboten, 1907 auch bestehende Ehen zwischen Weißen und Schwarzen für nichtig erklärt.
Galten diese mithin um der „Reinhaltung der Rasse“ als geächtet, so galten sexuelle Beziehungen, sexuelle Gewalt und massenhafte Vergewaltigungen von Afrikanerinnen hingegen als üblich – woran sich die vielfach tiefe Verschränkung von Rassismus und Sexismus ablesen lässt. Sprich: dass sich ein Deutscher an einer Frau einer „minderwertigen Rasse“ „vergriff“, wie man es euphemistisch bezeichnete, war durchaus tolerabel, ja, Gang und Gebe. Dass umgekehrt eine deutsche Frau freiwillig ein sexuelles Verhältnis mit einem Schwarzen eingehen könnte, galt nicht nur als geächtet, sondern als gleichsam „rassische Entartung“ dieser. Denn, wie der seinerzeitige Südwestbote dazu dozierte: „Bei normalen Frauen wird der Mann einer anderen Rasse in der Regel ein Gefühl des persönlichen und körperlichen Ekels auslösen. Wer dieses Gefühl nicht kennt, der bekundet damit, ganz abgesehen vom sittlichen Standpunkte, einen unwürdigen Mangel an Rassegefühl. Man wird gewiss sagen können, dass es sich dabei nur um den niederen Abschaum der Weiber gehandelt habe.“
Löbliche Ausnahmen: Zeitgenössischen deutsche Kritiker im heutigen Namibia
Einer der minderheitlichen Kritiker, wie der Missionar Elger, formulierte zur Lage und den Verhältnissen in einem Brief an die Rheinische Missionsgesellschaft: „Die eigentliche Ursache der Erbitterung der Hereros gegen die Deutschen ist ohne Frage die, dass der Durchschnitt der Deutschen hier den Eingeborenen ansieht und behandelt als ein Wesen, welches mit dem Pavian (Lieblingsname für Eingeborene) so ziemlich auf einer Stufe steht. … Daher gilt dem Weißen sein Pferd und sein Ochse mehr als der Eingeborene.“
Derselbe Elger schilderte nach Ausbruch des Aufstands der Herero gegen ihre Peiniger dann die Reaktion der Siedler in düsteren Worten: „Die Deutschen sind erfüllt von einem furchtbaren Hass und schrecklichen Rachedurst, ja ich möchte sagen: Blutdurst gegen die Hereros. Man hört in dieser Beziehung nichts als: ‚aufräumen, aufhängen, niederknallen bis auf den letzten Mann, kein Pardon‘ etc. Mir graut, wenn ich an die nächsten Monate denke.“ Womit er (leider) Recht behalten sollte.
Der Vernichtungsbefehl
Entsprechend dann auch der „Erlass“ den Generalleutnant Lothar von Trotha am 2. Oktober 1904 herausgab: „Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero, mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und keiner Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse sie schießen. Das sind meine Worte an das Volk der Herero. / Der Große General des mächtigen Kaisers v. Trotha“
Und an seine Soldaten gewandt ließ er mitteilen: „Ich nehme mit Bestimmtheit an, dass dieser Erlass dazu führen wird, keine männlichen Gefangenen mehr zu machen.“ Die Truppen steigerten damit einhergehend ihren Offensivkrieg zum offenen Genozid. Ein Augenzeuge berichtete dazu: „Nach der Schlacht wurden alle Männer, Frauen und Kinder ohne Gnade getötet, die, ob verwundet oder nicht, den Deutschen in die Hände fielen. Dann verfolgten die Deutschen die übrigen, und alle Nachzügler am Wegesrand und im Sandfeld wurden niedergeschossen oder mit dem Bajonett niedergemacht. Die große Masse der Herero-Männer war unbewaffnet und konnte sich nicht wehren. Sie versuchten nur, mit ihrem Vieh davonzukommen.“
Die unverblümt emphatische Lobpreisung des Genozids durch den deutschen Generalstab
Der deutsche Generalstab pries Trothas militärische Taktik und Völkermord geradezu unverblümt: „Diese kühne Unternehmung zeigt die rücksichtslose Energie der deutschen Führung bei der Verfolgung des geschlagenen Feindes in glänzendem Lichte. Keine Mühen, keine Entbehrungen wurden gescheut, um dem Feinde den letzten Rest seiner Widerstandskraft zu rauben; wie ein halb zu Tode gehetztes Wild war er von Wasserstelle zu Wasserstelle gescheucht, bis er schließlich willenlos ein Opfer der Natur seines eigenen Landes wurde. Die wasserlose Omaheke[-Wüste] sollte vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: die Vernichtung des Hererovolkes.“
Denn, so seinerseits auch der deutsche Generalstabschef, Generaloberst Graf Schlieffen, mit Blick auf den Aufstand der Herero und Nama: Es handele sich hierbei um einen „entbrannten Rassenkampf“, der „nur durch die Vernichtung einer Partei abzuschließen“ ist.
„Nationale (deutsche) Würde“ und „wirtschaftliche Interessen“
Entsprechend hielten denn auch nach dem Völkermord zahlreiche Beteiligte und Profiteure die Gräueltaten hoch. Georg Maercker, Major der Schutztruppe von Deutsch-Südwestafrika, etwa resümierte 1907 vor der Deutschen Kolonialgesellschaft: „Vor dem Krieg waren wir lediglich die Geduldeten im Lande. Mit unsäglichem Hochmut und starkem Dünkel sahen die Eingeborenen auf uns herab. Dem musste ein Ende gemacht werden, denn das vertrug sich weder mit unserer nationalen Würde noch mit unseren wirtschaftlichen Interessen.“
Die eingerichteten Konzentrationslager, in denen die Gefangenen kaum zu essen bekamen und mit harter Arbeit zu Tode geschunden – wenn nicht gleich ermordet – wurden, „vertrugen“ sich da schon besser mit den „wirtschaftlichen“ und anderweitigen „Interessen“. Aus ihnen stammen auch die meisten zu „rassenwissenschaftlichen“ Zwecken nach Deutschland versandten Schädel und Gebeine. (Eingehender hierzu: https://www.komintern.at/der-vermessene-mensch-der-anlaufende-kinofilm-zum-deutschen-kolonialverbrechen-des-ersten-genozids-des-20-jhd/)
Gegenstimmen der revolutionären Arbeiterbewegung: Karl Liebknecht und August Bebel
Ganz anders dagegen die prägenden Köpfe der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung wie Karl Liebknecht und August Bebel. Liebknecht geißelte die Verbrechen des deutschen Kaiserreichs im damaligen Deutsch-Südwestafrika und anderen Kolonien in seiner Anfang 1907 erschienen Schrift „Militarismus und Antimilitarismus“ auf das Entschiedenste, beschrieb treffend den Vernichtungskrieg der deutschen Kolonialtruppen und charakterisierte als Antiimperialist deren Massaker „zum Profit der kapitalistischen Kolonialinteressen“. Auch August Bebel wiederum äußerte im Spätsommer 1911 nicht minder unmissverständlich über den Herero-Aufstand: „Dass das unterdrückte, ausgebeutete, geknechtete Volk zur Empörung griff, war sein gutes Recht. Es war ihr Heimatland, ihr Vaterland, das die Hereros gegen fremde Eroberer zu verteidigen suchten.“
Mühselige Aufarbeitung der deutschen Kolonialgräuel und des Genozids
Über Jahrzehnte ignoriert, allenfalls als „trauriges Ereignis“ oder „dunkles Kapitel“ in der deutschen Geschichte abgetan, begann die schleppende Aufarbeitung der Kolonialgräuel und des Genozids an den Herrero und Nama in Westdeutschland erst nach über 100 Jahren. Dabei, so abschließend nochmals Anke Schwarzer, „waren die Ereignisse im Deutschen Reich keineswegs geheim gehalten worden. Mit bemerkenswerter Unverblümtheit wurde der Krieg gegen die Herero der damaligen Öffentlichkeit präsentiert. Postkarten, die Gefangene in Ketter, Lager- und Hinrichtungsszenen zeigten, wurden hergestellt. Auch gibt es Bilder von Hererofrauen, die mit Glasscherben die Schädel ihrer toten Verwandten säubern mussten, damit diese in das Pathologische Institut Berlin geschickt werden konnten.“ Zu alledem flutete, wie weiter oben ausgeführt, eine ebenso ausgedehnte wie erfolgreiche rassistisch-koloniale Reise- und Memoirenliteratur geradezu den deutschen Markt.
Das nur ein Jahr später stattgefundene deutsche Kolonialmassaker im Süden Tansanias wiederum, ist dem öffentlichen Bewusstsein selbst heute noch weitgehend unbekannt. „1905 schlugen die deutschen Truppen“, so Jörg Kronauer das damalige Wüten in Erinnerung rufend, „einen breit getragenen Aufstand im Maji-Maji-Krieg nieder. Ihre ‚Strategie der verbrannten Erde‘ hat in Ostafrika sogar noch mehr Menschen das Leben gekostet als der Genozid in Deutsch-Südwest. Genannt wird heute die Zahl 180.000, der tansanische Historiker Gilbert Gwassa geht sogar von 250.000 bis 300.000 Todesopfern aus. Das wäre ein Drittel der Gesamtbevölkerung im damaligen Kriegsgebiet.“
Foto: Wikimedia Commons, gemeinfrei