Das verheerende Erdbeben von 5. auf 6. Februar der Stärke 7,8 hat den Südosten der Türkei und den Norden Syriens schwer erschüttert, Tausende in den Tod gerissen und eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Das ganze Ausmaß der Zerstörung ist derzeit noch gar nicht absehbar. Die Rettungsaktionen, Hilfsmaßnahmen und Bergung Verschütteter sind bei winterlichen Temperaturen ein regelrechter Wettlauf mit der Zeit. Davon unberührt setzte Ankara keine 24 Stunden nach der Erdbebenkatastrophe seine Bombardierung Nordsyriens bereits wieder fort.
In seiner Stärke und Verheerung erinnert das Erdbeben fatal an jenes von 1999, die schlimmste Erdbebenkatastrophe der Türkei, die mit einer Stärke von 7,4 damals 17.000 Menschen das Leben kostete. Maßgeblich mit dazu beigetragen hatten seinerzeit die mangelnden Bauvorschriften und schleißigen Standards. Zwar wurden diese auf dem Papier 2004 gesetzlich verschärft. ExpertInnen zweifeln aber, dass sich dadurch tatsächlich substantielles in Richtung erdbebensicheren Bauten geändert hat. Zugleich ruft einem das Erdbeben in der Südosttürkei gleichzeitig auch jenes von 2011 in Van ins Gedächtnis, dem 600 Menschen zum Opfer fielen. Denn Van lag ebenfalls im kurdischen Kerngebiet. „Der alltägliche Rassismus und Nationalismus in der Türkei hatte unter anderem dazu führt, dass Hilfsgüter zurückgehalten und Lastwagen mit Spenden geplündert wurden“, wie kurdische Strukturen gerade erinnern. „Noch heute müssen Betroffene in Containern und provisorischen Behausungen oder Zelten ausharren, weil eine staatliche Wiederaufbaupolitik faktisch nicht existiert.“ Entsprechend besorgt sind kurdische und linke Kräfte auch, dass sich die Geschichte wiederholen könnte, was sich auch insofern bereits abzeichnet, als in vielen vor allem von Kurd:innen, Araber:innen sowie auch Armenier:innen bewohnten Regionen noch immer keine staatlichen Such- und Rettungseinheiten eingetroffen sind. „Immer noch harren zudem Hunderttausende bei Regen und Schnee im Freien aus. Immer noch werden Verwundete nicht versorgt. Stündlich steigt die Zahl der Toten“, hielt denn auch ANF gerade fest.
Während die Nachrichtenlage aus der Türkei medial präsent ist und in Ankara stündlich weltweite Hilfsangebote eintreffen, verläuft für Syrien und die bislang unter einer türkischen Militäroffensive und Einmarschdrohungen stehende Demokratische Föderation Nord- und Ostsyrien beides nur schleppend. Und während der syrische Rote Halbmond angesichts der katastrophalen Lage zur umgehenden Aufhebung der westlichen Wirtschaftssanktionen gegen das Land aufruft, bombardierte die türkische Armee keine 24 Stunden nach dem verheerenden Erdbeben bereits wieder die Stadt Tel Rifat in Nordsyrien.
Da staatliche türkische Hilfe in den kurdischen Gebieten der Südosttürkei vielfach nicht oder nicht dort ankommt, wo sie am dringendsten benötigt wird, organisieren die politisch verfolgte kurdische Zivilgesellschaft, linke Kräfte unterstützt von einigen wenigen zivilen Hilfsorganisationen auch eigenständig „Hilfe von unten“, wie aktuell Anita Starosta von medico international, die seit Jahren die betroffenen Gebiete in Nordsyrien unterstützen und mit lokalen Organisationen und Helfer:innen in Rojava zusammenarbeiten, gerade unterstrich. Zumal, neben der politisch interessierten Lenkung der Katastrophenhilfe nach Vorzeichen des „Palast“ in Ankara, das einzig Verlässliche die zynische Profit-Logik des Kapitals ist: Demgemäß sind denn auch gerade die Aktienwerte für Zement an der Istanbuler Börse regelrecht in die Höhe geschossen.
Entsprechend sind auch eine Reihe linke türkische und kurdische Organisationen mit Spenden-Konten für direkte, solidarisch-internationalistische Hilfen vor Ort (von Verpflegung, über Decken, Winterkleidung, Schlafsäcke, bis zur dringenden Errichtung von Notunterkünften) an die Öffentlichkeit gegangen, für die auch wir als KOMintern aufrufen.