Stopp der russischen Angriffe und Kriegstreiberei auf allen Seiten!

Truppenrückzug, Deeskalation und Rückkehr zur Diplomatie! Gemeinsamer Kampf der Arbeitenden und Volksmassen für Frieden und gegen Kriegstreiberei!

Bereits Leonid Krawtschuk (letzter Parlamentspräsident der Ukrainischen Sowjetrepublik und erster Präsident der Ukraine), war, zusammen mit Boris Jelzin, eine der führenden Figuren der Auflösung der Sowjetunion. Ihren staatsstreichgleichen sogenannten „Beschluss“ im Belowescher Wald in der Nacht zum 9. Dezember 1991 über die Beendigung der Sowjetunion teilten sie denn auch zunächst US-Präsident George Bush sen. mit, bevor sie den damaligen Präsidenten der UdSSR, Michail Gorbatschow, davon in Kenntnis setzen. 

„Zumindest“, so der Kreml, gelobte US-Außenminster James Baker in den Wirren der Niederlage der Staaten des RGW („Rats für gegenseitig Wirtschaftshilfe“) und „Warschauer Vertrags“ dem sowjetisch/russischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow im Katharinensaal des Kremls im Jahr zuvor hoch und heilig, dass das westliche Militärbündnis seinen Einflussbereich „nicht einen Inch weiter nach Osten ausdehnen“ wird, falls Moskau der NATO-Mitgliedschaft des wiedervereinten Deutschland zustimmt. Ein Vierteljahrhundert, Dutzende US- und NATO-Kriege samt „Koalitionen der Willigen“ (im Irak-Krieg beiher auch die Ukraine) später, steht die NATO-Osterweiterung und Einkreisung Russlands beinahe am Abschluss. All das rechtfertigt freilich mitnichten den aktuellen russischen Angriff auf die Ukraine und die Militärintervention, sowie die politische und humanitäre Katastrophe.

Im Anschluss an den „Zerfall“ der UdSSR entwickelte sich die Ukraine in den 1990er Jahren zum Land der tiefsten Schocktherapie Europas resp. der Nachfolgestaaten aus der Erbmasse der Sowjetunion. „Kein Land hat wirtschaftlich ein dermaßen hartes Desaster erlebt seit 1990 wie die Ukraine. In keinem Land hat die Rekapitalisierung nach 1990 brutaler zugeschlagen. Von 1990 bis zur Jahrtausendwende reduzierte sich das durchschnittliche (!) reale Prokopfeinkommen um 60 %. In Friedenszeiten ein nie anzutreffender Zustand, ein dreimal so starker Rückgang wie in Griechenland nach dem dortigen Staatsbankrott“, wie der Ökonom Franz Garnreiter einmal resümierte.

Im Interesse der neuen Oligarchen autoritär durchregiert, bestimmten seither Machtkämpfe innerhalb der Oligarchencliquen bzw. um ihren Einfluss auf das Regime die Politik des Landes. Die bekanntesten Namen – vielfach selbst auch gleich direkt die politischen Schlüsselpositionen der Ukraine einnehmend –, sind sicherlich der „Kohleoligarch“ Rinat Achmedow, die „Gasprinzessin“ Julija Timoschenko, der „Schokokönig“ Pjotr Poroschenko, der „Limonadenkönig“ Jewgeni Tscherwonenko, der berüchtigte „Bankenzar“ Igor Kolomojskij, der „Stahlmagnat“ Sergej Taruta und nicht zu vergessen der Kutschma-Schwiegersohn Viktor Pintschuk. Auf der einen Seite einander spinnefeind, verbrüderten und verbrüdern sie sich andererseits meist schnell, wenn es um ihre Pfründe und Macht geht und waren und sind ihren Positionen kaum unveränderlich festgelegt. Sie vertraten sich entweder im gleich direkten Zugriff auf den Staat selbst, oder über ihr politisches Personal wie Leonid Kutschma, Viktor Janukowitsch, Viktor Juschtschenko, oder dem heutigen US-Parvenü Wolodymyr Selenskyj. Julija Timoschenko und Pjotr Poroschenko bekleideten als „Golden Kids“ der Aneignung des ehemaligen Volkseigentums bekanntlich selbst mehrere Male die höchsten Staatsämter oder waren bereits davor und immer wieder als Minister in unterschiedlichen Regierungen tätig.

Lange Zeit hielt es die Ukraine (unter Kutschma und später Janukowitsch) mit einem sozusagen Sowohl-als-Auch oder einer ausbalancierten „multivektoriellen Politik“ zwischen Ost und West und beteiligte sich sowohl am Projekt der Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums mit Russland, Belorussland sowie Kasachstan und forcierte zugleich die Integration in eine Freihandelszone mit der EU. Nach der sogenannten „orangenen Revolution“, sprich: dem prowestlichen Putsch, unter Wiktor Juschtschenko und Julija Timoschenko 2004, überwog das Bestreben, die Ukraine aktiv aus ihrer historisch engen Verbindung mit Russland herauszulösen. Ja, geradezu heißspornig erklärten ihre geradezu russophob zerfressenen ProagonistInnen öffentlich: „Die Ausfuhr unserer Orangenrevolution [also: Staatsstreichs] nach Russland ist beschlossene Sache“. Das „Orangen-Intermezzo“ wurde von einer enttäuschten Bevölkerungsmehrheit allerdings schon 2010 wieder abgewählt und von Janukowitsch abgelöst, unter dessen Präsidentschaft sich die Lage der Bevölkerung auf zusätzlichen Druck des IWF jedoch ebenfalls weiter verschlechterte. Als Ausweg versprach man den Massen mit einem Assoziierungsabkommen mit der EU den Himmel auf Erden. Dann aber nötigte die EU, vorgetragen von Kommissionspräsident Barroso im Februar 2013, der Ukraine eine Entscheidung auf. Entweder-Oder hieß die Devise. Die Ukraine könne nicht eine Zollunion mit Russland schließen und zugleich einer Freihandelszone mit der EU angehören. Vor diesem Hintergrund zog auch Russland im Herbst 2013 die Daumenschrauben gegen die Ukraine an und nahm unter fadenscheinigen Begründungen ukrainische Güter vom Markt und drehte an den für die Ukraine lukrativen Konditionen als Energietransitland. Die durch das Entweder-Oderder EU drohenden Marktplatzverluste im Osten und Einschränkung für ukrainische Waren auf dem russischen Markt sowie zugleich umgekehrt drohende Überflutung des ukrainischen Markts mit den wettbewerbsfähigeren Produkten aus EU-Ländern sowie Ausverkauf des Landes an westliche Konzerne, ließ daraufhin unter einflussreichen Kapitalkreisen die Alarmglocken schrillen, die nun kurz vor Zwölf die Hebel für ein „Njet“ in Bewegung setzten. Das erste, das Brüssel in seinem Vormarsch gen Osten hinnehmen musste. Das ukrainische Parlament votierte Ende November 2013 mit Mehrheitsentscheidung gegen das bereits fertig am Tisch liegende EU-Assoziierungsabkommen und auch Janukowitsch legte es schließlich auf Eis. Damit brachten man allerdings die Massen, denen man die EU-Assoziation zuvor als den ultimativen Ausweg aus den völlig erodierten Verhältnissen pries, um ihre an das Abkommen geknüpften Hoffnungen. Ob nun illusionär oder nicht, brach sich daraufhin der „Maidan“ bahn und wurde das Land endgültig in die Zerreisprobe getrieben.

Die Besonderheit des geopolitischen Kampfs um die Ukraine besteht nämlich auch in einem gleichsam doppelten Ost-West-Konflikt, zum einen zwischen den imperialistischen Metropolen und der NATO gegen Russland, zum anderen verläuft auch innerhalb der Ukraine eine eng mit der geschichtlich Entwicklung zusammenhängende sprachliche, kulturelle und religiöse Ost-West-Konfliktlinie.

Der bis dahin unaufhaltsame Vorstoß des Westens eskalierte dann am 15. April 2014 zum Krieg. Interimsministerpräsident Arsenij Jazenjuk, in dessen Kabinett sich auch Faschisten und der Rechte Sektor tummelten (darunter ein Vize-Ministerpräsident und drei Minister der faschistischen „Swoboda“-Partei sowie Führer des bewaffneten rechtsradikalenKampfverbands „Sammobrona“ sowie anderweitige „Maidan-Kommandanten“), befahl den Einsatz der Armee gegen die Aufständischen und Streikenden im Donbass. Zusammen mit einer kaum überblickbaren Anzahl rechtsradikalen und faschistischen Milizen zogen die ukrainische Armee gen Osten gegen das eigene Volk. Angefangen vom berüchtigten faschistischen „Asow-Bataillon“, über die paramilitärischen Milizverbände des „Führers“ des Rechten Sektors, Dimitro Jarosch, zu den Milizen der Bandera-Leute und anderer rechtsextremer und faschistischer Paramilitärs, sowie ausländischer Söldner und oligarchischer Privatarmeen. Im Gefolge des prowestlich-erzreaktionären„Maidan-“Staatsstreichs und staatlich sowie von rechtsextremen Rollkommandos und paramilitärischen Milizen losgetretenen Bürgerkieg gegen die östlichen Regionen, riefen sich die Föderalisten zu „Volksrepubliken“ aus und vertiefte sich die politische Spaltung des Landes. Verteidigt von den Volksmilizen, die sich dem staatlich-rechtsextremen Waffengang im Interesse der NATO- und EU-Osterweiterung entgegenstellten, mündete die fast fünfmonatige Offensive der ukrainischen Armee und rechtsextremer Paramilitärs gegen den Osten und dessen Dauerbeschuss am 5. September 2014 in der unter russischer Ägide ausgehandelten Vereinbarung einer Waffenruhe in Minsk sowie der Orientierung auf eine politische Lösung. Mit dem, allerdings immer wieder brüchig gebliebenen, vereinbarten Waffenstillstand begann daraufhin die Phase des eingefrorenen Konflikts der letzten Jahre.

Während die stark mittelschichtsgeprägten Massenproteste in Kiew und der Westukraine von Faschisten unterschiedlicher Couleurs gekapert und in den bluttriefenden, ultrarechten  „Maidan“ 2014 (nicht zuletzt auch dem Massaker an den GewerkschafterInnen in Odessa) mündeten – der die Oligarchenherrschaft gegen den sozialen Zorn der Straße rettete und nationalistisch umbog und pervertierte –, nahm der Aufstand und Anti-Maidan in der Ostukraine, namentlich in Donezk, in dem die Massen ihrerseits gegen die sozialen Verwerfungen, die Korruption und Oligarchenherrschaft rebellierten, zunächst sozialrevolutionäre Züge an. Die Oligarchen wurden vertrieben, ihre politischen Statthalter zerstoben ins Nichts und Kommunisten sowie die hoch geachteten Bergarbeiter der Region nahmen in der Anfangsphase wichtige Positionen ein. Als sich die Bewegung aber anschickte, die Eigentumsfrage in der Schwerindustrie und den Zechen zu stellen, verhinderte Russland, wie der Journalist Reinhard Lauterbach schrieb, „dass das Eigentum des Oligarchen Rinat Achmetow und anderer ukrainischer Kapitalisten angetastet wurde“. „Moskau hoffte noch, sich mit ihm irgendwie zu arrangieren, aber vergeblich. Achmetow entschied sich für die ukrainische Seite.“ Zudem konnte der Kreml auch mit Blick auf das eigene Land keine „erfolgreiche Sozialrevolte“ brauchen. „So wurden“, die Lage so der Historiker Harald Projanski nochmals präzisierend, „Betriebe von Oligarchen zwar unter staatliche Verwaltung gestellt, aber nicht enteignet.“ Gleichzeitig änderte sich nach und nach der politische und soziale Charakter an der Spitze bzw. wurde diese von interessierten Kreisen auch bewusst ausgewechselt. „An die Stelle der proletarischen Aufstandsführer traten Vertreter des regionalen Kleinbürgertums wie Alexander Sachartschenko oder der jetzige Chef der VR Donezk, Denis Puschilin.“ Das begünstigte auch pro-russische Töne gegen den aggresiven russophoben ukrainischen Nationalismus aus Kiew. Parallel wurden die „Volksrepubliken“ des Donbass gegen die beabsichtigte finanzielle Strangulierung durch Kiew dafür von Moskau alimentiert. Entsprechend sprechen die Kämpfer der Donezker Volksmilizen „im Rückblick von der ‚idealistischen‘ Phase des Aufstands“, um nochmals Reinhard Lauterbach zu zitieren. Ein echter Systemwechsel wurde in eins damit freilich blockiert und abgewürgt.

Im Februar 2015 wurde dem Bürgerkrieg mit dem Minsker Abkommen dann offiziell ein Ende gesetzt, das neben dem Waffenstillstand, den Abzug schwerer Waffen von den Grenzen, die wechselseitige Freilassung politischer Gefangener, eine Amnestie für Kämpfer beider Seiten und „zum Ende des Jahres 2015 eine neue Verfassung“ der Ukraine mit weitgehenden Autonomierechten (entsprechend dem „besonderen Status“ und „Besonderheiten“) der „Donezker und Lugansker Bezirke“ (sprich: der „Donbass-Volksrepubliken“) vorsah und „die mit den Vertretern dieser Gebiete abgestimmt ist“. Allerdings kam es auch nach sieben Jahren Minsker Abkommen zu keinen Fortschritten in der Umsetzung der Vereinbarung. Insbesondere deren Springpunkt, die Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die den „Volksrepubliken“ einen autonomen Status im Rahmen der Ukraine einräumt und sichert, blieb ein Stück wertloses Papier. Unter der Präsidentschaft des „Schokokönigs“ Poroschenko bis 2019 wurde es regelrecht sabotiert. Daran haben sich auch die „wichtigsten Vermittler“ des Westens in der Donbass-Frage – Deutschland und Frankreich – nie gestoßen oder gar ihre politischen Parvenüs in Kiew zu Konzessionen gedrängt. Aber auch unter dem Nachfolger Poroschenkos und jetzigen Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, kam es außer Redeschablonen zu keinen weiteren Schritten. Dieser knöpfte sich vielmehr den wichtigsten prorussischen Protagonisten in Kiew, den Oligarchen Viktor Meswedtschuk, vor und schlug – befeuert von den USA, der EU und der NATO sowie einer medialen Kriegspropaganda an der Grenze zur self-fulfilling prophecy –  peu à peu einen schärferen Kurs gegenüber Russland und den „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk ein.

Zudem sah sich Moskau – nicht zuletzt auch unter dem von der US-Führung ausgerufenen „Kampf der Systeme“ des Westens gegen dessen „systemische Rivalen“ (China und Russland) – mit einem immer aggressiveren Metropolenimperialismus konfrontiert, der mit seiner nun bereits fünften Runde seiner Osterweiterung zunehmend die Sicherheitsinteressen Russlands verletzt. Die beständig voranschreitende NATO-Osterweiterung und Einkreisung Russlands, so der Kreml zurecht, nimmt keinerlei Rücksicht mehr auf das Prinzip der „Unteilbarkeit der Sicherheit“ in Europa, dem zufolge kein Land seine eigene Sicherheit auf Kosten der (Sicherheits-)Interessen eines anderen Landes durchsetzen dürfe.

Denn, der Maidan 2013/14 war für die Falken unterschiedlicher Couleurs erst ein Präludium. Die Ukraine gilt der US-Globalstrategie gegen Russland seit Anbeginn der von Washington ausgerufenen „Neuen Weltordnung“ nach 1990/91 schlicht als „geopolitischer Dreh- und Angelpunkt“ des Westens auf dem „großen Schachbrett“, wie es der einflussreiche US-Stratege Zbigniew Brzezinski (außenpolitischer Berater einer Vielzahl an US-Präsidenten) bereits 1997 kurz und trocken auf den Punkt brachte.

Dass es die NATO und EU sind, die sich seit einem Vierteljahrhundert nach Osten ausdehnen und ihre Einflusssphäre immer weiter zur russischen Grenze vorandrängen und es nicht Russland ist, dass sich nach Westen ausdehnt (wenn auch mit Hegemonismus in seiner Außenpolitik gegenüber dem sog. „nahen Ausland“, wie die Russische Föderation die außenpolitische Ebene zu den Nachfolgestaaten der SU, ausgenommen die baltischen Staaten, bezeichnet), oder dass an der Spitze der Kriegstreiberei zur nunmehrigen militärischen Eskalation des Ukraine-Konflikts vor allem die USA, NATO und die EU stehen, oder auch dass der Westen einem heuchlerischen Doppelmaßstab in internationalen Agenden und Kriegsgängen frönt, ist gleichviel keine Rechtfertigung den russischen Angriff auf und die Invasion in die Ukraine.

Stopp dem Krieg – den Angriff beenden und Truppenrückzug – Deeskalation und Rückkehr zur Diplomatie – aber auch Schluss mit der hysterischen, westlichen Russophobie! Für den gemeinsamen Kampf der ArbeiterInnen und Volksmassen für Frieden und gegen Kriegstreiberei!

Impressionen antiimperialistischer Kundgebungen in Wien & Innsbruck:

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