„Köle Degiliz!“ – Solidarität mit den Gig-Kurieren von Yemeksepeti

Während der seit 1. Februar andauernde Streik der Gig-Kuriere von Yemeksepeti in eine immer heißere Phase tritt – zuletzt ging es auch den Migros Lagerarbeitern an den Kragen –, zeigen sich auch in Österreich viele Riders offen solidarisch mit ihren KollegInnen in der Türkei.  

„Köle Degiliz!“ – „Wir sind keine Sklaven!“. Diese, unter den harten Arbeitsbedingungen in der Türkei zurecht, geflügelte Losung, könnte auch für den Arbeitskampf der verkappten TagelöhnerInnen beim größten türkischer Essenszustelldienst Yemeksepeti – wie der Lieferservice Mjam in Österreich dem Dax-Konzern Delivery Hero (dem größten deutschen Börsegang das Jahres 2017) gehörend – für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und gegen die völlig entgrenzten Arbeitszeiten stehen.

Und obschon in prekären Beschäftigungsverhältnissen, sind die Arbeitenden von Yemeksepeti gleichviel auch kampferprobt. Als der Konzern auf ihre zunehmende gewerkschaftliche Organisierung letzten Sommer mit einem massiven Union-Busting reagierte, gewerkschaftlich Organisierte reihenweise vor die Tür setzte, das Kontingent an Scheinselbständigen aufstockte, die zuständige Gewerkschaft auszubooten versuchte und das betriebliche ArbeiterInnenkomitee zu zerschlagen trachtete, gaben die BotenfahrerInnen keineswegs kleinbei. Anstatt dessen entfalteten sie vielmehr eine Reihe von Aktionen für die Wiedereinstellung ihrer Kolleginnen, mit denen sich auch etwa ihrer Gorillas- oder Lieferando KollegInnen in Deutschland solidarisierten.

Finanziell steht den NiedriglöhnerInnen im Kurierdienst das Wasser nochmals stärker bis zum Hals als den ohnehin schon auf breiter Front in einer Verelendungswelle steckenden Gros der türkischen Werktätigen. Dazu fressen die regelrecht explodierten Treibstoffpreise den Hungerlöhnen der teils scheinselbständigen Vertragskurieren, neben abnehmenden Trinkgeldern (die in normalen Zeiten zu einem erheblichen Teil zu ihren Einkommen beitragen) auch noch den letzten Rest weg. Und zu alledem haben sie auch noch die Kosten ihrer Sozialversicherungen, über ihre Motorradhandschuhe bis hin zu ihren Uniformen selbst zu tragen.

Ein Lieferant des seit 2015 als türkisches Flaggschiff Delivery Heros gehörenden online Essensdienstes verdient aktuell gerade einmal den Mindestlohn von 4.250 türkischen Lira, umgerechnet 274 Euro. Doch angesichts der explodierten Inflation am Bosporus mit zuletzt selbst nach offiziellen Angaben von fast 50% gegenüber dem Vormonat, ist mit diesem nicht über die Runden zu kommen. Entsprechend fordern die LebensmittelfahrerInnen in ihrem Kampf denn auch eine Erhöhung auf zumindest 5.500 Lira sowie Boni (bzw. deren Neuregelung) und entscheidende Verbesserungen ihrer Arbeitsverhältnisse. Und diese Lohnforderung ist zugleich alles anderen denn wirklich hoch, sondern liegt gerade einmal etwas über der Armutsgrenze.

Dementsprechendeinhellig unterstreichen die im Kampf stehenden EssenszustellerInnen auch durch die Bank: „Mit 4.250 Lira kann ich mir nichts mehr leisten … ich habe nicht einmal Handschuhe”, so etwa der Yemeksepeti-Kurier Murat Ergen. „Wir kommen kaum über die Runden“, unterstreicht auch Sinan Inan. „Ich habe keine Ersparnisse. Nachdem ich die Rechnungen, die Miete, die Küchenkosten und die Ausgaben für mein Kind bezahlt habe, habe ich am Ende des Monats nicht einmal einen Pfennig in der Tasche”.

„Zu Beginn der Coronavirus-Pandemie“, so Dailysabath, noch „als Helden gefeiert, halfen die Gig-Kuriere Millionen Menschen, die während des Lockdowns zu Hause festsaßen … Ihre Arbeitsbedingungen und laxen Vorschriften werden in der Türkei jedoch ständig diskutiert, wobei Dutzende von Kurieren bei Unfällen unter dem Stress der von Kunden erwarteten und von Unternehmen vorgeschriebenen pünktlichen Lieferungen getötet oder verletzt wurden.“ So sind allein in den letzten beiden Jahren mindestens 200 MotorradzustellerInnen am Bosporus ihrer Arbeit zum Opfer gefallen und haben die Hetze – aufgrund des hohen per Apps abverlangten Liefertempos, der schlechten Ausrüstung und der berüchtigten Verkehrssituation in vielen türkischen Städten – mit ihrem Leben gebüßt.

Bis zu vier Lieferungen pro Stunde, so die Betriebsvorgaben, sollen die Essenstransporteure erledigen. „Wer nicht schnell genug arbeitet, wird mit Entlassung bedroht und verliert Prämienzahlungen.“ (Junge Welt) Was dieses Geschäftsmodell realiter logistisch und an halsbrecherischer Arbeitshetze bedeutet, beschreibt Werner Rügemer eindrucksvoll: „Bestellungen der Kunden müssen in Sekundenschnelle mit den Bestellungen bei den Restaurants und mit der jeweiligen Position der gerade verfügbaren Kuriere flexibel so miteinander kombiniert werden, dass das bestellte Essen schnell zubereitet, im Großstadtdschungel bei jedem Wetter und jeder Tages- und Nachtzeit schnell abgeholt und [im Fall Yemeksepeti, Anm.] möglichst schon 15 Minuten nach der Bestellung beim Kunden zuhause angekommen ist.“ Derartige Arbeitszustände für die rund 12.000 Beschäftigten, zumal zu Hungerlöhnen, brauchen kaum mehr weiter ausgeführt zu werden.

International stößt ihr Arbeitskampf denn auch zunehmend breiter auf Gehör und Solidarität. Nicht zuletzt solidarisierten sich dieser Tage die KollegInnen des Riders Collective:

Yemeksepeti işçileri yalnız değildir!

Die Yemeksepeti-ArbeiterInnen sind nicht alleine!

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