Gestern erschien der neue Bericht des Weltklimarats (IPCC). Ein Kernpunkt: Die Erde erwärmt sich rascher als bisher erwartet, genauer: als in vorsichtigeren Szenarien prognostiziert. Parallel zum IPCC-Bericht veröffentlichte auch ZAMG Daten, wie stark die mit dem Klimawandel einhergehende Hitze bereits in Österreich angekommen ist. Laut den aktuellen Daten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik stieg die hiesige Durchschnittstemperatur seit Beginn der Industrialisierung bereits um etwa 2°. Erfolgt keine rasche Umkehr, könnten es bis Ende dieses Jahrhunderts 5° sein. Mit gravierenden Folgen für die Wasserversorgung, Land und Forstwirtschaft und Gesundheit. Während aufgrund der vielfach lodernden Wälder und Überschwemmungen aktuell verständlicherweise Naturkatastrophen im Fokus stehen, fristen die Folgen der zunehmenden Hitze auf unsere Gesundheit sowie Arbeits- und Lebensverhältnisse, nicht zuletzt auch diesbezüglicher zeitgemäßer Regelungen, noch eher ein Nischendasein. Zu Unrecht. Denn, wie Harald Bruckner unlängst zur Recht pointiert formulierte: „Die Klimakrise geht ArbeitnehmerInnen im wahrsten Sinn des Wortes immer öfter unter die Haut“ – bis zur im wortwörtlichen Sinn tödlichen Gefahr am Arbeitsplatz. In anderen Regionen könnten bis Mitte des Jahrhunderts überhaupt bereits die Kipppunkte „menschlicher Bewohnbarkeit“ überschritten werden. Vor diesem Hintergrund bringen wir denn auch den unlängst auf „Arbeit & Wirtschaft“ erschienen Artikel „Dauerbrenner Hitze“.
Die Klimakrise geht ArbeitnehmerInnen im wahrsten Sinn des Wortes immer öfter unter die Haut. Jeder spürt, dass mit der Temperatur auch die gesundheitlichen Belastungen steigen. Die hohen Temperaturen belasten ArbeitnehmerInnen besonders, weil sie die Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz nur bedingt beeinflussen können.
Extreme Hitze als sommerlicher Normalzustand?
In der Vergangenheit wurden Hitzewellen noch medial hochgejubelt. Diese Art der Berichterstattung hat sich nach einer Reihe von Hitzewellen in den letzten Jahren aber geändert oder zumindest auf die erste Hitzewelle im Jahr und die Urlaubszeit begrenzt. Mittlerweile wird immer offensichtlicher, dass die Probleme und Belastungen dieser extremen Temperaturen und der wiederkehrenden Hitzewellen für breite Bevölkerungsgruppen und die Umwelt überwiegen. Die Freude ist in vielen Fällen der Angst um die Gesundheit gewichen.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden unsere Sommer, durch eine Vielzahl von Messstellen statistisch gut belegbar, immer heißer. Diese länger andauernden Hitzeperioden sind mittlerweile „normal“ geworden und sie sind die spürbaren Ergebnisse der globalen Erwärmung. Betrachtet man das ganze Jahr, so zeigt sich, dass die Temperaturen generell ansteigen und damit die Umwelt in verschiedensten Bereichen verändern. Längst ist aufgrund der überwiegend negativen Folgen nicht mehr vom Klimawandel, sondern von der „Klimakrise“ oder „Klimakatastrophe“ die Rede. Die Medienberichte über Unwetterereignisse in und rund um Österreich liefern in den letzten Wochen die entsprechenden Bilder zur neuen Realität.
Messungen belegen den Temperaturanstieg
Spürbar wird die steigende Erwärmung für alle Menschen meist anhand der zunehmenden Hitzetage oder ganzer, oftmals wochenlanger Hitzewellen. Während es im privaten Bereich oftmals möglich ist, für Abkühlung zu sorgen, so sind die persönlichen Möglichkeiten am Arbeitsplatz vergleichsweise begrenzt. Besonders von der steigenden Hitze am Arbeitsplatz betroffen sind die sogenannten Outdoor-WorkerInnen. Also Berufsgruppen, die einen Großteil ihrer Arbeitszeit im Freien verbringen. Vielfach werden in diesen Berufszweigen gerade in der warmen Jahreszeit die Grenzen der Arbeitszeit (Tages- und Wochenarbeitszeiten) so weit wie möglich ausgereizt – und die Hitze- sowie UV-Exposition damit erhöht.
Zur besonderen Belastung für die Gesundheit werden Hitzetage. Vor allem dann, wenn diese gehäuft auftreten oder in ihrer Intensität zunehmen. Die Wetterdaten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) belegen diese Entwicklung und zeigen eine Zunahme von Temperaturextremen. Die Temperaturaufzeichnungen belegen den Anstieg der Sommertage (mindestens 25 °C) und die steigende Anzahl an Hitzetagen (mindestens 30 °C). Nächte, in denen die Temperaturen nicht unter 20 °C sinken, werden als Tropennächte bezeichnet. Diese nehmen grundsätzlich zu, vor allem aber im dicht verbauten städtischen Bereich. Zur Belastung werden hohe Temperaturen auch in der Nacht, weil dadurch der Schlaf gestört und die notwendige Erholung verringert wird (siehe folgende Grafik, Beispiel Wien).
Hitze – die weitreichendste Klimafolge
Im Prioritätenranking der internationalen Klima-ExpertInnen wird „Hitze“ deshalb als Top-Thema innerhalb der Klimafolgen eingestuft. Laut ihren Einschätzungen werden die verschiedenen Ausprägungen und vor allem die Folgen der Erwärmung noch massive regionale sowie globale Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen entwickeln. Ein Problembewusstsein oder eine Vorstellung, was dieser rasante Temperaturanstieg für Mensch und Natur bedeuten wird, ist in breiten Schichten der Bevölkerung jedoch nur bedingt vorhanden. Extremwetterereignisse liefern hier jedoch einen ersten Vorgeschmack.
Massive Unterschiede beim Schutz vor zu viel Sonne und UV-Strahlung zeigen sich immer auf beruflicher und auch privater Ebene. Im Urlaub ist einem Großteil der Bevölkerung mittlerweile bewusst, dass es sinnvoll ist, die Mittagsstunden im Schatten, ohne körperliche Anstrengung zu verbringen. In den angrenzenden Stunden um Mittag wird regelmäßig und ausreichend Sonnenschutzcreme aufgetragen und Wasser getrunken. Sonnenbrille sowie Kopfbedeckung gehören zur Standardausrüstung, um akute Hitzefolgen wie einen Sonnenstich zu vermeiden. Im Arbeitsalltag sind diese Handlungsweisen in unseren Breiten immer noch unüblich. Fachgerecht mit Sonnenschutzausrüstung ausgestattete Outdoor-WorkerInnen wirken auf ihr Umfeld fast exotisch.
Top-Gefahr Hitze am Arbeitsplatz
In den letzten Jahrzehnten war die Belastung durch Hitze bei der Arbeit in Zusammenhang mit Sicherheit und Gesundheit nur ein Randthema. Bei der Arbeit im Freien wurde bisher vor allem von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) die Prävention von weißem Hautkrebs, welcher durch die UV-Strahlung verursacht wird, schwerpunktmäßig thematisiert (UV-Schutz, Sonne ohne Schattenseiten, Gesunde Haut [auva.at]). Die Akutauswirkungen, sogenannte Hitzeerkrankungen wie beispielsweise Sonnenstich und Hitzschlag, wurden hingegen in der Vergangenheit kaum als Gefahr thematisiert. Aufgrund einiger Hitzetoter in den letzten Sommern, vor allem auf Baustellen, und aufgrund des spürbaren Anstiegs der Temperaturen entsteht in betroffenen Branchen langsam ein Bewusstsein bezüglich dieser steigenden Gefahr für die Gesundheit.
Eine Breitenwirkung bekommt die Thematik, weil immer mehr Personen, auch in Innenräumen, selbst am Arbeitsplatz durch die gestiegenen Temperaturen gesundheitlich belastet werden. Viele Arbeitsplätze, etwa in Arbeitsräumen oder in Fahrerkabinen, werden aufgrund fehlender Dämmung oder ohne entsprechende Klimatisierung zu Hitzepolen. Hier werden immer wieder Temperaturen von über 40 °C und mehr erreicht – und das über viele Stunden. Diese Temperaturen führen zu massiven Belastungen, und immer öfter gefährden sie die Gesundheit der dort beschäftigten ArbeitnehmerInnen, aber besonders jene von gesundheitlich vorbelasteten Risikogruppen. Wenn Hitzerekorde von Jahr zu Jahr gebrochen werden (2019: Paris 42 °C, Österreich, Deutschland, Belgien und Niederlande über 40 °C), dann müssen bei jenen Personenkreisen, die sich mit Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz beschäftigen, die Alarmglocken schrillen.
Hitze am Arbeitsplatz – zeitgemäße Regelungen fehlen
Vonseiten einiger Ministerien wurden in den letzten Jahren bereits erste Schutzkonzepte erarbeitet, wie beispielsweise „Hitzeschutzpläne zum Schutz der Bevölkerung“. Aufgrund dieser Empfehlungen sollen Risikogruppen (Ältere, Kinder, Kranke usw.) bei Extremereignissen, wie lang andauernden Hitzewellen, geschützt werden. Das „Setting Arbeitsplatz“, wo sich die am stärksten exponierten Personengruppen befinden, findet sich in diesen Plänen bislang jedoch nicht. Doch gerade hier, wo von Outdoor-WorkerInnen ganz besonders intensiv und körperlich belastend gearbeitet wird, steigt mit der Hitze auch das Risiko von akuten oder langfristigen gesundheitlichen Folgen.
Die auf die Baubranche begrenzte Hitzefrei-Regelung (bei Temperaturen über 32,5 °C), welche einseitig von Arbeitgebern angewandt werden kann, stellt sich immer mehr als nicht ausreichend heraus, da es immer wieder zu Todesfällen in Zusammenhang mit Hitze kommt. Bestehende gesetzliche Regelungen im Bereich des ArbeitnehmerInnenschutzes und seinen Durchführungsverordnungen sowie im Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz müssen daher rasch angepasst und teilweise neu geschaffen werden. Es braucht einen zeitgemäßen und ausreichenden Schutz aller ArbeitnehmerInnen vor gesundheitsgefährdenden Temperaturen am Arbeitsplatz – denn die nächste Hitzewelle kommt bestimmt.
Weiterführende Infos:
- AK fordert Rechtsanspruch auf hitzefrei: Menschlichkeit auf Baustellen | Arbeiterkammer
- Herzinfarkt auf der Baustelle bei Gluthitze: Herzinfarkt auf der Baustelle bei Gluthitze | Arbeiterkammer
- Gesunde Arbeit – Erster Hitzetoter am Bau in der Steiermark