Die „Pax Americana“ in Cato’s Zeichen: „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass …“

Ein Jahr Krieg in und um die Ukraine. Dabei wäre dieser (worin selbst arrivierteste Thinktanks, Militärs und Geostrategen der westlichen Hauptstädte übereinstimmen) sowohl vermeidbar gewesen, wie auch nach bereits wenigen Wochen in einen Waffenstillstand und eine Verhandlungslösung überführbar gewesen. Ersteres wenn auf die Forderung Moskaus nach Verhandlungen über vertraglich fixierte Sicherheitsgarantien von Dezember 2021 eingegangen worden wäre, anstatt sie seitens der USA und NATO einfach schroff zurückzuweisen. Letzteres wiederum bestätigte in einem diesbezüglichen Videointerview jüngst auch der ebenso als „Putin-Versteher“ sowie eines jeden „Antiamerikanismus“ wohl ziemlich unverdächtige seinerzeitige Premierminister Israels, Naftali Bennett. Das weiß man – entgegen dem immer hysterischeren Kriegsgetrommels – natürlich auch in den Hauptstädten außerhalb des Westens, der in seinem Krieg gegen Russland, wie die Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) gerade betonte, vom „Rest der Welt“ in Wirklichkeit isolierter denn je ist. Dem römischen Politiker Cato dem Älteren wird zugeschrieben, jede Rede mit den Worten „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“ („Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss“) beendet zu haben. Für die herrschenden Kreise des Westens scheint einzig Karthago durch Russland als zu „ruinierendes“ Ziel ausgetauscht. What ever it takes. Und auf der „Münchner Sicherheitskonferenz“ (die im Kalten Krieg vielsagend noch „Wehrkundetagung“ hieß) warf man vorsorglich auch gleich China, das eine Friedensinitiative ankündigte, den Fehdehandschuh hin.

The West against the Rest

Zwar mag es den Medien und herrschenden Kreisen des Westens in ihrem Weltordnungskriegs-Konsens mittels ihrer seit einem Jahr anhaltenden 24-stündigen multimedialen Dauerpropaganda noch gelingen, sämtliche – auch globalen (ob nun seitens Brasiliens, Chinas, Mexikos, Indiens …) – Initiativen für eine Verhandlungslösung zu diskreditieren, mit Müh und Not die Heimatfront aufrecht zu erhalten und mit ihrem unablässigen Kriegsgeschrei den Ukraine-Krieg weiter zu eskalieren. Aber schon ein kurzer streifender Blick über wichtige Länder und Regionen der ebenso viel beschworenen wie vom Metropolenkapitalismus in Kolonialmanier für sich selbst vereinnahmten „internationalen Gemeinschaft“ reicht, um die „größer gewordene Kluft“ (ECFR) zwischen dem metropolitan-kapitalistischen Ländern des Westens und „dem Rest“ des Globus‘ im Kontext des „Krieges gegen Russland“ (Annalena Baerbock) in den Blick zu bringen. Von Brasilien, über Argentinien, Mexiko, Chile, Bolivien, … oder auch China, Indien, Indonesien, … den arabischen Golfstaaten oder den Staaten der Afrikanischen Union wird der Kriegs- und Eskalationskurs des Westens klar abgelehnt. Entsprechend beteiligen sich, trotz des enormen Drucks aus den Hauptstädten des Metropolenkapitalismus, auch Dreiviertel der Staatenwelt, darunter beispielsweise kein einziger Staat des afrikanischen Kontinents, an den Sanktionen gegen Moskau. Und so sehr für den steten Kriegstaumel an den bröckelnden Heimatfronten des Westens die Dauerzuschaltungen Selenskyjs als Soft Power dienen mögen: Bei Selenskyjs Videoschaltung vor der Afrikanischen Union im Juni letzten Jahres etwa, waren demonstrativ überhaupt nur 4 der 54 Staatsoberhäupter anwesend. Was, wie ein Autor zu Recht bemerkt, „nicht mehr nur eine eindeutige Positionierung afrikanischer Staaten“, sondern nicht minder einer „regelrechte(n) Brüskierung“ auch des Westens gleichkam.

Und dass der 24. Februar 2022 gar das Datum des „Wiederauflebens des Imperialismus“ markiere, wie Macron vor der UN-Vollversammlung ausführte, dürfte von zahlreichen afrikanischen Staatschefs aus den ehemaligen französischen Kolonien bzw. aus weiteren ehemals westlichen „Besitzungen“ oder auch aus Libyen, Algerien und Mali gelinde gesagt doch mit Erstaunen vernommen worden sein. Zumal gerade in Afrika den meisten Ländern die Überwindung der Kolonialherrschaft erst ab Ende der 1950er Jahre gelang. Entsprechend erreichten alleine 1958 bzw. 1960 satte 18 neue Staaten ihre Unabhängigkeit. Ein weiterer Schub der Dekolonialisierung erfolgte wiederum erst im Verlauf der 1960er Jahre und teils erst durch blutige Befreiungskriege und horrenden Opfern wie etwa dem Algerienkrieg. Aber auch die Delegierten der Länder des ehemaligen französischen Westafrikas sowie einstigen französisch Zentralafrikas aus dem „Françafrique“ genannten neokolonialen Währungs- und Ausplünderungssystem werden den Sermon Macrons mit Kopfschütteln vernommen haben, ganz zu schweigen von den Vertretern Libyens, des Jemen oder Malis.

Süd- und Lateinamerika betreffend wiederum, haben gerade die Präsidenten Brasiliens, Argentiniens, Kolumbiens und Chiles, Luiz Inácio Lula, Alberto Fernández, Gustavo Petro und Gabriel Boric dem deutschen Kanzler Olaf Scholz recht unmissverständlich zu verstehen gegeben, wie es der einstige „Hinterhof“ Washingtons heute mit dem westlichen Empire und seinem Weltordnungskrieg um die globale Vorherrschaft hält. Ähnlich schroffe Abfuhren holte sich „der Westen“ zuvor schon in Südostasien. Und selbst traditionelle Verbündete Washingtons lassen sich auch nach einem Jahr und stetig steigendem Druck des metropolitanen Imperialismus weder direkt noch indirekt in die westliche Schlacht um die Vormacht in der Welt einbinden.

Um den Globalen Süden und die Dreiviertelmehrheit des Globus, die dem Westen die weltpolitische Richtlinienkompetenz entzogen haben, doch noch zur Raison im Weltordnungskrieg des Empires zu bringen, droht der „regelbasierte Westen“ in Kolonialherrenmanier dieser Tage allen Staaten, die den verhängten Strafsanktion gegen Russland und grassierenden Sanktions-Amoklauf zuwiderhandeln, mit „hohen Kosten“.

Ex-Vizepräsident der CIA: Die völlige Korruption der westlichen Medien im Ukraine-Krieg  

Dass es um der bedingungslosen Aufrechterhaltung des geostrategisch gestifteten westlichen Kriegs-Narrativs gegen den „Russischen Bären“ wegen, allerdings selbst die Enthüllungen eines israelischen Premier nicht mehr ernsthaft in die Medien schaffen, ist freilich schon ein besonderes Lehrstück der Schreibtisch-Feldwebeln an der Medienfront. Zumal sich diese Schilderungen mit gleichlautenden Berichten aus Quellen des NATO-Partners Türkei zum Verlauf der Istanbuler Gespräche von letztem März decken. Man könnte als weiteren Beweis des mit heißen Nadeln gestrickten, über uns gelegten Kriegspropagandanetzes freilich auch den Generalstabschef der US-Streitkräfte Mark Milley heranziehen (der den russischen „Frosch“ bekanntlich „langsam gekocht“ haben wollte), welcher entgegen der triumphalistischen Berichterstattung das Gemetzel des neuen Verdun für den Westen nicht gewinnbar hält und anstatt des westlichen Weltordnungskriegs „bis zum letzten Ukrainer“ für eine Verhandlungslösung plädiert. So aber ergießt sich über die Ätherwellen der Republik zwar regelmäßig der bellizistische Sermon des Militärstrategen Franz-Stefan Gady, der schon seit letztem April einzig die „vernichtende Niederlage“ Russlands „auf dem Schlachtfeld“ als Marschrichtung ausgibt, übers Land. Die sich demgegenüber nicht so recht ins triumphalistische Kriegsgetrommel und die bellizistischen Durchhalteparolen einfügenden Ansichten des immerhin obersten Militärs der USA, lassen sich dagegen medial nur leise und unter Schnappatmung vernehmen. Graham E. Fuller, Ex-Vizepräsident der CIA und vormals zuständig für die geheimdienstliche Beurteilung der globalen Situation, ist sicher eine wahrlich mit allen Wassern des Informations- und Propagandakriegs gewaschene Person. Und doch stellte selbst der US-Schlapphut ersten Ranges schon letzten Frühsommer fest: „Eines der beunruhigendsten Merkmale dieses amerikanisch-russischen Kriegs in der Ukraine“, wie er den Ost-West-Stellvertreterkrieg pointiert charakterisiert, „ist die völlige Korruption der unabhängigen Medien“ des Westens.

Die Enthüllungen des israelischen Ex-Premiers Naftali Bennetts

In einem längeren Interview hat Naftali Bennett, der auf Bitte Selenskyis nach Ausbruch des Kriegsgeschehens hinter den Kulissen intensiv an Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau gearbeitet hat, jüngst ausgeplaudert, dass Ende März des Vorjahres, also ein Monat nach Kriegsausbruch, ein Waffenstillstand in greifbarer Nähe gewesen ist – aber von den USA und Großbritannien torpedierten wurde. Washington und London, so Israels Ex-Premier „blockierten“ (resp. „stoppten“) dies und diplomatische Verhandlungen rüde. Neben heiß laufenden Drähten per Telefon flog Bennett dann bereits am 5. März, sprich 10 Tage nach Kriegsbeginn, auf Einladung Putins in einem vom israelischen Geheimdienst bereitgestellten Jet zum einschlägigen Gespräch nach Moskau. Ein Waffenstillstand, an dem „damals … beide Seiten großes Interesse … hatten“, sei in Folge, so Bennett wie gesagt, in greifbarer Nähe gewesen. Beide Seiten, also sowohl Moskau wie Kiew, waren zu erheblichen Zugeständnissen bereit. Doch die USA und Großbritannien haben eine Verhandlungslösung unterminiert und auf eine Fortsetzung des Krieges bestanden. Insbesondere Boris Johnson hat – anders als seinerzeit noch Scholz und Macron – bei Bennetts Visite in den westeuropäischen Hauptstädten zur Abstimmung seiner Bemühungen die ultimative US-britisch „aggressive“ Position vertreten, dass „man Putin weiter bekämpfen müsse“. Auf die Frage, ob London und Washington die Initiative und damaligen Istanbuler Gespräche um eine Verhandlungslösung hinter den Kulissen tatsächlich zum Scheitern brachten, antwortete Bennett in seinem Videointerview recht unmissverständlich:„Ja. Sie haben es blockiert“. „Ich behaupte, dass es eine gute Chance auf einen Waffenstillstand gab, wenn sie ihn nicht verhindert hätten.“

Seitdem brechen nahezu alle Dämme. Das Kriegsgetrommel und bellizistische mediale Dauerfeuer haben dabei sogar das kollektive Kurzzeitgedächtnis in Schutt und Asche gelegt. Die unentwegte Kriegspropaganda hat nämlich weitestgehend selbst die blasseste Erinnerung an die einst vielversprechenden Istanbuler Gespräche zwischen Vertretern Russlands und der Ukraine um eine Verhandlungslösung verschüttet – die eben Naftali Bennett mitmoderierte. Ende März 2022, nur einen Monat nach Kriegsausbruch, titelten die Medien noch zu den erzielten „großen Annäherungen“ und einem vielversprechenden Entwurf eines Waffenstillstandsabkommens. Aber schon wenige Tage später, am 5. April, berichtete die Washington Post, dass in der NATO die Fortsetzung des Krieges gegenüber einem Waffenstillstand und einer Verhandlungslösung bevorzugt wird: „Für einige in der NATO ist es besser, wenn die Ukrainer weiterkämpfen und sterben als einen Frieden zu erreichen, der zu früh kommt oder zu einem zu hohen Preis“ für Washington, die NATO und die EU. Selbiges berichtete am 21. April nur wenig später dann auch der türkische Außenminister Mevlüt Çavusoğlu, der (selbst alles andere als ein Friedenstäubchen) gleichviel ebenfalls als Vermittler an den Istanbuler Gesprächen teilgenommen hatte, nach einem Treffen der NATO-Außenminister gegenüber CNN Türk: „Es gibt Länder innerhalb der NATO, die wollen, dass der Krieg weitergeht … Sie wollen, dass Russland schwächer wird.“

Ebenso zynisch wie angewidert kommentierte denn auch der Spitzen-Politologe des US-Establishment und Gegner des Stellvertreter- und Zermürbungs-Kriegs gegen Moskau John Mearsheimer: „Wir [Washington] haben beschlossen, dass wir Russland in der Ukraine besiegen werden. (…) Man könnte argumentieren, dass der Westen, insbesondere die Vereinigten Staaten, bereit sind, diesen Krieg bis zum letzten Ukrainer zu führen.“

Und um dies auch der ukrainischen Führung nochmals unmissverständlich ins Stammbuch zu diktieren, begab sich Anfang April letzten Jahres denn auch der damalige britische Premierminister Boris Johnson nochmals extra nach Kiew. Laut Times vom 4. April stand die Visite unter der explizit ausgegebenen Maxime: „Keine Einigung mit Russland, solange die Ukraine nicht die Peitsche in der Hand hat.“ Dem Guardian zufolge hat er dieser Maxime gemäß Wolodymyr Selenskyj bereits Ende März 2022 – als die Welt gerade gebannt die russisch-ukrainischen Gespräche in Istanbul verfolgte – „angewiesen“, „keine Zugeständnisse an Putin zu machen.“

Noch einmal Cato und der „römische Frieden“

Ein Jahr Krieg, dessen weitere Länge und schlussendlicher Ausgang völlig offen ist, und Dutzende Tausend Tote später, gilt als Kriegsziel mehr denn je: die „vollständige Niederlage“ Russlands, bis hin zur „Vernichtung“, ja „kompletten Zerschlagung“ des Landes – wie es in Interviews und Wortmeldungen der Münchner „Sicherheitskonferenz“ hieß.

Schon das römische Imperium (und damit zurück zu Cato dem Älteren) kannte nur eine Form des Friedens: den mit römischen Waffen errungenen „Sieg-, Diktat- und Unterwerfungsfrieden“, die Pax Romana. Dem entsprachen seinerzeit noch offen sogar die Münzprägungen. Die römische Friedensgöttin Pax zusammen mit der Siegesgöttin Victoria, die ihren Fuß auf den Nacken der Besiegten setzte. Nicht anders definiert sich heute die „Pax Americana“, auch wenn sie dies nicht mehr in dieser Offensichtlichkeit auf ihre Dollar prägt.

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