Arbeitslosigkeit & Armut: Geißeln der Gesellschaft

Es liegt ziemlich genau 50 Jahre zurück, als in einer legendären Fernsehkonfrontation dem damaligen SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky von seinem konservativen Kontrahenten Josef Taus (ÖVP) die seinerzeitigen 33.000 Arbeitslosen in Österreich als politisches Versagen vorgerechnet wurden. 2023 stellt es kaum mehr eine größere gesellschaftliche Aufregung dar, dass wir im Vorjahr über das Jahr ziemlich genau das 10-fache an Arbeitslosen hatten. Man ist vielmehr fast enthusiastisch und geradezu in Feierstimmung – das wird auch den Grundtenor der heutigen Detailbekanntgabe der Jänner-Zahlen bestimmen –, dass die davor noch dramatischeren Prognosen nicht vollends eingetroffen sind. Die Arbeitslosigkeit liegt in etwa wieder auf Vorkrisenniveau – welches vor der Wirtschafts- und Coronakrise für Gewerkschaften, Linke und progressive Kräfte zurecht noch einen gesellschaftlichen Skandal ersten Ranges markierte.

Dabei gehören Arbeitslose in Österreich traditionell zu den Ärmsten der Gesellschaft, führt der Arbeitsplatzverlust ja zugleich zu enormen Einkommenseinbußen. Bereits vor der Inflationswelle war Arbeitslosigkeit ein Hauptgrund für Armut. Wesentlich hierzu trägt nicht zuletzt der Umstand bei, dass das Arbeitslosengeld – die sog. Nettoersatzrate – in Österreich mit 55% des vorherigen Einkommens auch im internationalen Vergleich skandalös niedrig liegt. Nicht nur gegenüber Ländern wie Belgien und Dänemark, in denen diese bei 80% liegt, sondern selbst im Vergleich zum OECD-weiten Schnitt von 65%. Damit müssen Arbeitslos gewordene in Österreich quasi über Nacht mit nur noch beinahe der Hälfte ihres bisherigen Einkommens ihr Leben fristen und über die Runden kommen. Und die grassierende Hochinflation lässt das Arbeitslosengeld aufgrund des Wert- und Kaufkraftverlusts real noch weiter dramatisch schrumpfen, zumal es beim Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe keinerlei Inflationsanpassung oder -Ausgleich gab. Entsprechend ist mittlerweile denn auch etwa bereits jede/r vierte Arbeitslose mit seiner/ihrer Miete im Rückstand und leben sechs von zehn Langzeitarbeitslosen unter der Armutsgrenze. Dieses Abrutschen in prekäre Lagen betrifft zudem nicht „nur“ die Arbeitslosen selbst, sondern natürlich größtenteils den gesamten Haushalt. Oder plastischer: realiter etwa zugleich über 400.000 Kinder im Land, denen damit zugleich Ausbildungschancen und Freizeitgestaltungen vorenthalten, Wohn- und Entfaltungsqualität beschnitten werden – ganz zu schweigen von Kindern der absolut verarmten Familien.

Dementsprechend gewannen über die letzten Monate auch die Forderungen und Initiativen nach einer massiven, lebensstandardsichernden und armutsfesten Anhebung des Arbeitslosengeldes immer mehr an Zuspruch und Brisanz. Als KOMintern fordern wir mit anderen daher seit Langem nachdrücklich eine sofortige Erhöhung des Arbeitslosengelds auf 80 Prozent des letzten Netto-Entgelts. Denn der immer weiter grassierenden Armut aufgrund der Joblosigkeit entgegenzusteuern und das Ziel eines zumindest armutsfesten Arbeitslosengeldes zu erreichen, verlangt schlicht danach. Denn genau diese 80% würden nicht nur das durchschnittliche Arbeitslosengeld von gerade einmal knapp über 1.000 Euro pro Monat (mit Ergänzungsbetrag aktuell bei 1.110 Euro) über die Armutsschwelle heben (die nach EU-SILC 2022: 1.371 Euro – für einen Ein-Personen-Haushalt – beträgt). Und es würde zudem auch dem Abrutschen in die Notstandshilfe (die nur mehr 92% des Arbeitslosengeldes beträgt) einen monetären Riegel des Absturzes unter die Armutsgrenze vorschieben.

Die seitens des ÖGB und der Sozialdemokratie geforderte Anhebung auf 70% hingegen reicht für dieses Mindestziel eines armutsfesten Arbeitslosengeldes nicht aus, obschon sie natürlich für gesamt rund 690.000 Menschen ein bitter nötiger Mindestschritt wäre. Ob und wie weit sich die dringend erforderliche Anhebung durchsetzen lässt, entscheidet sich – das zeigte auch die Regierungsklausur Anfang Jänner nochmals auf – jedoch im aktiven gesellschaftlichen Kampf und dessen Kräfteverhältnissen. Umso nötiger nur, die Forderung nach einem sofortigen lebensstandardsichernden und armutsfesten Arbeitslosengeld auf die politische und gewerkschaftliche Kampfagenda zu setzen.

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