Julian Assange und die Rache des US-Welt-Sheriffs

Die USA waren in den 245 Jahren ihrer Existenz (1776 – 2021) nur 16 Jahre nicht (!) im Krieg. 229 Jahre hingegen mehr oder weniger durchgängig in Eroberungs- oder Angriffskriegen. Dabei wurde die heutige Führungsmacht des Westens (bis auf den japanischen Angriff auf den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbor auf der Insel O’ahu, Hawaii) in ihrem zweieinhalb Jahrhunderte langem Bestehen niemals von einem anderen Land angegriffen. Dass diese Geschichte unentwegter Kriege mit zahllosen Kriegsverbrechen, Völkermord und genozidalen Massakern gepflastert ist, ist ebenso bekannt, wie es mit aller zur Verfügung stehenden Macht des Empires aus dem Bewusstsein verdrängt und gestrichen werden soll. Daher auch die Hatz auf den Störenfried Assange.

Der seit seinen Enthüllungen unerbittlich verfolgte Investigativ-Journalist Julian Assange steht denn auch unmittelbar vor der Auslieferung an die USA. Nicht verziehen wird ihm von Washingtoner und westlichen Kriegsherren und Militärs, gerade auch unter den Vorzeichen der Gegenwart, seine Dokumentation der kaltblütigen Ermordung irakischer Zivilisten, darunter zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters, aus einem Apache-Kampfhubschraubers heraus und sich dabei für ihre Treffer gegenseitig gratulierend.

Das „Verbrechen“, dessen Assange beschuldigt wird und auf das ihm bis zu 175 Jahre Haft drohen, liegt denn auch in der couragierten Aufdeckung von US-Kriegsverbrechen im Irak und Afghanistan, wie etwa genanntem von Scharfschützen wie in einem Videospiel massenhaft ‚abgeknallten‘ Zivilisten in Bagdad oder der Enthüllung von US-amerikanischen Erniedrigungs- und Folterpraktiken in beispielsweise Abu Ghraib. Darüber hinaus hat er zudem Dokumentationen der unsäglichen Menschenrechtsverletzungen im US-Schreckens- und Folger-Gefangenenlager Guantanamo einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Würden seine Enthüllungen nicht die Kriegsverbrechen der Streitkräfte des US-Welt-Sheriffs in ihrem 8-jährigen Irak-Krieg und 20-jährigem Afghanistan-Krieg betreffen, wartete auf ihn wohl der renommierte Pulitzer-Preis (der Oscar des Journalismus) oder mindestens weltweite Medieneinladungen zu den besten Sendezeiten bzw. honorige Jobangebote wie für Marina Ovsiannikova – so aber mutmaßlich lebenslange Isolationshaft ohne Kontakt nach außen. Oder auch die Hinrichtung, wie sie der ehemalige Gouverneur von Arkansas Mike Huckabee auch öffentlich fordert: „Alles außer einer Hinrichtung ist eine zu milde Strafe“ – und welche die CIA unter Mike Pompeo bekanntlich auch in Form einer Spezialoperation in Erwägung zog.

Aber während gegen andere Länder als „God‘s Own Country“ alle Register gezogen würden, kollaboriert die „westliche Wertegemeinschaft“ in der dreckigen Hetzjagd auf Assange vielmehr noch mit dem „transatlantischen Verbündeten“ oder duckt sich mit Redeschablonen weg. Für die Menschenrechts- und Journalistenorganisationen sowie demokratische Öffentlichkeit hingegen ist der Fall Assange die „aktuell bedeutendste Debatte um die Pressefreiheit weltweit“ (jw). Für die Linke wiederum, so lässt sich hinzufügen, ist der Fall Assange eine Feuerprobe für letzte verbliebene Reste an autonomen Bewusstsein – außer sie watet „angekommen“ selbst über den Morast unentwegter Eroberungskriege, des Völkermords, des Abwurfs der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, die Millionen Todesopfer in Korea und Vietnam oder die Verheerung ganzer Staaten wie Afghanistan, Irak, Libyen in Failed States hinweg und reiht sich in den von den imperialistischen Kernländern ausgerufenen „Pivot to Asia“ um die globale Vorherrschaft des Westens ein. Alles andere als der sofortige Stopp seiner Auslieferung an Washington und seine Freilassung markierte einen historischen Skandal.

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