Angesichts der verdichteten Frauenmorde in diesem Frühjahr und des erschütternden Anstiegs der Gewalt an Frauen, veranstaltete die Regierung vor vier Wochen medienwirksam einen eiligst einberufenen Gewaltschutzgipfel. Das Resümee zu den Ergebnissen dieser türkis-grünen Inszenierung hat, wie auch Opferschutzvereine und Gewaltschutzexpertinnen gerade herausstrichen, schlicht vernichtend auszufallen.
Dabei steigt die Zahl der Morde und Mordversuche an Frauen gerade auch hierzulande seit Jahren an. Ja, Österreich nimmt diesbezüglich seit Jahren einen der traurigen Spitzenplätze im EU-Vergleich ein und ist eines der wenigen Länder der EU, die vergleichsweise sogar mehr getötete Frauen als Männer zu beklagen haben.
Aufgrund dieser Eskalation, sowie des dazu noch besonders brutalen und widerwärtigen Femizids Anfang April, ist das Thema nach 2018/19 erneut auch in der sozusagen hohen Politik angekommen. Die Regierung hielt daher vor vier Wochen auch einen medienwirksamen „Gewaltschutzgipfel“ ab, die Parteien und Opposition entdeckten das Thema plötzlich wieder für sich und auf breiter Front hielt eine allgemeine Betroffenheitsrhetorik Einzug.
Denn zu den Femiziden noch, ist in Österreich täglich eine von fünf Frauen ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Verstärkt nochmal unter Bedingungen von Lockdowns, Quarantäne, Massenarbeitslosigkeit und der mit ihnen einhergehenden angespannteren Situationen und Frust, patriarchaler Machtausübung, den Existenzsorgen und häuslich beengten Wohnverhältnissen. So war 2020 ein rasantes Ansteigen von Betretungs- und Annäherungsverboten gegen die Täter zu registrieren. Um ein Fünftel im Vergleich zum Vorjahr, in manchen Monaten hat die Steigerung sogar bis zu 45% betragen. Und ExpertInnen gehen dabei gleichzeitig von einer steigenden Dunkelziffer der Gewalt gegen Frauen aus und setzen diese mit über 65% an.
Aber die Betroffenheitsrhetorik und Lippenbekenntnisse der etablierten Politik gehen über weitgehend leere Ankündigungen oder einzelne medienwirksame Image-Projekte nicht hinaus. Frauenministerin Raab kannte jüngst noch nicht einmal die korrekten Budgetverhältnisse und die Aussage von Kanzler Kurz, „am Geld wird es nicht scheitern“, ist bisher blanker Zynismus. Seit Jahren fordern die Einrichtungen und ExpertInnen mehr Geld für Gewaltschutz und drängen ihrerseits auf anti-patriarchalische, gesellschaftliche Umwälzungen. Am eilig einberufenen „Gewaltschutzgipfel“ der Regierung wurden sie dann noch nicht einmal gehört, geschweige denn dazu mit ihren Expertisen, Erfahrungen und Forderungen eingeladen.
Die Gewaltschutz-Dotierung betreffend, fordern die Einrichtungen und ExpertInnen denn auch zu Recht: „Dazu genügt es nicht, da und dort ein gutes kleines Projekt zu machen! Es braucht viel Geld, um längere Zeit flächendeckend Maßnahmen umzusetzen, die sich bereits bewährt haben. In Österreich muss endlich genug Geld zur Verfügung gestellt werden, um Frauen und auch Kinder besser zu schützen – koste es, was es wolle! Es braucht eine Frauenmilliarde!“ Angekündigt wurde dahingehend in Sonntagsreden schon viel, zur Verfügung gestellt wurden die entsprechenden Mittel aber bis heute nicht.
Das gilt nicht minder für die medial gerade abgefeierte Peanuts-Erhöhung des bisher verantwortungslos unterfinanzierten Gewaltschutz-, Personal- und Beratungs- Budgets um 24,6 Mio. Dieser mickrigen Aufstockung gegenüber, forderten Claudia Frieben vom Frauenring, Rosa Logar von der Allianz Gewaltfrei leben und Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt und Maria Rösselhumer vom Verein Autonomer Österreichischen Frauenhäuser eine tatsächlich nötige Mindest-Aufstockung auf mindestens 228 Mio. Euro für den Gewaltschutz plus 3.000 zusätzliche Arbeitsplätze im Gewaltschutzbereich.
Stattdessen lässt jedoch selbst die maue Erhöhung der Gewaltschutz-Dotierung des „Gewaltschutzgipfels“ der Regierung auf sich warten. „Bis heute wissen wir nicht, wie und wann das Geld verteilt wird. Bis heute wissen wir nicht, mit welchen Ressourcen die betroffenen Einrichtungen planen können“, kritisierte die Vorsitzende des ÖFR Klaudia Frieben gerade mit Nachdruck. Auch wofür die 24,6 Mio. konkret veranschlagt sind, ist noch offen. An die bestehenden Opferschutzvereine sind, anstatt diese besser auszustatten und ihnen zugleich Planungssicherheit zu gewährleisten, bisher lediglich zwei Aufrufe für zwei neue Projekte in der Höhe von insgesamt läppischen 3,6 Mio. ergangen. Die unzureichende Basisfinanzierung der etablierten und erfahrenen Beratungsstellen und der laufende Betrieb, etwa die dringend nötige Ausweitung der Beratungsstunden, sind davon ausgeschlossen. Dabei wäre gerade dies nötig, wie ihrerseits Rosa Logar nochmals hervorstreicht. Ja, ein nicht geringer Teil des Gewaltschutzpakets droht sich überhaupt als „Mogelpackung“ zu erweisen, da die zugesagten zusätzlichen Mittel vielfach augenscheinlich gar nicht dem Schutz von Frauen zugutekommen werden. In die Konzeption und das Agieren der Regierung reiht sich denn auch nahtlos ein, dass zudem die Gewalt- und Opferschutzexpertinnen nach wie vor nicht eingebunden sind.
Wohl auch, weil entgegen dem idyllischen geprägten Familien-Bild des Konservatismus und mit ihr verbundenen kirchlichen Würdenträger, die vielfältigen patriarchalen Gewaltakte – von versteckteren psychischen Formen der Gewalt, über brachiale Gewaltexzesse und Misshandlungen bis zu Morden – zumeist nicht durch Fremde auf Straßen oder in Parkanlagen im Schutz der Nacht stattfinden, sondern in der Regel im nahen Umfeld, vielfach in Partnerschaften oder der Familie bzw. dem weiteren Familienkreis.
Das bisherig Paket und Vorgehen der Regierung, so in aller Deutlichkeit das Abschlussresümee der Gewaltschutz-Vereine und -Expertinnen, fällt selbst hinter den Auftrag der Regierung nach der Istanbuler Konvention zurück.
Apropos Istanbul-Konvention: Das türkische AKP/MHP-Regime, in dessen Metropole diese erste internationale völkerrechtsverbindliche Vereinbarung gegen Gewalt an Frauen abgeschlossen wurde, hat seinen Austrittstermin zwischenzeitlich per Amtsblatt mit 1. Juli 2021 angesetzt und heute in Ankara den Prozess gegen Aktivistinnen und Journalistinnen der „Frauenplattform gegen den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention“ eröffnet.
Diesen Samstag, 12.6., wird es in Wien (15.00 Uhr Viktor-Adler Platz), Innsbruck (11.30 Uhr Maria-Theresien-Straße) und Graz (13.30 Uhr, Hauptplatz) dann auch die Möglichkeit geben, unseren Unmut, Protest und unsere Forderungen entsprechend auf die Straßen zu tragen.