EU-Staatsbesuch in China: Auf zur multiplizierten Inflation?

Mit 8,6% verzeichneten wir 2022 nach Monaten der im Herbst sogar auf zweistellige Werte angezogenen Teuerungswelle die höchste Teuerungsrate seit 1974. Und die Teuerung hält an und lag mit 11,2% im Jänner auf dem höchsten Stand zu Jahresbeginn seit 1952. Begleitend korrigierten jüngst auch die heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS ihre Inflationsprognosen für 2023 nach oben nach. Mit dem immer stärker anrollenden Wirtschaftskrieg gegen China zünden die politischen Eliten in ihrem imperialen Trachten um ihre geopolitische Vorherrschaft zudem gerade einen massiven zusätzlichen Impuls auf die Weltwirtschaft in Richtung Teuerung.

Vor einer „neuen inflationären Ära“

Nach Prognosen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ steht die Welt heute denn auch trotz international abflachenden Preisauftriebs vor einer „neuen inflationären Ära“. Entsprechend prognostizieren die heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS für heuer abermals eine Jahresinflation von 7,1% bis 7,5%. Da die Inflation jeweils im Vergleich zu den Verbraucherpreisen des Vorjahrs berechnet wird und diese letztes Jahr auf schwindelerregende Höhen geklettert sind, sind in den zu den 8,6% 2022 nur unmerklich geringeren, neuerlich horrenden Teuerungsraten zugleich sogenannte Basiseffekte mit zu bedenken, die das Sinken der Kaufkraft unserer Einkommen statistisch verringern. Denn den Vergleichspunkt der abermaligen enormen Teuerung bilden ja nicht Langzeitbetrachtungen, sondern die bereits ausnehmend extrem hohen Vorjahreswerte.

Sanktionsgefechte und „Trumpismus ohne Trump“ als Brandbeschleuniger

Und während mit der (freilich in anderen Hinsichten verheerenden) Globalisierung seit Anfang der 1990er Jahre global sinkende und niedrigere Inflationsraten einhergingen, drehen die voranschreitende neue weltpolitische Aufspaltung des Globus und die Weltmarkt-Abkoppelungs-Strategien des Westens gegen wirtschaftlich aufsteigende Länder des Globalen Südens diesen zurückliegenden Trend aktuell ins Gegenteil. Die entfesselten und schwelenden globalen Wirtschaftskriege, Sanktions-Amokläufe und Embargos erweisen sich so mehr und mehr als Bumerang. Und nun gesellt sich auch noch der mutwillig vom Zaun gebrochene Technologie-, Halbleiter- und zunehmende Wirtschaftskrieg gegen China dazu. Was in diesem Zusammenhang medial geflissentlich verschwiegen wird: die USA haben in ihrem Sanktions-Amoklauf zur Durchsetzung ihrer globalen Interessen und Verteidigung ihrer Vorherrschaft – allein oder zusammen mit den EU-Staaten – mittlerweile Sanktionen, Embargos und Wirtschaftsblockaden gegen rund 50 Länder verhängt.

Nicht minder verstohlen hält man es übrigens mit dem allenthalben vollzogenen trumpistischen Paradigmenwechsel. Als Donald Trump 2018 unter dem Motto „Handelskriege sind leicht zu gewinnen“ seinen Wirtschafts-, Sanktions- und Zollkrieg gegen China entfesselte, zeigten sich Medien und der Großteil des politischen Establishments noch irritiert. Man seufzte öffentlich überwiegend vom „Irren im Weißen Haus“ und dessen mit der Abrissbirne durch die Weltwirtschaft fahrenden „protektionistischem Kurs“. Kaum im öffentlichen Bewusstsein ist hingegen, dass sein gefeierter Nachfolger Joe Biden nicht nur keine von der Trump-Administration verhängte Maßnahme zurückgenommen hat, sondern den Handelskrieg und Sanktions-Amoklauf im Gegenteil noch verschärft hat. Jedoch geschickter als sein faschistoider „America first“-Vorgänger am Steuerruder der „freien Welt“ und des „freien Welthandels“, womit jetzt auch die europäischen Konföderierten Washingtons ‚gesichtswahrend‘ zu Trumpisten im Schafspelz oder genauer „Trumpisten ohne Trump“ mutieren konnten. Allerdings: Hat sich der Westen schon gegen andere Länder verzockt, geht es in einem Wirtschaftskrieg gegen China allerdings nicht mehr „nur“ um Energie, Rohstoffe, periphere Lieferketten und einen überschaubaren Absatzmarkt, sondern ums Eingemachte. Dieser Krieg gegen die „Fabrik der Welt“ wird je nach Eskalationsgrad mit Wucht auch auf die Kosten unserer üblichen Alltagsgüter durchschlagen.

Denn für uns als Endkunden sind nicht Chips an sich und deren dominante Produktionsstandorte – ob Ostasien oder die USA – maßstäblich, sondern die mit diesen Halbleitern gefertigten Geräte. Und die meisten elektronischen Produkte für den Massenmarkt werden aufgrund des chinesischen Fertigungsanteils an Smartphones, PCs usw. usf. in der globalisierten Arbeitsteilung im Reich der Mitte produziert. Mehr noch: aktuell sickern vermehrt noch viel weiterreichende Bemühungen der USA und intensive Konsultationen der G7 für China-Sanktionen á la „Kalter Krieg 2.0“ durch. Die Absicht der westlichen Sanktionspolitik, aufsteigende Konkurrenten auszubremsen und seine Gegner in die Knie zwingen zu wollen bzw. gar zu „ruinieren“, nimmt dabei bewusst in Kauf, dass die Sanktionsgefechte zugleich die sozialen Lebensbedingungen zahlloser Erwerbstätiger, Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen, Transferleistungsbezieher:innen und Pensionist:innen ruinieren.

Euro-Land bald abgebrannt?

Washington hat denn auch seine Segel bereits auf radikale Entkopplung („De-Coupling“) gesetzt. Ganz so weit geht das moderatere, neue wirtschaftliche Brüsseler „Verteidigungsinstrument“ des „De-Risking“, zumal aufgrund der innereuropäischen Interessenswidersprüche, (noch) nicht. Allerdings, darüber vermag auch der gemeinsame Staatsbesuch Ursula von der Leyens und Emmanuel Macrons im Reich der Mitte – samt französischer Wirtschaftsdelegationen im Gepäck – nicht hinwegzutäuschen, schwenkt auch die EU (zumal unter Hardlinerin und gehandelter nächsten NATO-Generalsekretärin von der Leyen) immer stärker auf Konfrontation, Eindämmungsmaßnahmen, ein zumindest partielles Decoupling und Ausschluss aus sog. strategischen und sicherheitsrelevanten Sektoren, Investitionskontrollen- und verbote und den US-Sanktions-Amoklauf ein. China sei immerhin ein „systemischer Rivale“ im neuen „Kampf der Systeme“, wie es in Bidens‘schen Newspeak heißt und von der Leyen letzte Woche in ihrer auf eine härtere Linie getrimmten Grundsatzrede zu China im transatlantischen Schulterschluss ihrerseits nicht minder herausstrich. Das niederländische Einknicken ist vor dem Hintergrund seines Hochleistungschip-Premiumkonzern ASML und des jahrelangen Konflikts Amsterdams mit Washington um dessen China-Geschäfte mehr als nur ein Fingerzeig, wie weit sich die europäischen Satelliten dem US-Konfrontationskurs zu beugen bereit sind.

Es ist in diesem Zusammenhang wie von Klaus Wagener süffisant auf den Punkt gebracht schon in der Tat „interessant, dass ausgerechnet die Neoliberalen als erste bereit sind, ihre ‚hohen Ideale‘ von Freihandel und freiem Kapitalverkehr über Bord zu werfen, wenn ihnen die Ergebnisse nicht passen.“ Eskalieren Brüssel und die europäischen US-Vasallen ihren Wirtschaftskrieg und das Sanktionsgefecht gegen China (das so nebenbei der wichtigste und größte Handelspartner Europas ist) indes weiter, könnte es bald heißen: Euro-Land abgebrannt. Denn China ist ein nochmals ganz anderes Kaliber als die bisherigen Ziele im Sanktions-Amoklauf und (anders als zu Zeiten des heute fast vergessenen, unmittelbar auf die Revolution 1949 bis 1972 verhängten US-Embargos um Peking zu erdrosseln) ohne weiteres in der Lage in seiner Sanktionsabwehr gegen das westliche Kampfmittel von Sanktionsmaßnahmen mit zielgerichteten Gegensanktionen zurückzuschlagen. Unter einem solchen Sanktionsgefecht würde EU-Europa aber nicht nur ächzen, sondern einen dramatischen ökonomisch und sozialen Trümmerhaufen heraufbeschwören, mit einem zugleich inflationären Schock, gegen den die aktuellen Teuerungsraten geradezu harmlos aussähen würden.

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