„Hitzefrei“! – und zeigemäße Arbeitsschutzmaßnahmen

Die brütende Hitzewelle der letzten Tage hatte es wieder in sich. Verglichen mit der Zeit bis 1990 sind Hitzewellen in Österreich laut GeoSphere Austria denn auch um rund 50 Prozent häufiger und zudem um einige Tage länger geworden.

Derartige Extremtemperaturen sind bekanntlich nicht nur drückend, sondern auch gesundheitsschädigend und für vulnerable (besonders bedrohte) Gruppen sowie diverse Arbeitstätigkeiten schlicht lebensgefährlich. Entsprechend gibt es seit der Jahrtausendwende auch in Österreich zunehmend Jahre mit mehr Hitzetoten als Straßenverkehrsopfern. Ab einem gewissen Punkt an Hitze und jeweiliger Luftfeuchtigkeit (sog. „Kühlgrenztemperatur“, „Feuchtkugeltemperatur“) kann der Körper sogar keine Wärme mehr an die Umgebung abgeben, also sich durch Schwitzen (Verdunstungskühlung) nicht mehr vor Überhitzung schützen, sondern nimmt vielmehr Wärme von ihr auf. Es kommt zu lebensbedrohlichen Überhitzungen. Ein Zustand, zu welchem hin Teile des Globus heute schon tendieren.

Da hilft auch keine Gewöhnung an Hitze oder maskulines Getue mehr. Bei einer derartigen Entwicklung, so der bekannte Klimaforscher Hans J. Schellnhuber, „würden in manchen Weltgegenden Temperatur und Luftfeuchte in einem für den Menschen unerträglichen Maße zunehmen. Da geht es nicht ums Wohlfühlambiente, sondern um das nackte Überleben außerhalb klimatisierter Räume. Körperliche Arbeit auf dem Bau oder in der Landwirtschaft würde dann ganz unmöglich.“

Aber auch in unseren Breiten läuten bereits heute die Alarmglocken. Das betrifft vor allem vulnerable Gruppen und Arbeitstätigkeiten, die teils bis an die Grenzen des für menschliche Körper unter Hitze Zumutbaren, ja Verkraftbaren reichen. Und das belangt beiweilen nicht „nur“ Arbeiten im Freien, sondern zahlreiche Arbeitsplätze. So markieren auch etwa Tätigkeiten in Arbeitsräumen oder in Fahrerkabinen breitflächige Hitzepole. Unter solchen Bedingungen sinken nicht nur Leistungsfähigkeit und Konzentration deutlich ab – und zwar sowohl körperliche wie geistige Tätigkeiten betreffend –, sondern nimmt umgekehrt auch das Risiko der Fehlerhäufigkeit, für Unfälle und (bleibende) gesundheitliche Schäden deutlich zu.

Folglich ist es denn auch allerhöchste Zeit für entsprechende, zeitgemäße Arbeitsschutzregelungen (von gesonderten Schatten- und Trinkpausen zu generellen Hitzepausen, normierten Raumtemperaturen mit maximal 25 Grad, Abschattung vor direkter Sonneneinstrahlung, Lockerung eventuell bestehender Kleidungsvorschriften, Recht auf Homeoffice, etc.) und „hitzefrei“ ab bestimmten unzumutbaren Temperaturen. Demgemäß fordert etwa die Gewerkschaft Bau-Holz schon sei Längerem den Rechtsanspruch auf „hitzefrei“ ab 32,5 Grad und hat zudem auch eine Hitze.App für die Beschäftigten entwickelt. Denn bislang obliegt die Möglichkeit, Bauarbeitern (sowie Zimmerern, Gipsern, Dach­deckern und Gerüstern) nach dem Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz (BSchEG) ab 32,5 Grad „hitzefrei“ zu geben in Österreich der freien Entscheidung der Bau-Unternehmen und Arbeitgeber. Zum anderen hatten bis zur Entwicklung der Hitze.App nur die Arbeitgeber Zugang zur nächstgelegenen Messstelle der vormaligen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) – heute: GeoSphere –, deren Messwerte als Richtwerte gelten, was stets große Unsicherheiten unter den Beschäftigten nach sich zog.

Freilich, so dringend erforderlich und unumgänglich derartige Weiterentwicklungen der Arbeitnehmerschutzgesetze sind, ohne gleichzeitig auch gewerkschaftlich die Klimapolitik auf die oberste Agenda zu setzen, befinden wir uns ungebremst auf „Highway in die Klimahölle“ (UN-Generalsekretär António Guterres) und vor einer Zukunft auf verbrannter Erde.

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