Raus auf die Straße: Gegen Rechtsextremismus und Rassismus

Gegen den Rechtsruck wie dessen Wegbereiter!

In der letzten Woche gingen in Deutschland Hundertausende Menschen gegen Rechtsextremismus und Rassismus auf die Straße. Die Empörung über das Potsdamer Geheimtreffen von AfD-Politikern, Identitären-Recke Martin Sellner und Vertreter der rechtskonservativen Werteunion zur verharmlosend „Remigration“ genannten ethnischen Säuberung Europas war und ist zurecht groß und zwischenzeitlich in einen Aufstand gegen ‚Rechts-Außen‘ umgeschlagen. Die völkischen Säuberungsideen von Potsdam finden aber auch in Österreich in unterschiedlichen Schattierungen Unterstützung. Dementsprechend rufen auch wir als KOMintern zur Teilnahme an der morgigen Demonstration „Gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Demokratie verteidigen!“ auf, verwehren uns aber mit Nachdruck gegen sämtliche Instrumentalisierungs- und Vereinnahmungsversuche durch die Wegbereiter der Rechtsentwicklung und des aufbrandenden Rechtsextremismus in Österreich und Europa.

Demonstration: „Gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Demokratie verteidigen!“

Freitag, 26.1., 18.00 Uhr, Treffpunkt: vor dem Parlament

„Das Geheimnis des Geheimtreffens“ in der Adlon Villa in Potsdam

Geflissentlich verschwiegen wurde und wird dahingehend weitgehend, was Martin Sellner damit meinte, dass die Idee längst in der Öffentlichkeit angekommen ist. Patrick Bahners Beitrag in der gutbürgerlichen FAZ brachte dies unter dem Titel „Das Geheimnis des Geheimtreffens im Hotel“ indes ganz gut auf den Punkt: „In der Sache gehen die Punkte in Sellners Konzept […] an vielen Stellen nur ein oder zwei Schritte über die migrationspolitischen Planspiele der Ampelkoalition und der Unionsparteien hinaus.“ Und man muss dazu wahrlich nicht nach Deutschland blicken.

Allparteienkoalition, rechts-außen und die Zentrifuge der Mitte

Dass sich FPÖ-Chef Herbert Kickl im ORF von der Idee bzw. dem Plan einer „Remigration“ partout nicht distanzierte, dürfte kaum wen verwundern. Johlt doch auch die FPÖ für einen Asylstopp, Internierungslager für Geflüchtete außerhalb der EU-Grenzen und massenhafte ‚Rückführungen‘ für „solche Menschen“ (Menschen mit Migrationshintergrund) auch wenn sie die österreichische Staatsbürgerschaft erworben haben (dann muss sie „solchen Leuten“ eben entzogen werden). Auch für Sebastian Kurz bildete seine restriktive wie menschenverachtende Migrations- und Asylpolitik bekanntlich das „Herzstück“ seiner „Politik“, worin ihm sein Nachfolger als Kanzler und ÖVP-Vorsitzender Karl Nehammer in nichts nachsteht. Und auch der neu gekürte ÖVP-Spitzenkandidat für die Europawahlen Reinhold Lopatka hat sich sogleich das Migrationsthema als Hauptagenda auf die Fahnen geheftet und die weitere Verfestigung der „Festung Europa“ als Programm ausgegeben. Und um die schmähliche Rolle der SPÖ und Grünen nicht außen vor zu lassen, sei neben ihrer immer restriktiveren Migrations- und Asylpolitik in Regierungsverantwortung, nicht zuletzt auf den Todesstoß des EU-Asylrechts durch die weitgehende Allparteienkoalition des „Wertewestens“ von Konservativen, über Sozialdemokraten, Liberale und Grüne vor einem Monat verwiesen.  

Der gesellschaftliche Rechtsruck nach „rechts-außen“ im Spiegel des „rechts-innen“ der Sozialdemokratie

All das, sowie die neoliberale Zurichtung der Gesellschaft und das damit einhergehende Erodieren der sozialen Verhältnisse, ist freilich nicht neu. Spätestens seit SP-Innenminister Franz Löschnak (1989 ff) ist es in Stein gemeißeltes sozialdemokratisches Programm, dem aufhaltbaren Aufstieg der Rechten dadurch den Wind aus den Segeln nehmen zu wollen, indem man in der sogenannten „Ausländerpolitik“ in ihrem Fahrwasser segelt. Und spätestens mit der Großen Koalition unter Franz Vranitzky (1987 ff) begann sich auch in Österreich die Sozialdemokratie nicht nur für den Neoliberalismus zu erwärmen, sondern vollzog eine scharfe neoliberale Wende. Mit dem „Blair-Schröder-Papier“ zur Jahrtausendwende empfahl sich das Personal der europäischen Sozialdemokratie dann auch sozusagen offiziell als über keine eigene Alternative mehr verfügendes Verwaltungspersonal eines wilden EU-Kapitalismus an. Am vorläufigen Markpunkt dieses jahrzehntelangen Rechtrucks, steht ein rasanter europaweiter Aufstieg des Rechtsextremismus, der landauf, landab bereits (s)ein „Jahr der Wende“ ausgerufen hat und eine „fundamentale Krise der liberalen parlamentarische Demokratie“.

Der Aufstand gegen Rechts und seine Vereinnahmungsversuche durch die Wegbereiter der Entzivilisierung

Wogegen die etablierten VertreterInnen des politischen Systems auf Druck der – auf den Straßen ihre Auseinanderdivision und Entsolidarisierung, sowie Manipulation abstreifenden – Massen jetzt symbolisch aufrufen, ist im Kern eine Politik die sie selbst betreiben. Und ein massenhaftes, couragiertes Aufstehen gegen Rassismus und die extreme Rechte, das sie jetzt heuchlerisch zu vereinnahmen und zu instrumentalisieren versuchen. Ein Aufstand gegen das, was sie selbst durch ihre politische Neujustierung und Verschiebungen der politischen Koordinatensysteme, durch ihre Narrative, Programmatiken sowie ihrer Regierungs- und Tagespolitik erst ermöglicht und vorangetrieben haben.

Schlaglichter auf die europäische Mitte des politischen Systems

Umso notwendiger nur, gegen den immer gesellschaftsfähigeren, quer durch Europa mit neuer Macht aufbrandenden Rechtsextremismus aufzustehen. Um Dämme gegen diesen zu setzten, darf man aber keinen Verblendungen aufsitzen. So, um das in den letzten Tagen im Brennpunkt  stehende Deutschland heranzuziehen: In derselben Bundestagssitzung die der sozialdemokratische Kanzler Olaf Scholz mit seinem Entsetzen über die Deportationspläne der AfD eröffnete, das Parlament die  „Wehrhafte Demokratie“ preiste und eine breite Debatte gegen „Vertreibungspläne“ führte, beschloss die Ampelkoalition keine drei Stunden darauf mit ihrem sogenannten „Rückführungsverbesserungsgesetz“ drastische Verschärfungen zur Abschiebung. SPD-Innenministerin Nancy Faeser schwadronierte pünktlich zur Tagesordnung sogleich ihrerseits wieder von der ‚Notwendigkeit‘ eines „Bündel(s) restriktiver Maßnahmen für mehr und schnellere Rückführungen“. Und den Oliv-Grünen fällt nicht mehr ein als zum von ihnen mit auf den Weg gebrachten „Asylkompromiss“ fürs Wahlpublikum stupid zu vermerken, „das Gesetz ist gewiss nicht das grüne Wahlprogramm.“ In Frankreich gehen derweilen – auf Aufruf der Gewerkschaften, linker Parteien, NGOs und fortschrittlicher Persönlichkeiten sowie inspiriert von den deutschen Demonstrationen – Zehntausende gegen das „Zuwanderungsbekämpfungsdekret“ der liberalen europäischen Vorzeige-Figur Emmanuel Macron auf die Straßen. Und über das in Großbritannien unter Rishi Sunak gerade erlassene Gesetz, sämtliche Schutzsuchende und Asylwerber ins 6.400 km entfernte Ruanda zu verfrachten, erübrigt sich ohnehin jedes Wort.

Von Skandalon zum EU-Konsens im Zeitraffer eines Wimpernschlags

Ein begleitender jüngerer Rückblick: Es war 2017 als der damalige EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani von der rechten Forza Italia und heutiger Vize-Premier von Italiens Postfaschistin Giorgia Meloni Internierungslager für Geflüchtete „an der Grenze zwischen dem Niger und Libyen“ forderte. Seither nahm die Auslagerung der „Flucht- und Migrationsabwehr“ an Afrika und Verlagerung der ‚EU-Außengrenzen‘ bis tief in den afrikanischen Kontinent nochmals rasant an Tempo auf. Jüngst einigten sich die VertreterInnen der EU-Staaten und des Europaparlaments nach jahrelangem Feilschen schließlich auf eine rigorose Verschärfung des EU-Asylrechts in regressiver „Reform“ des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Von der weitgehenden Allparteienkoalition des „Wertewestens“ frenetisch als „historische Einigung“ und „wegweisend“ bejubelt, charakterisieren NGOs die Verschärfung zu Recht als Todesstoß des europäischen Asylrechts – was die Jubelstimmung von Ursula von der Leyen bis Werner Kogler indes nicht zu trüben vermag.

Der Blutzoll an den Händen der Eliten der „Festung Europa“

Entsprechend klebt an den Händen der ökonomischen und politischen Eliten der „Festung Europa“ selbst immer mehr Blut. „Das gut recherchierende Projekt ‚Migrant Files‘“ etwa, „geht davon aus, dass von 2004 bis 2019 bis zu 80.000 Flüchtende allein im Meer gestorben sind – dazu käme noch einmal mindestens die gleiche Opferzahl in Folge von Verdursten, Verhungern und Ermordungen“, so der Journalist David Goeßmann, um den zu verantwortenden Blutzoll des europäischen Abschottungsregimes etwas deutlicher vor Augen zu führen.

Der Journalist Arnold Schölzl geht daher noch einen Schritt über Patrick Bahners hinaus: „Sellner hat recht: Die Unterschiede sind nicht groß, wenn der [deutsche] Kanzler [Olaf Scholz] ‚Abschiebung in großem Stil‘ ankündigt, die Innenministerin ‚Clan‘-Mitglieder auch ohne Straftat irgendwohin schicken will – womöglich in eins der Lager, die in Nicht-EU-Staaten jetzt errichtet werden sollen. Wer ungerührt Zehntausende im Mittelmeer ertrinken lässt, hat mit Antasten der Menschenwürde kein Problem. Da setzt der Faschist nur eins drauf.“ Denn wie trommelte Olaf Scholz im Spiegel vor drei Monaten auf dessen Titelseite: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“.

„Zur Wahrheit gehört nicht nur das Resultat, sondern auch der Weg“ (K. Marx) & ist gleichwohl freilich nicht einfach alles über einen Kamm zu scheren

Natürlich sind der „Masterplan“ der extremen Rechten zur „Remigration“ (gegen die verschwörungstheoretische Halluzination eines „Großen Austausch“ oder rechtsextreme Fiktion eines angeblichen „Bevölkerungsaustauschs“) nicht einfach mit der radikalen Verschiebung des politischen Koordinatensystems in Österreich und der EU über einen Kamm zu scheren. Aber das Unterfangen, dem aufbrandenden Rechten in Europa dadurch das Wasser abgraben zu wollen, indem man in Kniefall vor sie hinsinkt, ihr Programm zum eigenen erhebt und deren Agenda einfach selbst durchsetzt, wird ebenso scheitern, wie das politische Koordinatensystem weiter nach rechts verschieben. Und führt zugleich die ganze menschenverachtende Verlotterung auch der politischen EU-Eliten und des politischen Systems Österreichs vor Augen.

Rosa Luxemburg beherzigend jetzt Dämme setzten

Zwar ist die angebliche „Migrationskrise“ frei erfunden – und doch trommeln von der Brüsseler Allparteienkoalition des „Wertewestens“ bis ganz rechts-außen sämtliche etablierte und rechtsextreme politische Kräfte ein nicht so groß unterschiedliches Lied. Wenn alle in ethnischer Umdeutung sozial-ökonomischer Fragen und der multiplen Krise des Kapitalismus nach seiner jahrzehntelangen neoliberalen Rosskur darin übereinstimmt, dass Migration das angeblich „größte Problem“ Österreichs und Europas sei, was Wunder über das Brechen sämtlicher gesellschaftlicher Dämme, der manifesten Entzivilisierung und dem aufbrandenden Rechtsextremismus. 

Und was die Verteidigung der Demokratie anbelangt, sei mindestens Rosa Luxemburg beherzigt, die bereits früh unter geschichtlichem Blickwinkel festhielt – zweifellos:  „Die Demokratie hatte die Bourgeoisie schon vor uns auf ihre Fahne geschrieben“. Allerdings, das Demokratieinteresse der Bourgeoisie und ihres politischen Personals ist höchst unterschiedlich und bewegt sich historisch auf „absteigender Linie“. Wirklich wirksame Brandmauern gegen rechts und dem weiteren Schicksal der Demokratie sind denn auch an die (allem voran originäre) ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung und zivilgesellschaftliche Bewegungen gebunden. Und das beinhaltet zugleich, den Kampf gegen die Reaktion, Neue Rechte und den Neo-Faschismus mit dem konsequenten Kampf für eine soziale, demokratische und humanistische Wende zu verknüpfen – und sich, ohne Bündnisfronten künstlich zu verengen, nicht unter den hegemonialen Karren „unehrlicher Makler“ spannen zu lassen.

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