Das Fiasko der globalen politische Lage und der Berichterstattung

Die Sonne lacht über dem G20-Gipfel in Indonesien – die Welt über Boris Johnson – doch die globale politische Lage und Berichterstattung ist ein Fiasko

Während die Falken der westlichen Hauptstädte auf Stellvertreterkrieg bis zum Endsieg und Isolation sowie Decoupling Russlands getrimmt sind, gerät der Westen selbst immer nachhaltiger in eine globale Isolation. Nach wie vor unterstützt – über die G7-Staaten, die EU, Japan und eine Handvoll üblicher Verdächtiger hinaus – kein weiteres Land die westlichen Sanktionen. Kein Staat Afrikas oder Lateinamerikas, auch nicht der Nahe Osten, weder China, Indien, Brasilien, Argentinien, noch der G20-Gipfelgastgeber Indonesien. Da mag das Kriegsgetrommel in Washington und Brüssel noch so laut und die Gleichsetzung der „Weltgemeinschaft“ mit dem „Westen“ noch so schrill sein. Neben vielen anderen haben sich die letzten Tage zudem vielmehr weitere Köpfe ersten Ranges, wie Ex-CIA-Vizepräsident Graham E. Fuller (ehem. Direktor für europäische Angelegenheiten des Nationalen Sicherheitsrats der USA) oder Charles Kupchan (ehem. Direktor für europäische Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten) kritisch zum gehypten „Zeitenwende-“Irrsinn ausgesprochen. Mit Jacques Baud widerspricht ein weiterer hochrangiger Militär der westlichen Kriegsberichtserstattung der Mainstream-Medien, und auch Noam Chomsky konstatiert, noch nie eine solche Zensur und medialen Wahnsinn erlebt zu haben.

Graham E. Fuller, vor seiner Pensionierung Vizepräsident der CIA und zuständig für die geheimdienstliche Beurteilung der globalen Situation, ist eine wahrlich mit allen Wassern des Informations- und Propagandakriegs gewaschene Person. Und doch stellte selbst der US-Schlapphut ersten Ranges jüngst fest: „Eines der beunruhigendsten Merkmale dieses amerikanisch-russischen Kriegs in der Ukraine“, wie er den Ost-West-Stellvertreterkrieg pointiert charakterisiert, „ist die völlige Korruption der unabhängigen Medien“ des Westens. In dieselbe Kerbe schlug unlängst auch der prominente US-Intellektuelle, weltbekannteste Linguist der Gegenwart und bekannt kritische Kopf Noam Chomsky, der seinerseits konstatierte: „Eine solche Zensur [und medialen Wahnsinn] habe ich noch nie erlebt.“ Für die heutigen Transatlantiker in Europa und ihre Vasallenrolle gegenüber der „amerikanischen Führungsrolle“ im Kampf um die globale Vorherrschaft des Westens wiederum, hat selbst der einstige Vize Langleys nur mehr Abschätzigkeit übrig und prognostiziert ein hartes Erwachen.

Auch Charles Kupchan, ehemaliger Sonderberater des US-Präsidenten Barack Obama und leitender Direktor für europäische Angelegenheiten im Nationalen Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten, ist überzeugt, „dass es irgendwann notwendig sein wird, sich … auf Diplomatie zu konzentrieren.“ Und bekennt gegen die Ost-Erweiterung der NATO: „Ich war nie ein großer Fan der NATO-Erweiterung, weil ich glaubte, dass sie Europa neu spalten und eine Rivalität mit Russland auslösen würde.“ Ähnlich Henry Kissinger und bröckelnder Think Tanks in den USA ist auch Kupchan der Auffassung, dass es Zeit ist nach Wegen zu suchen „die den Krieg beenden“ können und „anschließend eine Plattform für Verhandlungen über Gebietsabtretungen (zu) schaffen.“ Das Kriegs-Delirium der G7, der NATO und Selenskyis hingegen hält er für ein Desaster.

Was wiederum die Kriegsberichterstattung angeht, hat sich abermals Jacques Baud, Schweizer Ex-Oberst des Generalstabs und ehem. Mitglied des strategischen Nachrichtendienstes des Landes, spezialisiert auf osteuropäische Länder, ausführlich zu Wort gemeldet und lässt an dieser kein gutes Haar. „Im Gegensatz zu den Erklärungen der ‚Experten‘ in unseren Fernsehstudios – die uns versicherten, Wladimir Putin versuch[t]e Kiew einzunehmen, und dann behaupteten, die Russen hätten ‚die Schlacht um Kiew verloren‘ – hat die russische Koalition nie versucht, Kiew einzunehmen.“ Und ergänzt auf Basis eingehenderer militärstrategischer Erörterungen: „Das westliche Narrativ des Blitzkriegs ist wahrscheinlich absichtlich irreführend, um … Erwartungen zu wecken und die Unfähigkeit der Russen zu beschwören.“ Demgegenüber, so der Schweizer Militär kritisch: „… scheint das Handeln der ukrainischen Streitkräfte eher von der Politik als von den Realitäten vor Ort bestimmt zu sein. Einige Entscheidungen scheinen gegen die Meinung der Generalstäbe getroffen zu werden. Dies gilt beispielsweise für den Befehl, um jeden Preis ‚durchzuhalten‘.“ Da hilft auch das tägliche mediale Dauerfeuer von CNN bis zum ORF und der ‚freien Weltpresse des Westens‘ an den Heimatfronten im US-Rust Belt, in der französischen Provence, im brandenburgischen Schwedt oder hierzulande nichts.

„Ab Mitte Mai 2022 erschütterte die spektakuläre Kapitulation von 1000 Kämpfern der 36. Marineinfanteriebrigade und später von rund 2500 Paramilitärs des Asow-Regiments … das Bild der Entschlossenheit gegen den russischen Aggressor. Darauf folgte eine Flut von Meutereien und Kapitulationen ukrainischer Einheiten im Donbass. … Es gibt immer mehr Berichte und Videos von ukrainischen Truppen, die sich aufgrund der fehlenden logistischen Unterstützung weigern, den Kampf fortzusetzen, wie Oberst Markus Reisner von der Militärakademie Wien in seinem Vortrag über die Situation in den Kesseln des Donbass erwähnt.“

„Die Zerbrechlichkeit des ukrainischen Verteidigungswillens wird natürlich nicht in unseren Mainstream-Medien widergespiegelt, die anscheinend bedauern, dass diese Ukrainer nicht bis zum Tod kämpfen.“

Und nach dem Fall des britischen Oberkriegstreibers Boris Johnson wird es wohl mehr denn je an der wackeren Annalena Baerbock liegen, der von ihr schon vor Längerem beklagten „Kriegsmüdigkeit“ entgegenzutreten und „klare Kante“ gegen Russland zu zeigen, wie sie schon zu ihrer Nominierung als grüne Spitzenkandidatin – lange vor der Eskalation um die Ukraine – versprach. Joe Biden, seit 1973 prononcierter Außenpolitischer- und Kriegs-Falke im US-Senat, wird sich demnächst wohl wieder etwas stärker dem größten „Failed state“ der Erde – der an allen Ecken und Enden knirschenden, immer maroderen USA – widmen müssen. Die TeilnehmerInnen am G20-Gipfel auf Bali wird neben vielen weiteren Fragen hingegen eher interessieren, wie ein selbstherrlicher G7-Gipfel für die grassierende Hungersnot lediglich Brosamen und Kriegsrhetorik übrig hatte, parallel aber ohne viel Federlesen das grob 250-fache (!) davon für seine Kriegsetats um die globale Vorherrschaft in Petto hat, als sich in einen Weltwirtschafts- und Weltherrschaftskrieg des Westens einspannen zu lassen. Man darf schon gespannt auf die Berichterstattung – oszillierend um Reuters oder CNN – sein.

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