Zum 4. Jahrestag des rassistischen Attentats in Hanau: Neun Namen, unvergessen

Demo: 4 Jahre rassistische Morde von Hanau – Kein Vergeben – Kein Vergessen!

Heute, Mo., 19.2., 18:00, Resselpark/Karlskirche, Wien

Im Anschluss: community space, VTID, Wielandgasse 2-4

Heute jährt sich das rassistische Attentat von Hanau, bei dem neun junge Menschen aus dem Leben gerissen wurden, bereits zum vierten Mal. Einiges über den Ablauf des Abends des Attentats ist inzwischen geklärt, andere Fragen bleiben noch im Dunkeln – wie Henning von Stoltzenberg in seinem von uns redaktionell leicht bearbeiteten und UZ-Beitrag vom 16.2. ausführt.

Bekannt ist, dass der Täter Tobias R. Erfahrung im Umgang mit Schusswaffen hatte. Unter anderem hatte er im Juli und September 2019 Schießtrainings in der Slowakei absolviert. Im gleichen Jahr stellte R. wirre Anzeigen bei der Bundesanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft Hanau, in der er über eine angebliche „Geheimorganisation“ phantasierte. Rund zwei Wochen vor dem Anschlag veröffentlichte R. sein sogenanntes „Manifest“ mit rassistischen und verschwörungsideologischen Inhalten auf seiner Website. Ob er den Behörden durchrutschte oder ob kein Handlungsbedarf gesehen wurde, konnte bisher nicht abschließend aufgeklärt werden.

Am Abend des 19. Februar schoss R. gegen 22 Uhr im Vorraum der Bar „La Votre“ und in der Shishabar „Midnight“ auf mehrere Gäste und tötete drei Menschen. Anschließend fuhr der Attentäter mit seinem Wagen in Richtung Kurt-Schumacher-Platz. Auf dem Parkplatz erschoss er zuerst den 22-jährigen Vili Viorel Pa˘un, der ihm gefolgt war, nachdem er die Morde beobachtet hatte. Dabei hatte er mehrfach versucht, die Polizei zu erreichen, doch die hob nicht ab. Danach starben fünf weitere Menschen in der Arena-Bar und dem angeschlossenen Kiosk 24/7. Nach Hinweisen aus der Bevölkerung konnte die Polizei das Auto des Angreifers identifizieren. Ein Sondereinsatzkommando stürmte am frühen Morgen die Wohnung und fand R. und seine bettlägerige Mutter tot auf. Der Vater von R. blieb unverletzt.

Die Morde versetzten viele Menschen in Angst und Trauer, aber auch in Wut. Diese berechtigte Wut richtet sich gegen rassistische Hetzparolen, die oftmals Stichwortgeber für den rechten Terror sind, aber auch gegen die Behörden und die Politik der sogenannten Mitte, die sich erst nach Angehörigenprotesten bewegte und schließlich einen Untersuchungsausschuss einsetzte. Im Dezember des vergangenen Jahres wurde ein Abschlussbericht vorgelegt. Darin heißt es, dass „an einigen Stellen Grund zu der Annahme bestehe, dass ein anderes Handeln der zuständigen Behörden das Durchführen der Tat erschwert hätte“. Dies gelte für die Erteilung der Waffenbesitzkarte an R., die Erreichbarkeit des Notrufs, den behördlich verschlossenen Notausgang in der Arena-Bar und den Umgang mit den Angehörigen der Opfer.

Doch politische Verantwortung will bis heute niemand aus der Stadtverwaltung oder der Landespolitik übernehmen – eine Enttäuschung für die Angehörigen. Dazu gehört auch Çetin Gültekin, der bei dem Attentat seinen Bruder Gökhan verloren hat und sich seitdem zusammen mit weiteren Angehörigen für die Aufklärung engagiert. Er will Licht in das Dunkel der Geschehnisse bringen und Zeichen gegen Rassismus setzen. Im Gespräch mit UZ berichtet Gültekin, wie ermüdend es sei, selbst ermitteln zu müssen, weil der Staat das nicht ausreichend tue und Konsequenzen für die Verantwortlichen ausblieben. Immerhin sei es durch den beharrlichen Kampf gelungen, einen Opferfonds und den Untersuchungsausschuss durchzusetzen.

„Wir haben uns bundesweit mit anderen Opferangehörigen vernetzt. Die Solidarität ist weiterhin spürbar, auch hier in Hanau. Auch wenn die Gesellschaft langsam zum Alltag zurückfindet, erinnern wir uns jeden Tag“, betont Gültekin, der vor Kurzem gemeinsam mit Mutlu Koçak das Buch „Geboren, aufgewachsen und ermordet in Deutschland“ über das Leben seines Bruders veröffentlicht hat – um ihn unsterblich zu machen, wie er sagt.

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