Historische Streiflichter: Mensch – Ökosysteme – Umweltzerstörung – Krise

Mit dem umwälzenden Übergang der Menschheit von Sammlern und Jägern zur ‚Produktionswirtschaft‘, also Erzeugung von Lebensmitteln durch Ackerbau und Viehzucht, samt Aufblühen des Handwerks und der Herausbildung von Stadtstaaten, begann der zivilisatorische Aufstieg des Menschen. Mit diesem ging gleichzeitig untrennbar eine qualitativ neue Umgestaltung der Natur einher.

Mesopotamien & die Antike

Aber bereits an der Wiege der menschlichen Zivilisation im Alten Vorderen Orient zeigt sich zugleich erstmals die ökologische Widersprüchlichkeit des „naturwüchsigen“ Fortschritts. Die Menschen im Zweistromland Mesopotamien hatten gelernt, nicht mehr auf den Regen zu warten, sondern sind mit immer umfassenderen Bewässerungssystemen und –netzen zum Bewässerungsbodenbau übergegangen. Allerdings: das über Jahrhunderte auf die Felder geleitete Wasser verdunstete in der sengenden Hitze und ließ die ursprünglich in ihm gelösten Salze auf den Feldern zurück, wodurch die vormals fruchtbaren Böden zu versalzen begannen. Die einst blühenden Gärten von Sumer, Akkad und Babylon sind so zu einem beträchtlichen Teil in des Wortes strengem Sinn wieder wüst geworden: nämlich Wüste.

Das antike Griechenland und spätere römische Reich wiederum entwaldeten später die Region um das Mittelmeer (teils zur Ausbreitung des Ackerbaus, teils für den Schiffsbau), mit irreversiblen Auswirkungen auf die mediterrane Landschaft und Umwelt. Dem Flottenbau der Römer fielen dabei nicht nur die alten Wälder Italiens weitgehend zu Opfer, sondern auch den Balkan hat er verkarstet hinterlassen.

Derartige Folgewirkungen von Eingriffen ohne Rücksicht auf die Reproduktionsbedingungen der Umwelt vor Augen, betonte denn auch bereits Friedrich Engels: „Schmeicheln wir uns indes nicht zu sehr mit unseren menschlichen Siegen über die Natur. Für jeden solchen Sieg rächt sie sich an uns. … Die Leute, die in Mesopotamien, Griechenland, Kleinasien und anderswo die Wälder ausrotteten, um urbares Land zu gewinnen, träumten nicht, dass sie damit den Grund zur jetzigen Verödung jener Länder legten …“

Manufakturperiode & industrielle Revolution

Aber diese Zwiespältigkeit betrifft natürlich nicht „nur“ Felder und Wälder. Mit Beginn der Manufakturperiode bzw. der Industriellen Revolution etwa, lechzten die entwickelten Gesellschaften verstärkt nach Energie und einer Transformation der Energiesysteme. Während in England hierfür mit der Verfeuerung von Kohle bereits der schwerwiegende Übergang hin zu fossilen Energieträgern eingeleitet wurde, stieg in Preußen (das in der industriellen Entwicklung noch mehrere Jahrzehnte zurücklag) zunächst das Wasser zum wichtigsten Energieträger auf. Mit dem Ergebnis allerdings, dass beispielsweise in Brandenburg aufgrund der dicht gestaffelten Wassermühlen entlang der Ufer die Fließgeschwindigkeit der Flüsse derart rapide abnahm, wodurch die Wasserverdunstung in einem Ausmaß zunahm, durch welche eine unmittelbare Wasserknappheit eintrat.

Maya & Wikinger

Noch folgenschwerer erwies sich die Entwicklung der Hochkultur der Maya. Gegen Ende ihrer imposanten Spätklassik hatte sie den größten Teil der tropischen Regenwälder der südlichen Tiefebene Yukatáns abgeholzt und zugleich die Zeit der Brache der Felder drastisch verkürzt. Die relativ dünnen Böden verloren daraufhin zunehmend ihre Ertragsfähigkeit. Anstatt dieser Krise allerdings angemessen zu begegnen, verstärkten die herrschenden Oberschichten die Errichtung monumentaler Bauwerke zu Verherrlichung der Götter und Herrschenden und entfesselten kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den Stadtstaaten um die Vorherrschaft und knapper werdende Ressourcen. Die – freilich nicht nur ökologischen – Probleme des Gesellschaftssystems der Maya ließen sich auf diese Weise natürlich nicht lösen. Auf längere Sicht verschärften sie stattdessen die Misere vielmehr noch. Schlussendlich brach das System zusammen und die Maya-Kultur ging unter.

Nicht viel anders reagierten wenig später die Oberschichten der Wikinger Grönlands auf (allerdings unverschuldete) klimatische Verschlechterungen. Anstatt ihre herkömmliche Weidewirtschaft den veränderten Umweltbedingungen anzupassen und dementsprechend umzustellen, entzündeten sie, in der Hoffnung auf höhere göttliche Mächte, zunehmend mehr Lichter am Tag des Hl. Nikolaus und traten bei ihren Robbenjagden in aggressive Konkurrenz zu den alteingesessenen Eisjägern, den Inuit. Beides half indes abermals genau so wenig wie in Yukátan. Letztendlich mussten die Siedlungen aufgegeben werden.

Der planetarische Scheideweg im Kapitalismus

Die Zerstörung der Natur – bis hin zu damit einhergehenden regionalen gesellschaftlichen Backlash’s – unter klassenbedingten Gesellschafts- und Naturverhältnissen sowie borniertem Interesse, ist insofern kein neues Phänomen. „Das Fazit ist“ vielmehr, so Karl Marx, „daß die Kultur – wenn naturwüchsig vorschreitend und nicht bewußt beherrscht – Wüsten hinter sich zurückläßt.“

Aber während es sich in historisch vorkapitalistischen Zeiten um Naturzerstörungen lokalen Charakters bzw. Kollapse regionaler Gesellschaften und Hochkulturen handelte, die (bei allen zerstörerischen, katastrophalen Auswirkungen und tragischen Folgen für die Bewohner) keinen globalen Klima-Umbruch herbeiführten oder den Fortschritt der menschlichen Zivilisation in den Nachbar- bzw. anderen Regionen untergruben, stehen wir heute an einem planetarischen Scheidepunkt. Mit viel weitreichenderen, globalen Konsequenzen: bis hin zur Gefährdung unserer natürlichen Lebensbedingungen.


Dieser Artikel erscheint in KOMpass #19/2019

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