Klimakrise – höchste Zeit zu handeln!

Anfang April ist der Beitrag der Arbeitsgruppe 3 zum sechsten Sachstandsbericht des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen der Vereinten Nationen (IPCC) veröffentlicht worden. Der Bericht nimmt sich der Abmilderung des Klimawandels an und zeigt, wie dringlich die Lage ist: Ohne schnelle, effektive und gerechte Abmilderungsmaßnahmen, ist die Aussicht düster, bedroht der Klimawandel zunehmend die Gesundheit und die Lebensgrundlagen der Menschen rund um den Globus, die Intaktheit der Ökosysteme und die Artenvielfalt.[1] Der Teilbericht zeigt aber gleichzeitig auf, dass auch das Erwärmungsziel von + 1,5°C noch zu erreichen ist, sofern Politik und Gesellschaft endlich entsprechend handeln.

Die weltweit vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen waren im Zeitraum 2010 bis 2019 höher als in jedem vorangegangenen Jahrzehnt. 2019 beliefen sie sich auf ungefähr 59 Gigatonnen Kohlendioxid-Äquvialente (GtCO2-eq)[2], das waren um + 12 % mehr als im Jahr 2010 bzw. um + 54 % mehr als 1990. Der größte Brocken davon entfiel auf Kohlendioxid aus der Verbrennung fossiler Energieträger (insb. Kohle, Erdöl, Erdgas) und aus industriellen Prozessen (64 %), gefolgt von Methanemissionen (u.a. Tierhaltung, Förderung und Verteilung von Erdgas, Mülldeponien und Kläranlagen) mit 18 % sowie Landnutzung, Landnutzungsveränderung und Forstwirtschaft (11 %, allerdings mit großer Unsicherheit über Ausmaß und Trend). Seit 2010 sind die vom Menschen verursachten Netto-Treibhausgasemissionen (CO2-eq abzüglich der vom Menschen geschaffenen Senken, z.B. durch Aufforstung) weltweit zudem in allen wichtigen Sektoren gestiegen.

 IPCC (2022): Climate Change 2022, Mitigation of Climate Change, Summary for Policymakers, S 6.

Der Energieversorgungssektor war mit 34 % der Kohlendioxidemissionen der größte sektorale Verursacher, gefolgt von der Industrie (24 %), der Land- und Forstwirtschaft bzw. anderer Landnutzung (15 %), dem Transportsektor (15 %) und schließlich dem Gebäudesektor mit 6 %. Allerdings können 90 % der CO2-Emissionen aus der Energieversorgung den Sektoren Industrie und Gebäude zugerechnet werden, wodurch deren Anteile auf 34 % bzw. 16 % steigen würden. Insgesamt überragten die zusätzlichen CO2-Emissionen aufgrund weltweit gestiegener Aktivitäten die Einsparungen im Kohlendioxidausstoß durch verbesserte Energieintensität im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung sowie durch verringerte Kohlenstoffintensität der Energie. Bei letzterer waren die Verlagerung von Kohle zu Erdgas sowie zunehmender Einsatz erneuerbarer Energieträger entscheidend. Um die Erderhitzung auf + 1,5°C zu beschränken müssten sich u.a. die Kohlenstoffintensität der Energie nach den Modellberechnungen des IPCC zwischen 2020 und 2050 um jährlich – 7,7 % verringern, für eine Beschränkung der Erderhitzung auf + 2°C wären – 3,5 % pro Jahr notwendig. Allein hier klafft somit eine riesige Lücke zu der durchschnittlich gesunkenen Kohlenstoffintensität im Ausmaß von – 0,3 % pro Jahr zwischen 2010 und 2019 auf.

Ein „weiter wie bisher“ und Warten auf technologische Wunderlösungen stellt daher keine Option dar. Klimaforscher Kaser betont, dass die bisherigen Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen: „Wir können nichts anderes tun, als den Energieverbrauch zu reduzieren, um den Ausstoß von Treibhausgasen sehr schnell auf null herunterzufahren.“ Der ‚European Green Deal‘ kommt für Kaser in seiner jetzigen Fassung 20 Jahre zu spät[3], es werde immer klarer, dass es einen Systemwandel braucht. Anpassungen, Korrekturen und Drehen an einzelnen Stellschrauben, seien im Kampf gegen die Klimakrise zu wenig.[4]

Denn trotz deutlich gestiegener Investitionen in Technologien mit niedrigen Emissionen, fehlen in vielen Bereichen Lösungen bzw. sind sie wenig ausgereift, wie in der Zement- oder der chemischen Industrie. Andere Lösungsansätze, z.B. in der Stahlindustrie, benötigen Unmengen an Strom, deren Bereitstellung durch erneuerbare Energieträger zumindest in gewissen Regionen fraglich ist, vor allem, wenn sie in Konkurrenz mit anderen Bereichen tritt. Besonders ausgeprägt sind die technischen und ökologischen Unsicherheiten und Gefahren bezüglich Technologien, die durch biologische, geochemische oder chemische Prozesse negative Emissionen erzielen, also Treibhausgase wieder einfangen sollen. Dennoch gewinnen derartige CDR-Methoden (Carbon Dioxide Removal) eine immer bedeutendere Rolle, je fahrlässiger die Einsparungen von Treibhausgasemissionen vernachlässigt oder hinausgeschoben werden. Damit muss offen die Frage gestellt werden, inwieweit die Verhinderung einer drohenden Klimakatastrophe mit dem Festhalten an einer weiteren wirtschaftlichen Wachstumsorientierung v.a. im globalen Norden vereinbar ist, sofern nicht schnelle und große technologische Sprünge bei Innovationen und Anwendungen vonstattengehen oder sich die Wirtschaftsstruktur entsprechend verändert. Da die benötigte erneuerbare Energie für eine reine Umstellung der energetischen Basis in derartigem Umfang in nächster Zukunft nicht zur Verfügung stehen wird, geht es für den Klimaforscher Kaser „auch stark um die Reduktion des Energiekonsums“.[5] Daraus ergeben sich wiederum nationale und globale Verteilungsfragen etwa hinsichtlich Arbeitsplätzen, Arbeitszeit, Einkommen und Vermögen oder Konsum.

Für das Erreichen des 1,5°C-Ziels sowie des 2°C-Ziels muss unmittelbar und allumfassend gehandelt werden. Die weltweiten Emissionen müssen aller spätestens 2025 ihren Höhepunkt erreicht haben und dann schnell und tiefgreifend verringert werden. Der globale Norden ist hier verpflichtet, aufgrund seines Anteils an den historischen Treibhausgasemissionen sowie des damit verbundenen Wohlstandsniveaus sowohl zeitlich als auch hinsichtlich des Reduktionsausmaßes voranzuschreiten. Soziale Problemfelder und Ungleichheiten müssen hierbei auf nationaler und globaler Ebene ebenso gelöst, wie die relevanten Produktionsmitteln in gesellschaftliches Eigentum überführt werden. Denn die mit letzteren einhergehende Entscheidungs- bzw., im Kampf gegen die Klimakrise treffender, Blockademacht zur Aufrechterhaltung von Profiten gefährdet die Lebensgrundlagen der Menschheit. Die durch die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen aufgehäuften Vermögen finden aus Rentabilitätsüberlegungen nur völlig unzureichend Wege in zukunftsnotwendige Investitionen. Laut IPCC-Sachstandsbericht belaufen sich die weltweiten Investitionsanforderungen zur Erreichung des 1,5°C-Ziels alleine für 2020 bis 2030 auf das sechsfache des derzeitigen Niveaus. Neben anderen Unzulänglichkeiten (Wachstumsorientierung, Standortkonkurrenz statt internationaler Kooperation, etc.) ist auch die finanzielle Ausstattung des von den europäischen Eliten groß gefeierten ‚European Green Deal‘ mit 1,8 Billionen Euro in den nächsten sieben Jahren selbst für die eigene, fragwürdige Zielsetzung eines grünen, wachsenden Kapitalismus nicht annähernd ausreichend. Nach zähen Verhandlungen stehen den durchschnittlich bereitgestellten 260 Mrd. Euro pro Jahr notwendige jährliche Investitionen von geschätzt 885 Mrd. Euro entgegen.

Wie leicht bei entsprechendem Willen Geld lockergemacht werden kann, zeigt die aktuelle Aufrüstungswelle in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Dabei ist die globale Waffenindustrie schon jetzt für ungefähr 2 % der globalen Treibhausgase verantwortlich.

Der offene Brief der Klimagerechtigkeitsbewegung findet hier deutliche Worte: „Der Krieg befeuert die Klimakrise. Aktuelle Aufrüstungspläne … führen nicht zu einem Ende von Krieg und Gewalt. Sie erzeugen eine Eskalationsspirale, die Lebensgrundlagen in Krisen zerstören, zur Beschleunigung des Klimawandels durch den massiven Treibhausgas-Ausstoß beitragen, weltweite Naturzerstörung anheizen und dem dringend nötigen Umbau der Mobilitäts- und Energiesysteme finanzielle Mittel entziehen.“

Vor allem im Kampf gegen die Überschreitung von Kipppunkten des weltweiten Klimasystems gilt es keine Zeit zu verlieren und keine Ressourcen zu verschwenden, denn jedes Zehntelgrad zählt!


[1] IPCC (2022): Climate Change 2022, Mitigation of Climate Change, Summary for Policymakers, S 52.

[2] Hier werden alle Treibhausgase entsprechend ihrer Wirkung in Kohlendioxid umgerechnet.

[3] Klimakipppunkte: Kettenreaktion alarmierend nahe – news.ORF.at

[4] Nur noch Zeit bis 2025: Die fünf großen Hürden zur Rettung der Erde – news.ORF.at

[5] Ebenda.

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