Frühjahrs-Lohnrunde im Zeichen von Inflation und (Wirtschafts-)Krieg

Die Inflation wird gewöhnlich nach den Gang- und Laufarten der Pferde unterschieden: schleichende, trabende, galoppierende. Und die Gäule haben grad erneut die Sporen erhalten. Parallel forciert der Westen von Washington über Brüssel bis Wien den verhängten Wirtschaftskrieg gegen Russland nochmals weiter. Im NATO-Nachbarland Deutschland, wo die politisch Verantwortlichen die Dinge öfter klarer beim Namen ansprechen, meinte der oliv-grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck jüngst: „Wir sind quasi Kriegspartei, als Wirtschaftskriegspartei“ und „werden dadurch ärmer werden.“ Auch in Österreich schwingt dies allenthalben zwischen den Zeilen hindurch.

Die industrielle Führjahrs-KV-Runde Papier, Elektro/Elektronik, Chemie, Glas und Textil markiert denn auch den weichenstellenden Lackmustest gewerkschaftlicher Lohnpolitik im Zeichen der höchsten Inflation seit Dekaden und unter entfesselten geopolitischen Wirtschaftskriegsbedingungen.

Die Inflation schnellt weiter ungebremst durch die Decke, ist im März auf beinahe 7% (6,8%) hochgeklettert und wirft bereits weitere Schatten voraus. Die Großhandelspreise – ein traditioneller Frühindikator der künftigen Inflation – sind überhaupt auf den höchsten Wert seit 1973 emporgeklettert: satte 9,7% gegenüber Februar und plus exorbitante 25,6% höher als vor einem Jahr.

Und während die Preise für Haushaltsenergie um 27,4% hinaufschnellten (jene für Gas sogar um 65,3%) erheben die Wirtschaftskrieger diverser Couleurs die Gas- und Öl-Kontrakte mit Moskau zur ultimativen Frage der vermeintlichen „Rettung des Abendlands“. Entsprechend schnürten sie über das ohnedies bereits alle bisherigen vergleichbaren Sanktionen gegen Staaten übertreffende Sanktionsregime hinaus gerade ihr neues Sanktionspaket. Kohle-Importe werden mit einem sofortigen Stopp belegt, Öl-Importe stehen ebenfalls zur Disposition und auch die Gas-Importe stehen vor drastischen Reduktionen mit zeitlichem Aus.

Vorrang hat das Kriegswirtschaftsziel, Russland „zu ruinieren“ (Annalena Baerbock). „Wir können auch einmal frieren für die Freiheit“ und einen „Regime Change“ in Moskau, tönt es von honorigen Seiten, durch den medialen Blätterwald und seitens kriegsenthusiastischer liberaler Mittelschichten, die schon ihre Gucci- oder Prada-Pullis übergezogen haben und darin eingemummelt Rotwein schwenkend ihre Thermostate von 23 auf 21 Grad runtergedreht haben und so, auch noch stolz auf sich, ihren Dienst an der Heimatfront zu verrichten meinen.

Egal in ihrem simplen Weltbildchen ist den „Neuen Kalten KriegerInnen 2.0“ dabei, dass es geschichtlich keine Beispiele dafür gibt, durch Sanktionen ließen sich Krieg stoppen, die heimische Industrie- und Wirtschaft mit dem Sanktionswahn – der in Wahrheit nichts weiter als ein getarnter Wirtschaftskrieg ist – bis in eine drohende Kernschmelze getrieben würde und die Lebensverhältnisse der Werktätigen in Österreich mit seiner immer weiteren Eskalation auf breiter Front abrutschen. Sie schmettern der Frage „Wollt ihr den totalen Wirtschaftskrieg?“ vielmehr ihr freudiges „Ja“ entgegen.

Eskaliert das politische System den entfachten Wirtschaftskrieg gegen Russland indes weiter, kann die dadurch zusätzlich angeheizte Teuerungswelle demnächst auch die Zweistelligkeit reißen. Aber auch andernfalls wird sie allen Prognosen zufolge auf seit Jahrzehnten nicht mehr gekannten Rekordhöhen bleiben. Entsprechend denn auch die vor diesem Hintergrund, trotz nominell hoch erscheinenden 6%, ohnehin handzahm gehaltenen Lohn- und Gehaltsforderungen seitens der Gewerkschaften nach zumindest Inflationsausgleich.

Dem Affront in der Papierindustrie des Abbruchs der KV-Verhandlungen nach 25 Minuten, antworteten GPA und PRO-GE für’s Erste einmal mit einer BetriebsrätInnen-Konferenz, um sich auf eine härtere Auseinandersetzung einzustellen. Zur nicht minder verhärteten Elektro-/Elektronikindustrie wurde zum vorsorglichen Beschluss von Kampfmaßnahmen für den Vortag der nächsten Verhandlungsrunde eine österreichweite BR-Konferenz einberufen. Um den Forderungen der Gewerkschaft den nötigen Nachdruck zu verleihen, ist allerdings mehr das übliche Säbelrasseln angesagt. Ob die Gewerkschaft zusammen mit den Beschäftigten die Signale darauf stellen, für einen gebotenen Abschluss vor die Werkstore zu ziehen, wird sich weisen. Der erste Abschluss in der diesjährigen Frühjahrslohnrunde Industrie mit 4,5% auf die Mindestlöhne und 4,2% auf die IST-Löhne und Gehälter (bei zugrunde gelegter durchschnittlicher Inflationsrate von 3,5%) in der Textilbranche lässt allerdings befürchten, dass die Gewerkschaften den Anforderungen der aktuellen Frühjahrslohnrunde nicht gerecht werden.  

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