Recht viel symbolträchtiger als in der Abschaffung des Käthe-Leichter-Staatspreises durch „Frauenministerin“ Susanne Raab könnte die multiple Verschiebung des heimischen politischen Koordinatensystems nach rechts kaum zum Ausdruck gebracht werden. Denn Käthe Leichter verkörpert in einem zugleich eine Pionierin der österreichischen Frauenbewegung, erlangte als gewerkschaftliche Sozialwissenschaftlerin, die beständig die Fabriken aufsuchte, nicht zuletzt durch ihre bahnbrechenden Bücher zur Lage der Industriearbeiterinnen sowie jener der Haushaltsgehilfinnen Bekanntheit, war Gründerin der Frauenabteilung in der Arbeiterkammer, im Untergrund im illegalen Widerstand gegen den Austrofaschismus aktiv, geriet später in Gestapo-Haft, wurde danach in das Frauen-KZ Ravensbrück überstellt, spielte eine aktive Rolle im Lagerwiderstand, und wurde im März 1942 schließlich in der NS-Tötungsanstalt Bernburg an der Saale im Zuge der sogenannten Aktion 14f13 mit Giftgas ermordet.
Dazu ein am 26.1. in der „Wiener Zeitung“ erschienener Kommentar von Traude Kogoj, Ingrid Moritz und Anna Steiger, den wir diesbezüglich übernehmen:
Am 19. Dezember fand im Haus der Ingenieure im Palais Eschenbach in Wien die Preisverleihung des Österreichischen Staatspreises für Frauen und weiterer Frauenpreise statt. Ein Anlass zum Feiern? Der Österreichische Staatspreis für Frauen und weitere Frauenpreise wurden im Vorjahr von Bundesministerin Susanne Raab ins Leben gerufen, mit dem Ziel, „exzellente frauen- und gleichstellungspolitische Leistungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu würdigen und die Vielfalt des frauen- und gleichstellungspolitischen Engagements in Österreich abzubilden“. Dazu wurden die Käthe-Leichter-Preise und der Käthe-Leichter-Lebenswerkpreis „adaptiert und in das neue Preisformat eingebettet“, so die Information der Bundesministerin zu diesen „neuen“ Preisen.
Mit der Schaffung dieses Frauenstaatspreises hat Österreichs Bundesministerin für Frauen und Integration nicht nur den seit 1992 existierenden Käthe-Leichter-Staatspreis für Frauenforschung, Geschlechterforschung und Gleichstellung in der Arbeitswelt abgeschafft, sondern auch drei weitere Käthe-Leichter-Preise, die von einzelnen Bundesministerien verliehen wurden, in allgemeine „Frauenpreise“ umgewandelt. Die verbleibenden Käthe-Leichter-Preise der Oesterreichischen Nationalbank und der Arbeiterkammer Wien wurden in der Einladung zur Preisverleihung am 19. Dezember 2022 nicht einmal mehr als solche ausgewiesen. Ebenso wurde durch diese „Neuorientierung“ eine der wenigen Möglichkeiten abgeschafft, in Österreich für herausragende Leistungen im Bereich der Geschlechterforschung gewürdigt zu werden.
Eine Vorkämpferin für universitäre Frauenrechte
Der Käthe-Leichter-Preis trägt den Namen einer der bedeutendsten österreichischen Sozialwissenschafterinnen, und mit der Abschaffung des Käthe-Leichter-Staatspreises durch die Bundesministerin wird auch die Bedeutung Käthe Leichters zum Verschwinden gebracht.
Käthe Leichter, eine der ersten österreichischen Sozialwissenschafterinnen, promovierte 1918 an der Universität Heidelberg. Den Zugang zum Studium der Staatswissenschaften an der Universität Wien, das Frauen verschlossen war, erfocht sie vor dem Reichsgericht. Die Abschlussprüfung ihres Studiums konnte sie als weibliche Kandidatin dort dennoch nicht ablegen. Aufgrund ihrer pazifistischen Aktionen musste Käthe Leichter für ihren Abschluss an die Universität Heidelberg, die Universität ihres Doktorvaters Max Weber, ausweichen. Die Universität Heidelberg hat zu ihrem Gedenken gerade ein Käthe-Leichter-Forum für Doktorandinnen und Doktoranden eröffnet.
Sie war als Forscherin bereits zu Lebzeiten und nach dem Zweiten Weltkrieg international anerkannt. Einem großbürgerlichen Milieu entstammend, stieß sie im Laufe ihres Lebens aufgrund ihrer Beschäftigung mit sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten zur Sozialdemokratie. Als Jüdin und aufgrund ihres politischen Widerstandes wurde sie von den nationalsozialistischen Machthabern ermordet.
Nicht irgendein Frauenpreis
Der Käthe-Leichter-Staatspreis war nicht irgendein Frauenpreis. Preis und Preisträgerinnen stehen für herausragende Leistungen in der Frauen- und Geschlechterforschung sowie Gleichstellung in der Arbeitswelt. Die langjährige Jury der Käthe-Leichter-Preise wurde vor vollendete Tatsachen gestellt, die „Neuorientierung“ bedeutet nicht weniger als die Abschaffung der Käthe-Leichter-Preise.
Eine inhaltliche nachvollziehbare Begründung, warum es keinen Käthe-Leichter-Staatspreis mehr gibt und auch die weiteren drei Käthe-Leichter-Preise abgeschafft wurden, blieben die Bundesministerin und ihre Kolleginnen und Kollegen in den beteiligten Ressorts bisher schuldig. Ein Protestschreiben, unterschrieben von mehr als 70 Käthe-Leichter-Preisträgerinnen sowie der Jury an Frauenministerin Susanne Raab, Bundeskanzler Karl Nehammer, Vizekanzler Werner Kogler, die Bundesminister Martin Kocher, Johannes Rauch und Martin Polaschek blieb bisher ungehört.
Bereits einmal unter Herbert Haupt, der als Frauenminister den Käthe-Leichter-Preis in den Jahren 2002 bis 2004 nicht vergeben hat, stand dieser vor einem Aus. Die Erinnerung an Käthe Leichter, vehemente Kämpferin für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Frauen, Antifaschistin und Sozialdemokratin, 1942 im KZ ermordet, kann nicht einfach kommentarlos durch einen allgemeinen Österreichischen Staatspreis für Frauen ersetzt werden.