Auf den Tag genau heute vor 10 Jahren ereignete sich die Nuklear-Katastrophe von Fukushima. In mehreren Reaktorblöcken des japanischen Kernraftwerks Daiichi Fukushima kam es mit dem 11.3.2011 zur Kernschmelze. Rund 150.000 Personen wurden notevakuiert. Atomexperten zufolge könnten vom Super-GAU allerdings bis zu knapp 2 Mio. Personen betroffen gewesen sein.
Aller ‚guten Dinge‘ sind drei?
Diese nach der US-amerikanischen Reaktorkatastrophe von Harrisburg 1979 und jener von Tschernobyl 1986 dritte große Reaktorkatastrophe, zeigte ein weiteres Mal die Grenze der Natur-„Beherrschung“ in Sachen Atomenergie (Kernspaltung) und Unabdingbarkeit einer Energiewende.
Die zu jedem Zeitpunkt drohenden weiteren Kernschmelzen in den Atomstromern, sowie das Gefahrenpotential und die nach wie vor offenen Unklarheiten der Zwischen- und Endlagerungen des radioaktiven Abfalls, verdeutlichen den Irrweg der Kernspaltung. Nichts desto trotz sind aktuell in 32 Ländern noch 413 AKWs in Betrieb und befinden sich gegenwärtig 50 im Bau.
Mag sein, dass in künftigen Dekaden einmal die Kernfusion (nicht Kernspaltung) beherrschbar scheinen will, aus der man nicht nur bedeutend größere Mengen an Energie gewinnen könnte, ohne die Umwelt nennenswert zu belasten, weil kaum radioaktive Abfälle entstehen und auch keine Treibhausgase ausgestoßen werden. Aber das ist heute bestenfalls Zukunftsmusik. Die technische Beherrschbarkeit der Kernfusion hat sich bisher jedenfalls als so widerborstig erwiesen, dass nicht wenige Experten ironisch von der „Fusionskonstanten“ sprechen: nämlich einem sich alle 30 Jahre erneuernden 30 Jahre Zeitrahmen bis zur Verwirklichung von Fusionskraftwerken.
Business as usual
Dass die Atomkonzerne und Atomlobby ungeachtet Fukushima – auch wenn es in dessen unmittelbaren Gefolge zu verschiedentlichen Abschaltungen und Ausstiegs-Plänenkam – angesichts der dringend anstehenden Co2-Reduktion versuchen die Kernenergie in einem rigorosen Greenwashing noch für Jahrzehnte als „alternative“ Energiepolitik stark zu machen, ist aus profitlogischer Perspektive folgerichtig. Denn AKW-Strom ist für die Betreiber (nicht die Gesellschaft) fast unschlagbar profitabel. Aber katastrophal.
Dass in einigen Ländern, wie zuletzt gerade Frankreich, im fälschlichen Namen eines „ökologisch unverzichtbaren Energiemix“ Laufzeitverlängerung paktiert wurden, ist ebenso eine Tragik, wie ein faktischer Persil- und Garantieschein zur langfristigen und politisch störungsfreien Atomstromproduktion bis zum letzten Quäntchen. Und das sogar deutlich über ihre ursprünglich veranschlagte 40-jährige Betriebsdauer hinaus, sprich: mit nochmals steigendem Risiko aufgrund deren Alters, veraltetem Material, sowie zum Teil bereits aufgetretenen Rissen in den Reaktorbehältern.
Olympia oder Nippons Nationalismus & aggressive Remilitarisierung
Die Herrschenden Japans wiederum versuchen die Havarie von Fukushima derweil mit den unter dem Slogan „Fukko Gorin“ (Wiederaufbauspiele) stattfindenden Olympischen Spielen im Sommer als überwunden zu präsentieren. Mit einer Symbiose aus „Cool Japan“ und „Schönes Land“ als Vehikel trimmt die regierende LDP das Land auf eine Stärkung des rechtskonservativen Nationalismus in teils dunkelster Traditionslinie und eine aggressive Remilitarisierung. Diese Aufladung der Austragung der Olympischen Spiele ist auch für die neue Staatsführung nach kürzlichem Abschied von Langzeitpremier Shinzo Abe prägend. Die Atomhavarie betreffend plant die Regierung derweil, radioaktiv verseuchtes Kühlwasser aus Platzmangel in bevorstehender Zukunft einfach ins Meer zu leiten. Und um gleichsam auch symbolisch endgültig Sand über die Katastrophe zu schütten, finden nicht nur die Olympischen Spiele in der Präfektur Fukushima statt, sondern soll die Staffelübergabe zum olympischen Fackellauf für 2024 dann in unmittelbarer Nähe des Unglücksmeilers von Fukushima erfolgen.
Kernschmelze der Wertschöpfungs- und Lieferketten
Dass die ökonomischen und politischen Eliten aus der Reaktorkatastrophe von Fukushima nicht wirklich Lehren gezogen haben, zeigt sich aber auch in noch anderem Zusammenhang. Im Ergebnis der Nuklearkatstrophe rückte mit den weltweiten Produktionsunterbrechungen aufgrund der Havarie auch das über den Globus gespannte Just-in-Time Produktions- und Lieferkettensystem der neoliberalen Globalisierung nachdrücklich ins Bewusstsein der Chef-Etagen. Denn die Katastrophe zeitigte auch unmittelbare und manifeste Folgen für wichtige Schlüsselzulieferer in der elektronischen, Chemie- und Automobilindustrie, die in der betroffenen Region angesiedelt waren und vielfach noch sind. Rund 60% der für die Produktion von Autos essentiell notwendigen Teile wurden in der Region produziert und fielen teils von heute auf morgen aus. Ähnliches galt für maßgebliche Chemikalien und Komponenten für die Chemie- und Elektroindustrie, sowie für Basisprodukte der Photovoltaik.
Für „Puffer“ und „Reserven“ existiert in diesem System jedoch bis heute, wie gerade die Corona-Krise der Welt handgreiflich vor Augen führte, kein Platz mehr.
Bild: Digital Globe / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)