NATO gehen die Waffen aus – der EU das Öl?

Während die G7 und EU in ihrem Wirtschaftskrieg gegen Moskau nach acht verabschiedeten Sanktionspaketen nun auch ihr Ölembargo auf dem Seeweg in Kraft gesetzt und ihren ominösen Ölpreisdeckel verabschiedet haben, geht der NATO mehr und mehr der Waffen-Nachschub für die Ukraine aus. Zugeben will das niemand. Ebenso wenig wie die Unklarheiten der Auswirkungen des Ölpreisdeckel-Risikospiels auf die Energiepreise und Versorgung. Laut Nachrichtenagentur „Reuters“ haben westliche Öl-Experten mit bestürztem Kopfschütteln auf den Beschluss reagiert. Ein namhafter US-Experte urteilte über die EU und G7 überhaupt nur mehr lapidar: „Sie haben sich selbst in das Knie geschossen.“ Anfang Februar tritt dann das Embargo gegen raffinierte Erdölerzeugnisse (Benzin und Diesel) hinzu, mit allerspätestens dem Experten mit einer Preisexplosion und Versorgungsengpässen rechnen. Bis dahin wird freilich auch der Waffen-Nachschub im West-Ost-Stellvertreterkrieg auf ukrainischem Boden noch stärker stocken, wie der österreichische Militäranalyst Oberst Dr. Markus Reisner von der Theresianischen Militärakademie unlängst im ZDF bekannte. „Wir haben Russland unterschätzt“, so der bekannte Experte des Österreichischen Bundesheeres. Parallel gehen die westlichen Waffenarsenale zur Neige. Beate Landefeld hat sich den Ausführungen Reisners in ihrem Kommentar in der aktuellen UZ – den wir hier stark gekürzt, sowie andererseits in Klammern leicht erweitert um einige zusätzliche Akzente Reisners wiedergeben – eingehend angenommen. Abrundend blicken wir zum Abschluss darüber hinaus zusätzlich noch auf den immer weiter eskalierenden US-Sanktions-Amoklauf, der sich nun (vom bereits latenten) zum auch offenen Wirtschaftskrieg gegen die EU ausgewachsen hat.

Moskau könne jederzeit neue Angriffe starten, während der Ukraine zunehmend die Munition ausgehe, klagte der österreichische Militärexperte Markus Reisner am 24. November im „ZDF“-Interview. Laut „New York Times“ kratzen USA und NATO derzeit überall Waffen zusammen, um die Ukraine zu beliefern und die eigenen Arsenale wieder aufzufüllen (29. November). Die Munition der Bundeswehr reiche „im Ernstfall“ nur für zwei Tage, schrieb die „Berliner Morgenpost“. Nachschub sei schwer zu beschaffen, da andere NATO-Staaten schneller orderten. Die Rüstungsindustrie weite die Kapazitäten nur aus, wenn langfristige Abnahme gesichert sei (28. November). Lars Klingbeil spielte Schwarzer Peter, als er die Rüstungskonzerne zu mehr Tempo aufrief.

Ersatzteile für die Reparatur zerstörter Militärgeräte fehlen ebenfalls. Ein [Anm.: bundesdeutscher] „Munitionsgipfel“ mit Rüstungsindustriellen am 28. November (…) brachte keine unmittelbaren Resultate. Laut dem Soldaten-Portal „Augen geradeaus“ warnten die Rüstungsproduzenten vor zu hohen Erwartungen. Selbst wenn das nötige Material für die Produktion vorhanden sei, müsse sich die Politik auf lange Lieferzeiten einstellen. Das könnten auch Jahre sein.

Die bürgerlichen Medien bestätigen damit Prognosen des thailändischen Geopolitik-Bloggers und früheren US-Marines Brian Berletic. Er bewertete schon im September die spektakulären Geländegewinne der ukrainischen Armee in Charkow und Cherson als nicht nachhaltig. Die Kosten an Menschen und Material seien für die ukrainische Armee zu hoch. Beides sei nicht in dem Maße ersetzbar, in dem es zerstört werde. Das führe zur Überdehnung der ukrainischen Armee. [Anm.: Darüber hinaus äußerte Reisner die Ansicht, dass es freilich zwar einzelne militärische Erfolge der Ukraine gebe, diese aber mit den Angriffen Russlands auf die ukrainische Infrastruktur neutralisiert werden: „Die Ukrainer sitzen zwar in Cherson, aber im Dunkeln“. Das Land ist ihm zufolge auch zu groß, um die gesamte systemrelevante Infrastruktur effektiv schützen zu können, zumal auch die steten westlichen Waffenlieferungen die zerstörte ukrainische Flugabwehr bisher nicht kompensieren konnten.] Zugleich verstärke sich die russische Seite durch die anlaufende Mobilisierung. Soweit die Prognosen sich auf die Waffen bezogen, sind sie jetzt auch im bürgerlichen Mainstream angelangt.

Tritt damit Nüchternheit statt Siegeseuphorie ein? Längst nicht! In der US-Administration drängen bisher nur realistische Militärs wie der Generalstabschef Mark Milley auf Verhandlungen. (…)

Alle scheuen sich, die Tatsache zu benennen, dass sie für die Waffen- und Munitionsknappheit der ukrainischen Armee kurzfristig keine Lösung haben. Dazu kommen hohe Todeszahlen, die Behinderung der Mobilität der ukrainischen Truppen durch russische Angriffe auf das Energiesystem und eine schwere Wirtschaftskrise. Im „ZDF“-Interview antwortete Oberst Reisner auf die Frage, ob nicht auch die Russen Probleme haben: „Dass die Russen Probleme haben, hören wir seit Beginn des Krieges, gerade vom britischen Geheimdienst … Fakt ist, dass Russland es bis jetzt geschafft hat, auf der strategischen Ebene ein Momentum aufrechtzuerhalten, und dieses Momentum bedeutet, dass, wenn immer es die Russen entscheiden, es zu einer Angriffswelle gegen die Ukraine kommt.“ [Anm.: Die beständig durch die Presse geisternden Berichte des britischen Geheimdienstes ordnete er hingegen eher dem medialen Krieg im Informationsraum zu.]

Sanktionen als Bummerang

Nachtrag KOMintern: Implizit räumen Oberst Reisners Analyse freilich auch das Scheitern des sich zudem mehr und mehr als Bumerang erweisenden Wirtschaftskriegs ein, der ja vor bald einem Jahr vorgeblich deshalb entfesselt wurde – so das kolportierte Narrativ – um den Verlauf der Kampfhandlungen zu beeinflussen. Schon damals hatte Peter Fischer, Chef-Ökonom der großbürgerlichen Neuen Züricher Zeitung, indes nüchtern bemerkt: „Sanktionen haben in der Vergangenheit noch nirgends auf der Welt etwas bewirkt. Außer dass man dadurch Mauern für Gespräche und Verhandlungen weiter erhöht hat.“ Mehr noch: das Sanktionsregime der westlichen Bellizisten erweist sich bislang nicht nur als Flop, sondern die geopolitische Absicht Russland in den Kollaps zu zwingen bzw. „zu ruinieren“, ruiniert vorrangig die sozialen Lebensbedingungen zahlloser Erwerbstätiger, Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen, TransferleistungsbezieherInnen und PensionistInnen sowie die Gesellschaften und Volkswirtschaften des „kollektiven europäischen Westens“ selbst – und um nochmals eine Dimension stärker jene des Globalen Südens, der deshalb auch darin den eigentlich schmerzhaften Wirtschaftskrieg erblickt. Oder wie der Guardian jüngst Tacheles redete, die Sanktionen treffen den Globalen Süden nicht nur mit durchwegs vorhersehbarer Wucht, sie gründen zudem „auf der neoimperialistischen Annahme, dass westliche Staaten berechtigt seien, die Welt zu ordnen, wie sie wollen.“ Auch das war freilich schon zu Beginn evident. Entsprechend warnte die vormalige Chefökonomin der Weltbank, Pinelopi Goldberg, bereits seinerzeit: Die westlichen Russland-Sanktionen sind „der letzte Sargnagel für die regelbasierte internationale Handelsordnung“. Steve Hill, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Shell bemerkte darüber hinaus ‚regelbasierter‘ bereits zum Gas-Embargo an: „Europa saugt LNG aus der Welt, was bedeutet, dass weniger LNG in die Märkte der Entwicklungsländer fließt.“ Analoges dürfte sich zu Lasten der ärmeren Länder nun auch bei Öl wiederholen. Denn auch wenn die EU – nicht zuletzt aufgrund ihrer Sanktionspolitik in die Rezession rutscht -, dass damit als Nebeneffekt auch der Ölpreis abstürzt, ist nicht ausgemacht. Die Weltwirtschaft selbst wird nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds auch 2023 um 2,7% zulegen, der Ölmarkt nicht größer werden, und die EU auf ihrer Suche nach Alternativen mit ihrer Finanzkraft und Bereitschaft so ziemlichen jeden Preis zu zahlen den peripheren und armen Ländern, wie schon beim Flüssiggas, nun auch noch das „schwarze Schmiermittel“ vor der Nase wegkaufen. Seit dem US-„Inflation Reduction Act 2022“ und den im Oktober neu auf den Weg gebrachten US-Sanktionen gegen China ist im immer weiter eskalierenden Sanktions-Amoklauf der USA und ihrer europäische Vasallen-Figuren allerdings manchem und mancher sein oder ihr einstiges enthusiastisches Sanktions-Hurra! ein Stück weit im Hals steckengeblieben.

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