Schutzlos, wehrlos, ausgeliefert – zu Recht wühlt das kriegerische Schicksal von Kindern besonders auf. Und ebenso wie der Libyen-Krieg 2011 in der US-Bombardierung 1986 sein Vorspiel hatte, so auch der Irak-Krieg 2003 im sogenannten Zweiten Golfkrieg 1991 und dem verhängten, mörderischen Sanktionsregime, dem mehr als eine dreiviertel Million (!) irakischer Kinder zum Opfer fiel. Bedauerlich freilich, aber „diesen Preis wert“ – wie Madeleine Albright die Welt kalt belehrte.
Wie bestialisch der US-Imperialismus und seine westeuropäischen NATO-Satelliten denn auch selbst diesbezüglich bereit sind ihre globalstrategischen Interessen durchzusetzen, lüftet ein kurzer Rückblick auf die heute vor einem Jahr verstorbene ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright, der sich nahtlos in das dieswöchige Gedenken an den 20. Jahrestag des Irak-Kriegs fügt. Auf massiven Druck Washingtons und Londons verhängte die UNO mit der Resolution 661 bereits 1990 rigorose Sanktionen und eine Wirtschaftsblockade gegen den Irak, die auch die Lebensmittelversorgung unterminierte und notwendige Medikamente des Landes betraf. Gleichzeitig wurde das Zweistromland mit der „Operation Wüstensturm“(Desert Storm) genannten Militäroffensive 1991 in ein „vorindustrielles Zeitalter“ zurückgebombt, wie der nach Ende des US-geführten NATO-Kriegs als UN-Untergeneralsekretär zur Fact Findig Mission in den Irak geschickte Martti Ahtisaari schockiert berichtete. In einen, wie Ahtissari fortfuhr, „beinahe apokalyptischen“ Zustand, vor dessen Hintergrund der Irak kurz vor einer „unmittelbaren Katastrophe“ und „Hungersnot“ stehe und stand. Die Sanktionen und das Wirtschaftsembargo blieben indessen in Kraft um das unbotmäßige Regime in Bagdad koste es was es wolle zu strangulieren. Der seinerzeitig UN-Koordinator für humanitäre Fragen im Irak bezichtigte die USA und Großbritannien später, dass sie „stets verhinderte(n)“, dass der UN-Sicherheitsrat „den Einfluss der Sanktionen auf die Zivilbevölkerung beachtet“ und „den Sicherheitsrat“ über die „völkermörderischen“ Folgen „zu informieren.“
„Unsere Regierung“, so erklärte der US-Kongress-Abgeordnete McDermott später zu alledem, „hat die Vereinten Nationen in der Vergangenheit häufig unterminiert. Besonders schlimm war das 1990 im Falle des Irak. Damals haben wir den Sicherheitsrat durch Bestechung, Drohungen und Sanktionen genötigt.“ Was wiederum die tieferen Kriegsgründe der USA und ihrer NATO-Verbündeten anbelangt, äußerte sich, nachdem sich der Staub der unmittelbaren „Operation Wüstensturm“ wieder gelegt hatte, US-Präsident George Bush sen. einige Jahre später in ziemlich unverhohlener Offenheit: „Die Übernahme der Weltölreserven [durch Saddam Hussein] – zumindest eines großen Teils – hätte Europa und die USA“ ins Mark getroffen. „Die Ölpreise wären bis zur höchstvorstellbaren Marke geklettert. … Das war ein wichtiger Grund, der schrecklich wichtig war.“ 2007, die US-Truppen und ihre Söldner der privaten Blackwater-Truppen marodierten im Gefolge des nunmehr sogenannten Dritten Golfkriegs noch durchs Zweistromland, nahm sich wiederum Senator Chuck Hagel, was ihn 2013 dann mit zum Verteidigungsminister unter Barack Obama qualifiziert haben dürfte, kein Blatt vor den Mund: „Die Leute behaupten, dass wir diesen Krieg nicht wegen des Öls führen. Natürlich tun wir das!“
Die humanitären Folgen der Antwort des Empires darauf waren schlicht massenmörderisch. Der Wirtschaftskrieg und das umfassende Embargo gegen den Irak von 1990 bis zum erneuten, heißen Krieg gegen den Irak 2003 kostete über eineinhalb Million Iraker:innen das Leben, 750.000 davon Kinder. Der diesbezügliche Bericht zu den Sanktionsauswirkungen der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO, dokumentierte bereits Mitte der 1990er Jahre, dass 567.000 irakische Kinder an den Sanktionen gestorben waren. Anlässlich dessen wurde 1996 auch die damalige US-amerikanische UNO-Botschafterin und später US-Außenministerin Madeleine Albright mit diesem unsäglichen Verbrechen konfrontiert. In der TV-Sendung 60 Minutes fragte die Moderatorin, Lesley Stahl, Albright: „Wir haben gehört, dass eine halbe Million Kinder starben. Ich meine, das sind mehr Kinder, als in Hiroshima gestorben sind. Ich frage sie: Ist es [das Embargo] diesen Preis wert?“ Niemand in der Sendung, auch Albright nicht, bestritten den Tatbestand des Berichts oder zweifelten dessen Zahlen an. Nach einem kurzen Moment der Überlegung, antwortete sie schlicht kalt: „Ich denke, das ist eine sehr schwierige Entscheidung, aber der Preis – wir glauben, es ist diesen Preis wert.“ Über eine halbe Million toter Kinder – freilich bedauerlich, aber ein vertretbarer „Kollateralschaden“ in der globalstrategischen Perspektive des Empires.
Der oben bereits kurz zitierte, damals zuständige UN-Koordinator für humanitäre Fragen im Irak, Denis Halliday hingegen, trat aufgrund der „völkermordverursachenden Sanktionen“ 1998 aus Protest zurück und hängte seine UNO-Karriere an den Nagel. Sein Nachfolger, Hans-Christof von Sponeck, tat es ihm 2000 gleich und räumte gleichfalls unter Protest seinen Posten und formulierte zusammen mit Denis Halliday in der Öffentlichkeit eine scharfe Anklage gegen die US-britisch betriebenen „Massenvernichtungs-Sanktionen“ – wie sie wiederum von den beiden renommierten US-Politikwissenschaftlern John Mueller und Karl Mueller in ihrer Untersuchung und dem Vergleich der humanitären Folgen der Sanktionen mit jenen des Einsatzes von atomaren, chemischen und biologischen Waffen bezeichnet wurden. Auch zahlreiche weitere UN-Spitzendiplomaten hielten die ‚angelsächsischen‘ „Massenvernichtungs-Sanktionen“ schlicht für „Völkermord“ und den „Preis“ einer bis 2002 dreiviertel Million toter Kinder für unerträglich. Madeleine Albright hingegen erhielt bis zu ihrem Ableben zahlreiche Ehrenpreise, Auszeichnungen, Kreuze und Orden verliehen und gilt dem „Wertewesten“ in seiner unerträglichen Selbstgerechtigkeit als „große Politikerin“ und Galionsfigur der „westlichen Wertegemeinschaft“.
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