Nach der schroffen Aufkündigung des Drucker-KV und dem damit einhergehenden brachialen Frontalangriff auf das heimische KV-System durch den Verband „Druck & Medientechnik” 2016, zog nun der „Verband Österreichischer Zeitungen“ (VÖZ) nach und kündigte mit Jahresende den Kollektivvertrag für Österreichs Journalisten und Journalistinnen auf.
Dieser weitere Vorstoß ist beileibe nicht nur ein Affront gegen die Beschäftigten der Branche und Gewerkschaftsbewegung im Land, sondern zugleich ein Warnsignal das zeigt, dass die Gewerkschaftsbewegung gegen die immer aggressivere Gangart der Unternehmerverbände und deren unterschiedlichen Vorstöße zur Aushebelung des heimischen Kollektivvertragssystems mit geballter Kraft und Antworten in Einbeziehung und Mobilisierung der Beschäftigten gefordert ist, wollen wir nicht wie die sprichwörtliche Maus vor der Schlange erstarren.
Die Zeiten „sozialpartnerschaftlicher“ Zugeständnisse, Kompromisse und Eiertänze wie Intimität mit dem Kapital jedenfalls sind allemal vorbei. Heute erfordert selbst schon die Verteidigung der historischen Errungenschaften und des Erreichten den entschiedenen Klassenkampf.
Den Buchdruckern Österreichs gelang es in diesem Zusammenhang 1896, den ersten Kollektivvertrag im Land durchzusetzen. Gut organisiert und als Drucker und Setzer auch schon früh des Lesens mächtig kam den Druckern geschichtlich seit Langem eine gewerkschaftliche Vorreiterrolle zu. Die bestand nicht zuletzt darin, die ursprüngliche Weigerung der Unternehmer und ihrer Verbände zu durchbrechen, mit den aufkommenden Gewerkschaften kollektive Vereinbarungen über die Löhne und Arbeitsbedingungen zu schließen. Ihnen folgten alsbald auch die Journalist:innen, deren Kollektivvertrag nach einer ersten erpresserischen Aufkündigung vor einem Jahrzehnt erst 2013 grundlegend neu gefasst wurde.
Der nunmehrige Affront reiht sich dabei nahtlos in die neoliberale Offensive des Kapitals ein. Europaweit erodieren unter der Wucht von Kapital und Politik die einst in harten Kämpfen und Klassenauseinandersetzungen errungenen Kollektivvertragssysteme – bzw. werden teils regelrecht zertrümmert.
Wohin die sozialreaktionäre Reise und der tarifpolitische Backlash geht, ließ sich schon zur Zeit der Aufkündigung des Drucker-KV – noch Jahre vor der Wirtschafts- und Coronakrise, an Fahrt gewinnenden digitalen Transformation und im Auge stehenden Konjunkturflaute des Metropolenkapitalis –, dem EU-ArbeitsUnrecht entnehmen: In Portugal fielen schon damals nur noch weniger als 300.000 Beschäftigte unter einen Kollektivvertrag. In Spanien spülte die vorhergehende Dezentralisierung der Lohnverhandlungen rund 7,4 Mio. Beschäftigte aus ihren bisherigen Tarifverträgen. Eine ähnliche Entwicklung überrollte seinerzeit auch Italien. In Rumänien sank aufgrund noch radikalerer Einschnitte die KV-Abdeckung von 98% (2011) auf ledigliche mehr knapp 36%. Und in Frankreich peitschte die Regierung schon damals per Rückgriff auf den Ermächtigungsartikel der französischen Verfassung unter Umgehung des Parlaments per Dekret einen Radikalumbau der Arbeitsrechtsgestaltung durch, der den traditionellen Stufenbau der Rechtsordnung geradezu auf den Kopf stellte. Nach – nicht zuletzt – deutschem Vorbild einer massiven Austrittswelle der Unternehmer aus den Tarifverbänden und damit einhergehender Erosion der Tarif-Abdeckung (von seinerzeit nur noch 45%) wird die Gangart des Kapitals auch in Österreich härter. Die Stimmen und Aktivitäten nach Unterlaufung bis Umwälzungen der etablierten KV-Landschaft werden zunehmend unverfrorener, um damit unsere Arbeits- und Lebensinteressen auszuhebeln und die Gewerkschaften zu schwächen.
So werden periodisch auch in Österreich Stimmen nach einer sog. „Tariföffnung“ immer lauter, um damit das Kollektivvertragssystem zu unterlaufen, die Regulierungen von den Branchen auf die Ebene der Betriebe zu verlagern und hierdurch die Gewerkschaften zu schwächen. Ein erster geballter, institutioneller Vorstoß der Wirtschaftsvertreter eine Bresche in die Branchen-Kollektivverträge zu schlagen, fand 2012 mit der Aufspaltung des Metaller-KV in sechs Teilkollektivverträge statt. Den Gewerkschaften gelang es seitdem zwar noch, in allen nunmehrigen Teilkollektivverträgen dieselben Lohnabschlüsse zu erzielen. Die Aufspaltung des österreichischen „Leit“-KV abzuwenden, gelang allerdings nicht mehr. 2016 folgte mit dem Beschluss des Drucker-Arbeitgeberverbands, keine Kollektivverträge mit der Gewerkschaft mehr verhandeln zu wollen, die nächste Stufe der Frontalattacke auf das KV-System. Mit der nunmehrigen Aufkündigung des Journalist:nnen-KV durch den VÖZ erleben wir gerade den nächsten einschneidenden Hieb. Sollte es misslingen dieser weiteren tiefen Kerbe in die Kollektivvertragslandschaft Einhalt zu gebieten, ja sollte das Beispiel der Druckerei-Unternehmer und nun des Zeitungs-Verlegerverbandes unter Österreichs Kapitalfraktionen gar „Karriere machen“, dann droht ein ähnlicher Flächenbrand wie über die letzten Jahrzehnte bei unserem „großen Nachbarn“ und quer durch Europa. Parallel hierzu findet auf breiter Front zu alledem die etwas „leisere“ KV-Flucht in „billigere“ Tarife statt.
Zu Recht fordern GPA und ÖGB den Verband Österreichischen Zeitungen denn auch nachdrücklich auf, die Aufkündigung des Journalismus-KV „umgehend zurückzunehmen“. Allerdings wird es nicht reichen, „Kampfmaßnahmen in jeglicher Form“ bloß als „durchaus möglich“ in den Raum zu stellen und mit dem Säbel zu rasseln, sowie sich in „sozialpartnerschaftlichen“ Redeschablonen vom „Dialog auf Augenhöhe“ und „dem nötigen Respekt“ zu ergehen. Vielmehr gilt es hinsichtlich des vom Vorsitzenden der Journalismusgewerkschaft, Eike-Clemens Kullmann, angekündigten „Gegendruck von uns“ Nägel mit Köpfen zu machen und die Aushebelung des Kollektivvertrags wenn erforderlich auch in branchen-übergreifendem Arbeitskampf zurückzuschlagen. Dass die GPA schon vorsorglich abschwächt, man könne „über viele Dinge reden, ja, wird darüber reden müssen“ und in diesem Zusammenhang auf ihre „Mitgestaltung der Reform des Kollektivvertrags 2012“ verweist, sollte allerdings die Ohren spitzen lassen. Denn zwar ist es vor einem Jahrzehnt gelungen, „mit einer entschlossenen Aktion vor dem Verband der Österreichischen Zeiten (VÖZ) … die Kündigungen der Kollektivverträge rückgängig zu machen“, wie der seinerzeit verantwortliche Journalistengewerkschafter Franz C. Bauer damals ausführte. „Zweifellos ein großer gewerkschaftlicher Erfolg“, aber „am Ende“ auch eine bittere „Verschlechterung“ des KV, wie er selbst konstatierte. Bleibt zu hoffen, dass die für Montag einberufene Betriebsrät:innenkonferenz Tabula rasa spielt.
Bild: ÖGB Tirol, Kampf um den Journalist:innen-KV 2012