Von Bettina Csoka, Arbeit & Wirtschaft
Hätten am Ende des Jahres im Schnitt alle – egal ob Mann oder Frau – gleich hohe Beträge am Jahres-Lohnzettel stehen, dann wäre der „Equal Pay Day“ der 31. Dezember. 2020 ist dieses Datum bei Vollzeitbeschäftigten aber schon am 22. Oktober! Von da an müssen Frauen also bis zum Jahresende 71 Tage quasi „gratis“ arbeiten, um auf das durchschnittliche Jahreseinkommen der Männer zu kommen.
Bezogen auf den Stundenlohn, weist Österreich im internationalen Vergleich ein besonders hohes Lohngefälle auf. Die saloppe Umrechnung des prozentuellen Einkommensunterschieds auf den aktuellen Jahreskalender bedeutet, dass Männer im Schnitt bereits im Herbst jenes Lohneinkommen ausbezahlt erhalten, wofür Frauen 365 Tage arbeiten müssen. Diese „Lücke“ (der „Gap“) beträgt heuer 71 Tage.
Equal Pay Days in den Bundesländern: 24. September bis 11. November 2020
Mit dem prozentuell höchsten Lohn-Gap von 27 Prozent müssen die Vorarlbergerinnen am längsten „gratis“ arbeiten, nämlich 99 Tage, um das durchschnittliche Männerjahresentgelt zu kriegen. Es folgen Oberösterreich (87 Tage), Salzburg und Tirol (82 bzw. 81 Tage) sowie die Steiermark (76 Tage) und Niederösterreich (73 Tage). „Besser“ als der Bundesschnitt bilanzieren die restlichen drei Bundesländer. Hier datiert der Equal Pay Day später als am 22. Oktober: Burgenland und Kärnten mit jeweils 70 Tagen sowie Wien, wo mit 51 Tagen am kürzesten „gratis“ gearbeitet wird:
Arbeitszeit, Branche und Geschlecht
Das Ausmaß des Verdienstunterschiedes wird durch viele Faktoren verursacht, darunter: Branche, Beruf, Bildungsniveau, Alter, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Vollzeit/Teilzeit, Art des Arbeitsvertrags, Region und Unternehmensgröße. Laut Statistik Austria kann durch diese „beobachtbaren“ Faktoren aber ein kleiner Teil des Gaps erklärt (nicht zu verwechseln mit gerechtfertigt!) werden. Somit ist über die Hälfte der Einkommensdifferenz „unerklärt“, kann also nicht durch geringere Arbeitszeit oder die Branchenkonzentration beschrieben werden. Dass es sich dabei um Benachteiligung aufgrund des Geschlechts handelt, ist anzunehmen.
Österreichs Lohngefälle tiefer als im Euroraum
Auch im internationalen Vergleich rangiert Österreich seit Jahren an den hinteren Rängen. Mit einem Unterschied von rund einem Fünftel zwischen den Stundenlöhnen von Männern und Frauen gibt es hierzulande das europaweit (EU plus ausgewählte Länder) fünfthöchste Gefälle. Im Euroraum-Schnitt werden Frauen in der Stunde durchschnittlich um rund 16 Prozent niedriger bezahlt als Männer. Geringe prozentuelle Unterschiede zwischen Frauen- und Männer-Entgelten sind nicht unbedingt ein Anzeichen für Geschlechtergerechtigkeit in Gesellschaft und Arbeitswelt. So dürfte der niedrige „Gender Pay Gap“ in Italien von nur fünf Prozent in der dort eher niedrigen Frauenerwerbsquote, kombiniert mit einem höheren Anteil von eher besser Ausgebildeten unter den (relativ wenigen) erwerbstätigen Frauen, begründet sein.
Bessere Bezahlung und Lohngleichstellung
Systematisch geringere Lohn- und Gehaltseinkommen sind schon während des aktiven Erwerbslebens ungerecht und wirken sich auch schlecht auf die spätere Pension aus (siehe dazu Geschlechtsspezifischer Pensionsunterschied und Hohe geschlechtsspezifische Pensionslücke in Österreich). Der aktuelle AK-Frauenmonitor zeigt, dass es bis zur Gleichstellung noch ein weiter Weg ist.
Während des Corona-Shutdowns haben rund eine Million Menschen, mehrheitlich Frauen, das Land am Laufen gehalten (siehe wahre Leistungsträgerinnen). Viele von ihnen kommen kaum mit dem Einkommen aus. Die von Politik und Wirtschaftsverbänden verbal und applaudierend geäußerte Wertschätzung für sie muss nun endlich auch finanziell spürbar werden. Daher: der von 140.000 Menschen unterstützte „Corona-Tausender“ vonseiten des Staates sofort! Und in weiterer Folge müssen die Einkommens- und Arbeitsbedingungen in den entsprechenden Branchen auch kollektivvertraglich nachhaltig verbessert werden. Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit sollte im 21. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit werden, auch gesetzlich, so wie in Neuseeland (siehe Neuseeland garantiert die Lohngleichstellung).