Teuerung: brodelnde Massen, zahnloser ÖGB

Über 3.000 BetriebsrätInnen, PersonalvertreterInnen und JugendvertrauensrätInnen und viele solidarische GewerkschafterInnen aus ganz Österreich kamen angesichts der Rekordinflation von gegenwärtig 8% (der höchsten Inflation seit 1975), dem Sozialthema Nummer 1., zur österreichweiten ÖGB-Konferenz „Preise runter!“ in die Marx-Halle in Wien.

Ganz klar war: Vielen KollegInnen brennt der Kampf gegen die Teuerung und ums Leben unter immer schwierigeren Verhältnissen unter den Nägeln. Bald war aber auch klar: eine kämpferische Strategie bekommen sie vom ÖGB nicht präsentiert.

Ein gutes Dutzend RednerInnen, vorrangig die Fachgewerkschafts-Oberen, aber auch der ein oder andre Betriebsratskaiser kamen zu Wort. Die Basis? Fehlanzeige.

Alle Reden waren wohl durch und durch kämpferisch angelegt:

„Es reicht, das muss eine Gesellschaft, das muss die Gewerkschaft Stopp sagen!“; „Da zählt nicht die Schönheit einer Marktordnung“; „Die KV-Erhöhung ist die wirksamste Maßnahme gegen die Teuerung!“; „Wohnen und Heizen ist ein Grundbedürfnis des Menschen“

… und fanden hörbaren Anklang bei den BelegschaftsvertreterInnen unter heftigem Applaus.

Alleine: Worte reichen nicht. Immer wieder war zwischen KollegInnen, die zusammenstanden, die Frage zu hören:

„Und, wos moch ma jetzt?!“

Auch wenn ÖGB-Chef Katzian am Schluss meinte: „Reden wir nicht über eine Lohn-Preis-, sondern über die Gewinn-Preis-Spirale!“ und: „Jetzt braucht es Maßnahmen, die sofort und spürbar helfen!“ – die Frage vieler wurde nicht beantwortet. Was machen wir jetzt, was macht der ÖGB?

Statt ganz klar zu sagen: „Preise runter, LÖHNE RAUF!“, statt die GewerkschafterInnen im Betrieb auf Kampfmaßnahmen vorzubereiten, auch schon um den Sofortforderungen des ÖGB-Programms etwa über österreichweite Warnstreiks den nötigen Druck von unten zu verleihen – wurde nach der Konferenz eine Umfrage per Mail verschickt. Ein Armutszeugnis und offensichtliches Zeichen kompletter Strategielosigkeit der österreichischen Gewerkschaften.

Der ÖGB hat natürlich auch ein Forderungsprogramm vorgelegt, das auch als Petition zu unterstützen ist. Darin sind natürlich auch eine Reihe zielgerichteter Maßnahmen enthalten. Insgesamt wirkt es allerdings nicht besonders systematisch durchdacht.

Immerhin aber lässt es hinsichtlich der Misere der Kalten Progression Problembewusstsein erkennen und fordert anstatt einer einfachen „automatischen Abgeltung“, auch vielfach „Abschaffung“ genannt, (von der vor allem mittlere und obere Einkommen profitieren würden), eine „sozial gerechte“ Rückverteilung oder „Abgeltung“.

Zudem enthält das Programm zu Recht die Forderung nach einer sofortigen Einführung einer Sondersteuer zur Abschöpfung der horrenden Sonderprofite („Windfall profits“) der gesamten Energiebranche zur Mitfinanzierung an den dringend nötigen Ausgleichszahlungen. „Der Strommarkt“, so der ÖGB ebenso zu Recht unterstreichend, „ist so aufgebaut, dass rohstoffunabhängige Energieunternehmen gewaltige Gewinne machen, etwa Wasser, Wind- oder Atomkraftwerke.“ Das liegt daran, dass am Strommarkt, vereinfacht gesagt, die zur Deckung der Nachfrage noch notwendigen, aufwändigsten „Grenzproduzenten“ preisbildend sind. Das wiederum sind Gaskraftwerke, die mit der Explosion der Gaspreise zur Zeit natürlich besonders teure Stromerzeuger sind. Mit der Orientierung des gesamten Strompreises an ihnen fahren andere Stromerzeuger indes horrende Sonderprofite ein. Ja, „die internationale Energieagentur schätzt, dass es durch diesen Effekt allein in der EU zu 200 Milliarden Euro an ungerechtfertigten Gewinnen [sprich: besagten Extragewinnen oder „Windfall profits“] kommt“, die ihnen krisenbedingt als Zufallsgewinne schlicht in den Schoss fallen. Und das summiert sich auch in Österreich auf X-Milliarden Euro – vom Verbund bis zur OMV.

In welchen Dimensionen sich diese Preis- und darin eingeschrieben Profitsteigerungen global bewegen, hat gerade der Chef der Internationalen Energieagentur, Fatih Birol, vorgerechnet. So klettern die Umsätze der Öl- und Gasindustrie von zuletzt 1,5 Billionen Dollar im Jahr aktuell auf ein Niveau von rund 4 Billionen Dollar.

Die Belegung der eklatanten Extraprofite der Energie-Konzerne mit einer sogenannten „Übergewinnsteuer“ wäre dabei noch nicht einmal eine strukturelle Maßnahme, gar eine wirtschaftliche oder soziale Wende, sondern lediglich ein zumindest gebotener gesellschaftlicher Ausgleich. Also im Grunde quasi das Mindeste. Insofern vermag es denn auch nicht überraschen, dass die „Übergewinnsteuer“ – über die Linke hinaus – zuerst von Italiens Ministerpräsidenten und Ex-EZB-Chef Mario Draghi ins Spiel gebracht wurde und selbst in Großbritannien heiß diskutiert wird. In Österreich ist freilich schon eine solche Windfall profit-Abgabe eine Kampffrage. Schon um diese durchzusetzen heißt es sie nicht nur „sozialpartnerschaftlich“ der seitens der Regierung eingerichteten „Inflationskommission“ zu unterbreiten, sondern dafür zu mobilisieren, ernsthaften Druck aufzubauen und in den Kampf zu ziehen.

So braucht es jetzt nicht nur effektive und sozial zielgerichtete Forderungen, sondern auch einen Maßnahmen- und Eskalationsplan, um die Umsetzung zu erzwingen!

Spätestens im Spätsommer müssen darüber hinaus dringend regionale und überregionale Betriebsrätekonferenzen stattfinden, um den Kampf für Lohnerhöhungen, die mehr als nur die Teuerung ausgleichen, branchenübergreifend zu organisieren!

Ähnliche Beiträge

Gefällt dir dieser Beitrag?

Via Facebook teilen
Via Twitter teilen
Via E-Mail teilen
Via Pinterest teilen