Gestern fand eine gemeinsame Gedenkkundgebung von PdA, KJÖ und KOMintern im Wiener Karl-Marx-Hof anlässlich des Jahrestags der Februarkämpfe 1934 statt. Hier dokumentieren wir die KOMintern-Rede von Vorstandsmitglied Fabian Brandstätter.
Liebe Genossinnen, liebe Genossen
Bevor wir uns den Ereignissen rund um den 12. Februar 1934 aus gewerkschaftlicher Perspektive widmen, möchten wir uns kurz der aktuellen Lage widmen. Wir befinden uns in der größten kapitalistischen Krise seit 1929, „deren Auswirkungen für viele Menschen nicht weniger katastrophal sein werden als eben diese“. Und das sind nicht unsere Worte, sondern die des Wirtschaftsberatungsunternehmen McKinsey.
In absoluten Zahlen waren im Frühjahr 2020 mit der Rekordarbeitslosigkeit von 588.000 Menschen (und parallel 1,2 Mio. in Kurzarbeit) erstmals mehr Beschäftigte erwerbslos als zum österreichischen Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise 1933/34. Gleichzeitig formiert sich zur rechtskonservativen Regierung gesellschaftlich und auf den Straßen eine Rechtsaußen-Opposition.
Den Angriffen der Regierung und ihren Verbrecherfreunden des Großkapitals setzen die sozialdemokratisch dominierten Gewerkschaften nichts entgegen, außer Freudenbekundungen darüber, mit am Tisch zu sitzen, wenn erkämpfte ArbeitnehmerInnenrechte abgebaut werden.
Und ohne jetzt direkte Parallelen oder Gleichsetzungen zeichnen zu wollen, denn die wären analytisch jedenfalls verkürzt, möchten wir nun auf die Entwicklungen rund um den 12. Februar 1934 blicken.
Bereits 1927 kam es zu einem Massaker an 86 ArbeiterInnen. Diese protestierten mit tausenden weiteren Menschen gegen ein skandalöses Urteil der Justiz, welches die faschistischen Mörder eines Hilfsarbeiters und eines 6-jährigen Kindes freisprach.
Der Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929, sowie die angestrebte Zollunion mit Deutschland der Regierung Schober brachte die Creditanstalt ins Wanken und zog weitere Banken in Mitleidenschaft. Die Sanierung der Banken sowie die Krisenlast insgesamt wurde auf die Massen abgewälzt, es kam zu massiver Steuererhöhung und Kürzungen.
Von 1929 bis 1932 sank die Produktion Österreichs um 39% und die Arbeitslosigkeit stieg bis Jänner 1933 um 53%. In defacto allen Industriezweigen kam es zu Lohn und Gehaltskürzungen.
Nach der Ausschaltung des Parlaments 1933 reagierte Dollfuß mit einer „Notverordnungsdiktatur“, und setzte als eine der ersten Maßnahmen die „Einschränkung der Sozialgesetze“ und eine „Notverordnung über das Streikrecht“, was eine massive Einschränkung des bisherigen Streikrechts bedeutete. Am 1. Jänner 1934 setzte er Regierungskommissare für die Arbeiterkammern ein, die freien Gewerkschaften waren in den Ausschüssen nicht mehr vorhanden.
Gleichzeitig gingen die austrofaschistische Regierung und der Industriellenverband daran, über die Heimwehr, in ihrer Funktion als Terrortruppe auf der Straße, eigene faschistische, „werkbejahende“ Gemeinschaften (die „gelben“ Gewerkschaften) aufzubauen, die sich durch „Werkspatriotismus“ auszeichnen sollten.
Eine der entschiedensten gewerkschaftlichen Kraftproben war der für den 1. März 1933 angesetzte, zweistündige Eisenbahnstreik, welcher Anlass für eine turbulente Parlamentssitzung war. Auf diese Sitzung hin nutzte die Dollfußregierung die Lüge der „Selbstausschaltung“ des Parlaments für ihren Staatsstreich und begann mit der Errichtung der austrofaschistischen Diktatur.
Mit brachialer Gewalt, Inhaftierungen bekannter Gewerkschaftsfunktionäre, Unterbindung von Telefonleitungen und Entlassungen war es der Regierung und der Bahndirektion gelungen, den Streik zu brechen. Die sozialdemokratische Partei und die Gewerkschaftsspitzen sahen darin aber nicht den Beginn des offen faschistischen Kurses, und es wurden nicht mal Solidaritätsstreiks mit den angegriffenen EisenbahnerInnen ausgerufen.
Diese zogen wiederum ihre eigenen Lehren aus der mangelnden Solidarität, und so konnten elf Monate später, im Februar 1934, die Züge zum Truppentransport zu den Brennpunkten des Kampfgeschehens ungehindert passieren.
Gleichwohl bestand am 15. März 1933 (einberufene Fortsetzungs-Sitzung des Parlaments) im entscheidenden Stadium der Aufrichtung eines offen diktatorischen politischen Systems im Interesse der aggressivsten Teile des Monopol- und Finanzkapitals die Möglichkeit, den faschistischen Staatsstreich mit einem Generalstreik und der Mobilmachung des Republikanischen Schutzbunds zu verhindern.
In einem Sturm an Gewerkschaftsversammlungen, im Vorfeld des 15. März bekundeten hunderttausende Gewerkschafter in ganz Österreich ihre Bereitschaft, „mit allen Mitteln, mit Einsatz von Existenz und Leben die Anschläge der Reaktion auf die Rechte und auf die Freiheit der österreichischen Arbeiterschaft abzuwehren“. Die Kommunistisch Partei richtete einen Offenen Brief an die Sozialdemokratie, in dem sie ihre Bereitschaft zum gemeinsamen Abwehrkampf gegen den Faschismus erklärte.
Doch die abwartende Politik des sogenannten „Austromarxismus“, sowie sein Glaube, sich den Kampf ersparen und alles auf parlamentarischer Ebene aushandeln zu können, erwies sich dagegen als noch nicht einmal fähig, die bürgerliche Demokratie zu verteidigen.
Die Hauptursache für die Niederlage des heroischen 12.Februar-Kampfes lag auch in der Kapitulationspolitik der sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsführung. Deren dauernde Rückzüge vor der Offensive der Reaktion hat die Kampfkraft der Massen systematisch untergraben und immer tiefer demoralisiert. Die Vorstellung, man könne nach jahrelanger Kapitulationspolitik plötzlich die Massen auf Knopfdruck mobilisieren und siegen, hat sich vorhersagbar blamiert.
Der bewaffnete Kampf der FebruarkämpferInnen blieb ohne Unterstützung eines Generalstreiks und Verbindung mit Massenaktivitäten. Die Schutzbündler und KommunistInnen, die im Februar 1934 in sozusagen letzter Minute dann noch gemeinsam den bewaffneten Kampf wagten, blieben isoliert und unterlagen.
Neben dem bulgarischen Septemberaufstand 1923, war der 12.Februar (vorm Spanischen Bürgerkrieg) nichtsdestotrotz der einzige Versuch, den Vormarsch des Faschismus in einem heroischen, bewaffneten Kampf aufzuhalten. Seinen Opfern gebührt unser Andenken!