„Man darf sich nicht einschüchtern lassen“

Anlässlich des erfreulichen Gerichtsurteils von vergangener Woche, in dem seitens OGH bestätigt wurde, dass DemoanmelderInnen nicht haften, haben wir uns mit Raffael Schöberl unterhalten. Der ehemalige Bundesvorsitzende der Kommunistischen Jugend Österreichs war zusammen mit der SJ Oberösterreich Anmelder jener antifaschistischen Demonstration in Linz, welche ein mehrjähriges gerichtliches Nachspiel nach sich gezogen hat.

Welchen Stellenwert hat das Urteil für die Versammlungsfreiheit in Österreich bzw. politische Arbeit im Allgemeinen?

Das Urteil des Obersten Gerichtshofes ist in zweierlei Hinsicht ein enorm wichtiger Erfolg. Hätte die Verurteilung des Bezirksgericht Linz in den höheren Instanzen Stand gehalten, hätte dies natürlich für die beklagten Jugendorganisationen, die Kommunistische Jugend Österreichs und die Sozialistische Jugend Oberösterreich, einen massiven finanziellen Schaden bedeutet. Aber natürlich wäre die Tragweite darüber hinaus eine weitaus größere gewesen. Denn das bürgerlich-demokratische Grundrecht sich frei zu versammeln wäre damit beschnitten worden, mehr noch eine Haftbarmachung von VersammlungsanmelderInnen für jegliches Verhalten Dritter hätte das Demonstrationsrecht faktisch außer Kraft gesetzt. Niemand hätte mehr Demos anmelden können, ohne befürchten zu müssen, verklagt zu werden. Denn wer würde noch Proteste organisieren, wenn sie oder er die berechtigte Sorge hätte, anschließend für Sachschäden im fünf- oder sechsstelligen Bereich aufkommen zu müssen.

Mit diesem OGH-Urteil in der Tasche gehen wir nun aber gestärkt aus diesem jahrelangen Gerichtsverfahren. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Urteilsbegründung ausführlich dargelegt, was die Rechte und was auch die Pflichten von VersammlungsanmelderInnen sind. Das Gericht hat aufgezeigt, dass man als InitiatorIn einer eigentlich friedlichen Demonstration nicht befürchten muss, für etwaige Schäden belangt zu werden, wenn man denn nachweisen kann, dass man sich zumindest ernsthaft bemüht hat, für einen geordneten Ablauf der Versammlung zu sorgen. Eine Haftung für Sach- oder Personenschäden könnten laut OGH in der Regel nur dann auf die AnmelderInnen begründet werden, wenn diese überhaupt keine Maßnahmen zur Abwendungen von Risiken treffen würden. Denn angesichts drohender „chilling effects“ dürfen solche Sorgfalts- und Sicherungspflichten des Anmelders auch nicht überspannt werden, da „sonst die grundrechtlich geschützte Demonstrationsfreiheit darunter litte“, so der OGH in seiner Urteilsbegründung. Damit erkennt der Gerichtshof an, dass es zwischen Demonstrationen und anderen Massenveranstaltungen, wie Konzerten, grundlegende Unterschiede gibt.

Wer ist der Kläger und welche Motivation siehst du hinter der Klage?

Die Klage wurde vom Inhaber des Lokals „Josef das Stadtbräu“ und vom „Kaufmännischen Verein in Linz“ eingebracht. Die Vermutung liegt nahe, dass es neben der Abwälzung des verursachten Sachschadens auf die beklagten Jugendorganisationen sehr wohl eine politische Motivation gegeben haben könnte. So schreibt der Lokalinhaber des Josefs immer wieder im Rechtsaußen-Pamphlet „Wochenblick“, sein Lokal hatte in der Vergangenheit schon mehrmals durch rassistische Äußerungen Schlagzeilen gemacht und in den Räumlichkeiten des Kaufmännischen Vereins findet alljährlich der deutschnationale und rechtsextreme Burschenbundball statt. Dass es hier Querverbindungen zur örtlichen FPÖ oder ÖVP gibt, die ja immer vorne mit dabei sind, wenn es um Einschränkungen des Demonstrationsrechtes geht, ist wohl offenkundig.

Welche Lehren ziehst du aus dem Prozess für deine politische Arbeit?

Auch wenn der jahrelange Kampf vor den Gerichten langwierig, teilweise mühsam und für die Jugendorganisationen finanziell belastend war, hat es sich ausgezahlt, dass wir bis zum Schluss gekämpft haben und uns in all den Jahren nicht unterkriegen haben lassen. Die starke Solidarität, die wir während des gesamten Verfahrens zu spüren bekommen haben, aber auch die vielen Spenden haben dazu natürlich beigetragen. Eine der wichtigsten Lehren, die wir aus dem Prozess ziehen können, ist mit Sicherheit, dass man sich nicht einschüchtern lassen darf, wenngleich der Gegner manches Mal groß und mächtiger erscheint. Aber klar ist natürlich, dass dieser Sieg zwar ein wichtiger Sieg für die Versammlungsfreiheit ist, aber es nur ein Etappensieg ist. Denn auch weiterhin werden reaktionäre und bürgerliche Kräfte versuchen, die Versammlungsfreiheit einzuschränken. Und den Kampf dagegen können wir nicht nur in Gerichtssälen führen, sondern müssen ihn vor allem auf der Straße durchsetzen.

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